Handgefertigte Saxophone

Dieses Thema im Forum "Saxophone" wurde erstellt von herb, 9.April.2005.

  1. herb

    herb Ist fast schon zuhause hier

    Anläßlich des Guardala-Beitrages die Frage an die Sax-Docs:

    Warum ist Handfertigung höher angesehen als eine genaue, computergesteuerte Fertigung nach exakten Normen?
    Kann man das hören?
    Kann man das fühlen?

    Oder ist es das - angenehme - Bewusstsein ein handgefertigtes Instrument zu besitzen?

    Ich hege höchsten Respekt vor Sax-Docs.
     
  2. KrischanDo

    KrischanDo Ist fast schon zuhause hier

    Ich kenne die Herstellung eines Sax nur aus dem Keilwerth-Video. Das scheint mir aber recht schlüssig:
    Da nimmt einer ein zugeschnittenes Stück Messingblech, biegt es mit Kraft um eine Stahlform, dengelt es zurecht und lötet. Bis der Korpus fertig ist: maschinengestützte Handarbeit.
    Alle Teile der Mechanik werden auf Maschinen hergestellt. Heutzutage auf CNC-Fräsen etc, weil Fräsen in kleinen bis mittleren Stückzahlen billiger ist als stanzen, wegen der Kosten der Stanzform. Dann kommt der Korpus in eine Halterung und die Mechanik wird mit Hilfe von Lehren an die richtigen Stellen gelötet. Die ganze Montiererei der Klappen ist Handarbeit.
    Lackieren: Bei JK auch von Hand. Lackierroboter dürften sich wegen der Stückzahlen nicht lohnen.

    Von daher glaube ich, dass in der reinen Montage der Anteil von Handarbeit zu Maschinenarbeit ziemlich ähnlich ist. Niemand wird per Hand die Palmkeys aus dem Blech sägen, und die Montage mit Robotern machen zu lassen, dürfte sich wegen der Kompexität und der Stückzahlen nicht lohnen.

    Die Unterschiede kommen wahrscheinlich beim Finish: Wird mit der dicken Spritze zweimal drüberlackiert oder mit der feinen Düse siebenmal? Werden die Federn reingesemmelt und kurz mal gebogen oder viermal nachgestellt?
    Werden die Korken und Filze einmal nachgeschliffen oder dreimal?

    Ich glaube, die Frage ist nicht: Wie viele Teile meines Saxophons werden von Hand gemacht, sondern: Mit wieviel Zeitaufwand werden die maschinengefertigten Teile zusammengesetzt, abgestimmt, nachgemessen und justiert?

    Ein kleiner Teil des Preisunterschiedes könnte vom Material kommen: Messing ist nicht sehr teuer, Federdraht auch nicht, Polster etc. schon eher.
    Interessant wird es beim Lohn: Der deutsche Facharbeiter kostet pro Stunde 60 Euro (kostet, nicht: verdient!), der taiwanesische / chinesische kostet 6 Euro.

    Man sieht und hört fühlt sicher, ob eine Kanne rotzig oder sorgfältig - liebevoll zusammengebaut und justiert worden ist.

    Faszinierend finde ich das bei mechanischen Uhren. Man kriegt Armbanduhren mit Automatikwerk für ab 400 Euro. Und für 485'000 Euro. Vorne wird ziemlich das gleiche angezeigt, aber beim 485'000 Euro Wecker ist auch der 0,6mm dicke Kopf jeder Schraube per Hand mit einem Muster graviert.
    Und ich finde es geil, dass durch diese Uhren ein Teil des Geldes, das irgendwelche Banker und Broker durch Börsenklamauk und Firmenfusionen kassieren, an hochqualifierte Uhrmacher und deren Familien in Sachsen und der Schweiz weitergeleitet wird. ;-)

    Christian
     
  3. freejazzer

    freejazzer Ist fast schon zuhause hier

    Unberücksichtigt ist dabei aber, dass Deutschland das Land mit der höchsten Produktivitätsrate ist, d.h. der deutsche Arbeiter mehr in seiner einen Stunde schafft.

    Ansonsten denke ich wie KrischanDo, die maschinengestütze Handarbeit ist sicher die beste Lösung, Genauigkeit und Konstanz der maschinellen Fertigung zusammen mit der individuellen Verarbeitung des Arbeiters ergeben das fertige Saxophon. Wobei die Differenziertheit der handwerklichen Arbeit von der Genauigkeit der Vorarbeit abhängt.

    Wo bekomme ich denn solch ein Keilwerth-Video?

    Grüße
    freejazzer
     
  4. benu

    benu Ist fast schon zuhause hier

    Ich habs auf der DVD "The secret of the Saxophon".

    Das ist gut möglich, aber er kostet immer noch mehr, weil ich glaube nicht das er gleich 10 mal so viel schafft wie ein Asiate o. ä.

    Es gibt doch sogar Saxe die ganz auf einen zugeschnitten sind, so wie Mundstücke oder ähnliches!
    Da ist alles Handarbeit, vom Entwurf bis zur Fertigung.
    Aber die kosten halt auch noch ne Menge Schotter.
     
  5. herb

    herb Ist fast schon zuhause hier

    Meine Frage war natürlich etwas provokativ, zugegeben.

    Mein Ex-Martin-"Handcraft" ist sicher nicht tonreiner oder genauer als mein Yana.
    Ob der Vintage-Klang dadurch zustande kommt, dass mit der Hand gelötet wurde?

    Aber die DVD über die Herstellung von Keilwerth-Saxen ist interessant:

    "The Secrets of Saxophone"
    Videoschule für alle Saxophone mit Bastian Fiebig
    ISBN 3-937470-40-9

    Eigentlich ist es eine Lehr-DVD mit "Vorwort" von Keilwerth.
     
  6. KrischanDo

    KrischanDo Ist fast schon zuhause hier

    Nöö. Der kommt durch die Abmessungen des Korpus, das Material und die Anbringung der Mechanik (Rippen oder Einzelböckchen) etc.

    Apropos Material: Da gab es doch den Test vom Wiener Institut für Akustik, die haben bei einem japanischen Edel-Flötenhersteller ein Modell in 7 Materialien machen lassen, Billig-Messing bis Massivgold und Massivplatin. Dann haben sie einen Schwung Flötisten vom Amateur bis Konzertprofi (die zum Teil auch sonst die Modelle spielten) reihum alle Modelle mehrere Stücke und Tonleitern etc. spielen lassen und unter Studiobedingungen live angehört und auch aufgenommen.
    Und die Erkennungsrate entsprach ungefähr einer Zufallsverteilung, und es ging zu wie bei einer Bierverkostung: Die haben nicht mal die eigene Flöte erkannt.
    Die Legenden wie "Das Conn "Naked Trainspotter" von 1958 klingt so gut, weil man zu der Zeit in Pennsylvania eine ganz besondere Messinglegierung (aus den Patronenhülsen von General Custer) gemacht hat" sind eher was für nach dem dritten Single Malt vor dem Kaminfeuer... ;-)

    Christian
     
  7. spike

    spike Ist fast schon zuhause hier

    einzige Hand-made custom horns das ich kenne
    http://www.inderbinen.com
    kostenpunkt für tenor um die 8K uhus, bin aber net sicher
    gruss - spike
     
  8. KrischanDo

    KrischanDo Ist fast schon zuhause hier

    Es gibt in den USA einen Auto-Rennfahrer, der eine Kanne mit einer neuen Griffweise baut. Das dürfte sich auch um Kleinstserienfertigung handeln.
    Und Tubax und Soprello wohl auch.
    Aber sie werden beide die Metallteile für die Mechanik auch auf der CNC-Fräse machen und nicht mit der Laubsäge...

    Christian
     
  9. Woodwind24

    Woodwind24 Schaut öfter mal vorbei

    Hi,

    seit Selmer/Paris die Saxophone maschinengestützt baut hat die Qualität stark nachgelassen.
    Zu seiten eines 5digit MK VI wurde noch alles von Hand gedengelt.
    Klar das zu der Zeit nicht ein Horn wie das andere war, aber sie sind eben etwas besonderes.
    Dann fingen sie an z.B. die Form des Bechers mittels Druckluft zu gestallten also war ab sofort ein Becher wie der andere.
    Aber durch das dengeln von Hand wurde auch die molekulare Struktur des Metalls verändert und ich denke das dies einen wesentlichen Anteil zu dem ausergewöhnlichen Klang beigetragen hat.

    Aber eigentlich hatte Selmer gar keine andere Chance, denn wer heute ein 3000€ Sax kauft möchte das es
    A. sehr gut klingt (und immer der Vergleich mit dem MK VI)
    B. sehr gut intoniert
    c. optimales Handling
    etc.
    Und wer sich ein wenig mit Saxophonen auskennt weiss das es bestimmte Grenzen gibt die einfach nicht zu überschreiten sind, und das perfekte Horn wird es in einer bezahlbaren Variante nie geben.

    Und das "Inderbienen" komplett "handmade" sind wage ich auch zu bezweifeln!

    Ich habe die Chance wenn ich mal Zeit habe bei Orsi in Italien ain komlettes Horn selber zu bauen, danach kann ich noch einiges mehr zu diesem Beitrag schreiben.
    Aber das dauert noch........momentan (nach der Messe) habe ich sehr viel zu tun!

    Gruß
    MAIK
     
  10. SMG

    SMG Ist fast schon zuhause hier

    Hallo,

    also ich kann mich der Meinung von Maik nur anschliessen.
    In der heutigen Zeit spielt der Kostenfakor eine große Rolle, denn wer würde heute noch ein Saxophon in Handarbeit herstellen? Wohl niemand, denn das Teil würde mehr als 8000 Euro kosten.

    Was Maik weiterhin sagt mit dem Satz "Das ein Horn dem anderen gleicht" möchte ich etwas ergänzen, denn es ist egal, ob nun komplett maschinengestützt gearbeitet wird, denn im Endeffekt kommt es doch nur drauf an, wie das Instrument klingt.

    Beispiel Yamaha gegen Selmer und Keilwerth

    Das YTS 875 ist klar das bessere Instrument gegen ein Serie II oder III von Selmer.
    Es ist im Vergleich zu Selmer schon so perfekt, das der Klang darunter leidet (auch schöner Vergleich sind die Neusilber Kannen von Keilwerth)........da kommen absolut keine Emotionen mehr rüber.
    Wo Material weggenommen und alles optimiert wird, kann man keinen Mega Sound mehr erwarten.
    Klar.....das Neusilber Shadow hat eine geile Ansprache, aber dafür überhaupt keine Seele mehr.................da spiele ich doch lieber mein altes New King, wo das Material noch spürbar ist.

    Selbst ein teures Mark VI kann eine richtige Gurke sein.........der Handarbeit sei Dank. :-D

    Gruß
    Simon
     
  11. antonio

    antonio Gehört zum Inventar

    Doch. Aber die Mechanik ist (wenigstens bisher) von Yamaha - da ist sicher nichts "handgedengelt" - spielt ja aber auch gar keine Rolle. Was mich persönlich aber dabei stört, ist dass er auch die stilisierte Stimmgabel welche Yamaha als Verbindungsstütze zwischen Korpus und Becher einsetzt, übernommen hat. Da dieses Teil einen recht hohen "Wiedererkennungswert" aufweist, würde ich da mit Sicherheit mein eigenes Teil einbauen, würde ich denn ein dermassen aufwändiges und teures Sax herstellen.

    antonio
     
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