Pausen...

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von Gerrit, 8.Juli.2017.

  1. Gerrit

    Gerrit Guest

    Also, sei's drum, ich wage es einmal:
    Seit einiger Zeit verhandelt man hier leidenschaftlich über Skalen, Akkorde, Kadenzen, Improvisation und so weiter...
    alles wichtige Themen. Es geht um Noten, die man bläst. Um ihre Auswahl. Wie man sie voraushört, ahnt, vorbereitet...

    Aber, es sei mir verziehen, wenn ich jetzt etwas hier anspreche worüber schon bereits umfangreich nachgedacht wurde (ich bin hier noch nicht so lange zugegen und überblicke nicht alles) aber genauso wichtig wie die Noten, die man bläst, sind ja diejenigen, die man nicht bläst: die Pausen!

    Bezeichnender Weise wird hier jedoch überwiegend über die Noten nachgesonnen, die man spielen könnte oder müsste und eigentlich gar nicht über jene, die man auslassen dürfte oder müsste: eben die Pausen!

    Dabei sind Pausen für die Struktur eines Solos, einer Improvisation enorm wichtig! Erinnern wir uns alle einmal an die ganz großen Meister der Pause: etwa Miles Davis und Chet Baker...

    Daher mein Vorschlag an alle, die sich berufen fühlen: wie spielt Ihr Pausen? Warum spielt Ihr Pausen? Wie findet Ihr die Pausen? Wo positioniert Ihr sie und weshalb?

    Ich könnte mir vorstellen, daß die Antworten vielfältig sind, Aufschluß geben über die jeweiligen Konzepte und Methoden der Improvisation und diese interessant nicht nur insbesondere für diejenigen sind, die hier Anregung während ihres Einstieges in die Kunst der Improvisation suchen...
     
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  2. 47tmb

    47tmb Gehört zum Inventar

    Oh ja! Pausen sind Eingang wichtiges Stilmittel!

    Sie sind einalnein Rettungsanker, wenn man sich "verkaufen" hat. Einfach mal Klappevhalten und hören,wo dieRhytmikervgrad sind....

    Sie machen auch Spaß, wenn man die in der Regel 4-Taktigen Bögen aufbricht und mal nach 3,5 Takten ( z.B. ) eine Pause macht und nach 21/4 Takten wieder einsetzt......

    Oder im Blues.... einfach mal 4 Takte das gespielte wirken lassen.....Das wiedereinsetzen kommt um so "dramatischer".......
     
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  3. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    So ien paar wenig reflktierte Gedanken meinerseits:

    Bewusst. Pausen bringen die Musik zum Atmen.

    Wo es sich anbietet. Wenn man z,B, aus einem kleinen Motiv etwas entwickelt.
    Oder um viertaktige oder größere Gliederungen klar zu machen oder mit ihnen zu spielen.

    Gute Frage. Wo setzt Du Töne hin und weshalb? Und was sagt Herr Coltrane dazu? :)

    Mein Konzept - welches oft genug scheitert - ist, mit Motiven zu arbeiten, sie zu entwicklen. Ein Motiv macht man klar, in dem man eine Pause lässt, man dudelt nicht durch.


    Pausen haben ja eine Mehrfachrolle:
    - sie strukturieren mögliocherweise ein Motiv
    - sie setzte ein Motiv zum nächsten ab
    - sie zeigen die größeren Strukturzusammenhänge

    Warum wird darüber wenig geredet? Weil das Thema weniger 'esoterisch' oder 'zu Missverständnissen' neigt wie Akkorde, Skalen, ... da tun sich manche schwer mit. Das Konzept 'Pause' ist unmittelbar verständlich, das Konzept 'II-V-I' nicht.

    Grüße
    Roland

    PS:
    Der andere Kandidat: 'Dynamik'.
     
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  4. Pil

    Pil Strebt nach Höherem

    Der Musiker muß ja schließlich auch atmen. Es gibt genügend geschriebene Stücke in denen die Pausen genauso unregelmäßig kommen, wie die Länge der Sequenzen varieren.
    Ist die Pause lang genug um sogar noch mal komplett ausatmen zu können freue ich mich.
    Erfahrungsgemäß bekomme ich einen roten Kopf oder es wird holprig wenn ich die Pausen übersehe. Oder anders, ich sie mir ersehnen muß.
    Die Pausen hab ich auch schon als Freunde für mich entdeckt und spiele sie vorallem wegen der Atmung bewusster.
    Wenn man sich an schnellspielenden Künstler orientiert klingt es auch viel authentischer. Auch deren Kondition hat Grenzen.

    LG
    Pil
     
  5. Dreas

    Dreas Gehört zum Inventar

    Pausen? Ich liebe Pausen...ich brauche Pausen....

    ....um Luft zu holen
    ....um Phrasen/Ideen voneinander abzugrenzen
    ....um Spannung aufzubauen
    ....um mich im Chorus zu orientieren
    ....um mich zu Sammeln für meine nächsten Melodielinien

    CzG

    Dreas
     
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  6. Gerrit

    Gerrit Guest

    ... Ihr tragt alle schöne Gedanken zur Sache zusammen! Im Unterricht stelle ich häufig fest: anfangs bereitet weniger die Auswahl der Noten Schwierigkeiten (Skalen u. Akkorde) als ihre rhythmische Organisation... daher dachte ich mir: spreche ich dieses Thema doch einmal an, Anregung für diejenigen, die in die Improvisation einsteigen und u.a. hier bei uns Rat suchen...
     
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  7. Gerrit

    Gerrit Guest

    ... aber das Besondere der Pausen der großen Meister liegt, meine ich, darin, daß man ihnen die Notwendigkeit (Luftmangel) oft kaum oder gar nicht anmerkt! Ich hörte mal eine Aufnahme von Chet Baker, da hörte man ihn tatsächlich in der Pause "denken". Aber bei Charlie Parker oder Cannonball Adderley, auch bei Paul Desmond oder Lee Konitz z.B. wirkt die Pause auf mich immer als integraler Bestandteil der Dramaturgie ihrer Soli und eigentlich nie wirklich physiologisch oder "psychologisch" begründet... Oder wie hört Ihr das?
     
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  8. mixokreuzneun

    mixokreuzneun Ist fast schon zuhause hier

    Ohne pausen zu improvisieren ist wie ohne Punkt und Komma zu quatschen, es nervt.

    Ich höre die pausen der Meister so, als Phrasen beendet oder anschließend wieder aufgegriffen und logisch fortgeführt werden.

    LG

    Mixo
     
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  9. flar

    flar Guest

    Moin, moin


    In dem Zusammenhang sei noch erwähnt das es auch innerhalb eines Motives durchaus auch Pausen geben kann die aber das Motiv trotzdem nicht in zwei Teile zerlegen!
    Nichts ist langweiliger als dreieinhalb Takte schönst ausgewählter Achtelnoten, zwei Schläge Pause und auf vierund geht die gleiche Duddellei mit andern ebenfalls schönst aufgewählten Tönen wieder dreineinhalb Takte weiter! :sleep:

    Rhythmische Organisation mit Pausen und unterschiedlichen Notenwerten und 4 Tönen einer Tonleiter sprechen mich meist mehr an als als alle 12 möglichen Töne in 16 Takten als achtel Linien, auch wenn sie alle richtig plaziert sind!

    Viele Grüße Ralf
     
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  10. ppue

    ppue Experte

    Einer der für mich wichtigsten Gründe wurde nur von @Roland ganz am Rande gestreift. Er macht Pausen, wenn er etwas motivisch entwickelt. Motive zu entwickeln, ist für den Zuhörer ein sofort nachvollziehbares Konstruieren von Musik.

    Um ein Motiv zu wiederholen, es auszubauen, es zu variieren etc. muss man es erst einmal erfinden. Der Prozess ist ohne Pausen kaum möglich. In der Dauerdudelei findet man eventuell noch Struktur, eine Dynamik, ein auf und ab der Melodie, aber kein Motiv.

    Ein Motiv braucht eine gewisse Einfachheit und eine klare, nicht zu lange Form. Da reichen mit unter ein bis fünf Töne. Und dann die Pause!

    Das Wichtigste an ihr ist, dass man Zeit hat, sich selber nachzuhorchen.

    Nur dann kann man motivisch aufbauen oder auch konterkarieren, wenn einem danach ist. Man muss aber Zeit lassen, das Gesagte wirken zu lassen.

    Musik hat viel mit der Sprache gemein, ist oft nichts anderes als Rhetorik:

     
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  11. Gerrit

    Gerrit Guest

    Ganz genau! Parker z.B. organisierte die Pausen in der Weise, die Du treffend beschreibst. Es ist eigentlich eine banale Erkenntnis: aber die Organisation der Pause resultiert aus der rhythmischen Struktur der Melodik. Das macht man sich (anfangs) oft nicht klar. Man beschäftigt sich intensiv mit Akkordprogressionen und Skalen, verständlicher und vernünftiger Weise, und das spiegeln ja auch die einschlägigen Diskussionen etwa hier im Forum wieder, aber die rhythmische Struktur steht oft hinten an. Daher also für alle, die in die Improvisation einsteigen: integriert von Anfang an die Rhythmik in die Harmonik (oder umgekehrt ;-))
     
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  12. Gerrit

    Gerrit Guest

    Ganz genau! Das sehe (und höre) ich ebenso. Daher gerade am Anfang: Reduktion! Wenige Noten, klare, einfache Rhythmen.
     
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  13. Gerrit

    Gerrit Guest

    ... den Vergleich mit der Rhetorik halte ich für absolut zutreffend, wichtig und hilfreich!

    Wenn der musikalische Vortrag, ganz gleich ob improvisiert oder nicht, rhythmisch strukturiert ist, sich an Rhetorik orientiert, dann wird er interessant, fesselnd u.sw.; das ist natürlich die große Kunst!

    Ich persönlich folge daher auch lieber Interpreten, deren Spiel gewissermaßen erzählerische Qualitäten aufweist: z.B. Coleman Hawkins, Dexter Gordon, Joe Lovano, Paul Desmond...

    Die Frage, die sich nun stellt: wie übt (Ihr) man so etwas?
     
  14. ppue

    ppue Experte

    Man könnte zum Beispiel Spontantexte zur Musik singen:

    "ich spiele heut so frei"
    "ich zähle nicht bis drei"
    "ja"
    "das ist mir alles schnurzegal"
    "ich spiel hier was ich will."

    Na, schon hat man eine Struktur.

    Man kann auch das Horn nehmen und sich vorstellen, sich ordentlich mit jemanden zu streiten.
    Oder man stellt das Liebeswerben nach: "Du bist schön, du bist schön, willst du mit mir gehn?"

    Nur so Ideen.
     
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  15. claptrane

    claptrane Strebt nach Höherem

  16. Gerrit

    Gerrit Guest

    Finde ich gut! Setzt Du die Methode gelegentlich im Unterricht ein?
     
  17. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    <geflüstert>Du daaaaarfst!</geflüstert>

    Grüße
    Roland
     
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  18. Gerrit

    Gerrit Guest

    Das kannst Du doch ruhig laut sagen...! ;-)
     
  19. ppue

    ppue Experte

    Ich gebe so gut wie keinen Unterricht mehr.

    Ich habe das früher im Unterricht erst mal besprochen, auf das Rhetorische hingewiesen und auch solche Beispiele gegeben. Das reichte oft schon, dass sich die Schüler was vorstellen konnten.
    Call and response wäre auch etwas, was in Richtung Kommunikation, Rhetorik geht oder eben das Entwerfen ganz kleiner Motive mit 1 bis 3 Tönen plus dem Herumspielen mit diesen.

    Singen tun die meisten ungern im Unterricht. Schon gar nicht Spontantexte. Die Beispiele beschränkten sich dann eher auf mich (-:

    Man kann ihnen aber nahelegen, die Playalongs im Auto einzulegen und das aktuelle Verkerhsgeschehen singend zu kommentieren:

    "Der überholt, (kl.Terz höher: ) der überholt tatsächlich, (jeweils ne große Sekunde höher:) das schafft, das schafft der doch, das schafft der doch -- nicht mehr" Break!
     
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  20. claptrane

    claptrane Strebt nach Höherem

    Geflüstert klingt es aber besser ;-)
     
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