Anforderungen an den Lehrer?

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von BluesBrother66, 4.Januar.2020.

  1. Rick

    Rick Experte

    Mein Problem beim Thema "Defizite sehen": Der Lehrer sollte dem Schüler nicht sein Klang- und Technikkonzept aufzwingen, sondern erst einmal schauen, wie der überhaupt tickt.
    Ich kenne leider etliche Fälle, wo ein Lehrer einen anderen Ansatz bevorzugt und den Schüler alles darauf umstellen lässt, obwohl dieser mit seinem alten Ansatz eigentlich gut zurecht kam. So etwas kann auch langfristig die Motivation versauen.
    Außerdem muss es dem Schüler gefallen, was er spielt und wie das klingt, nicht dem Lehrer.
    Deshalb ist die gegenseitige Kommunikation, gerade mit erwachsenen Fortgeschrittenen, extrem wichtig.
     
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  2. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Wir reden vom fortgeschrittenen Schüler?

    Als Coach (ich mag den Begriff Lehrer nicht) muss ich schon die individuellen Baustellen erkennen und prüfen, ob diese vom Schüler auch so wahrgenommen werden.

    Methoden zur Optimierung kann ich nur anbieten. Jeder lernt anders.

    Bei Erwachsenen sind aus meinen Erfahrungen häufig die Ziele falsch bzw. zu hoch gesetzt.
     
  3. Florentin

    Florentin Strebt nach Höherem

    Zusätzlich zu den vielen schon geschriebenen guten Antworten:

    (1) Du kannst Dich glücklich schätzen, wenn Du in Deiner Gegend eine große Auswahl an guten und willigen Saxophonlehrern hast!

    (2) Leider sind nicht alle guten Saxophonisten auch gute Lehrer. Das Vorspielen lassen vom Lehrer kann zwar sehr motivieren, aber dann muss auch didaktisch etwas von ihm kommen.

    (3) Bei städtischen Musikschulen sind öfter auch Musiker tätig, die eigentlich etwas ganz anderes tun wollten als Schüler unterrichten. Leider merkt man das auch schnell an ihrer Motivation im Unterricht. Deutlicher Hinweis: wenn der Lehrer nicht mehr genau weiß, was in der letzten Stunde gemacht wurde. Da würde ich die "Kundenrolle" schon ausspielen.

    (4) Du solltest auf jeden Fall vorgeben, wo Du hin willst. Also z.B. Saxophon in einem Blasorchester, oder in einer Big Band, oder gar klassisch, oder als Solist in einer Combo, oder im (nicht ganz) stillen Kämmerlein. Die Anforderungen und Defizite sollte ein guter Lehrer dann schon selber wissen.

    (5) Ein guter Lehrer sollte (auf jeden Fall bei erwachsenen Schülern) immer klar machen, worauf er bei einer Maßnahme hinaus will. Es ist ganz schlecht, sich blind auf etwas einlassen zu müssen, was man nicht versteht.
     
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  4. Aerophon

    Aerophon Ist fast schon zuhause hier

    Meine Erfahrungen mit der örtlichen Musikschule sind da durchaus durchwachsen. In der Regel wechselt der Saxlehrer nach 2 - 3 Jahren, weil der Lehrerjob mit anderen Projekten kollidiert. Grundlagen mit echten Hausaufgaben hat von 3 Lehrern nur einer gemacht. Der letzte war echter Jazzer und hat auch Einiges an Improvisation gemacht, meine persönliche Schwachstelle, an der ich auch gerne arbeiten würde. Der aktuelle ist reiner Klassiker. Mein Ziel wäre Funk. Das kann er nicht bedienen. Er kann die Noten spielen, klar, aber Funk klingt irgendwie anders. Impro ist gar nicht sein Ding. Phrasierung und Rhythmik kann er mir beibringen, aber andere Dinge kommen zu kurz. Oft wird bei einem Lehrerwechsel an der Musikschule der neue Lehrer erst nach Anmeldeschluss für das neue Schuljahr vorgestellt. So bin ich zu einem Klassiker gekommen. Ich hätte konsequenter sein sollen...
    Du solltest mit deinem Lehrer klar definieren wohin die Reise gehen soll und auch hartnäckig bleiben. Ich werde mir auf jeden Fall Ende des Schuljahres einen andere Lehrer suchen.

    Aerophon
     
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  5. saxhornet

    saxhornet Experte

    Aber das sollte auch klar sein, daß wenn man sich für Jazz und Pop interessiert ein Klassiklehrer die falsche Wahl ist. Gilt auch andersrum. Wenn Jemand wirklich primär richtig klassisch Saxophon lernen wollen würde, würde ich ihn an Jemand anderen verweisen, obwohl ich auch in Klassikensembles gespielt habe. Leider fehlt es in bestimmten Gegenden an guten Lehrern und die, die vor Ort unterrichten nehmen jeden Schüler, allein schon um Geld zu verdienen.
    Ich erlebe das immer wieder an den Gymnasien, wo Schüler in der Schul Bigband mitspielen wollen aber am Klavier, der Trompete oder an der Gitarre bisher nur Klassik gespielt haben und die Pianisten und Gitarristen oft nicht mal wissen was ein Akkord ist. Die Schullehrer klagen mir dann immer ihr leid, wenn ich mal wieder nachhake, ob alles mit meinen Saxophonschülern in den Ensembles gut läuft.
     
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  6. GelöschtesMitglied11524

    GelöschtesMitglied11524 Guest

    @Aerophon :
    Ich verstehe Dich.
    Andererseits: Mir haben die Lessions mit einer internationalen Größe der Klassik sehr viel gebracht.
    Sie konnte mir genau sagen, warum sie etwas wie macht, um so zu klingen.
    Alleine darüber nachzudenken und es gegebenenfalls eben völlig anders zu machen hat mich weitergebracht.

    Cheers.
     
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  7. saxhornet

    saxhornet Experte

    Ich stimme Dir da voll zu aber es ist was anderes, ob man sich für ein paar Unterrichtseinheiten weiterbilden will oder man eigentlich generell Jazz, Funk und Improvisation lernen will und der Lehrer Klassik studiert hat und mit den Sachen nichts anfangen kann.
     
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  8. Wanze

    Wanze Strebt nach Höherem

    Das finde ich hervorragend!! Ausbildung auf einer breiten Basis. Du lernst bei unterschiedlichen Lehrern immer unterschiedliche Dinge - und kannst dann selbst entscheiden, was für Dich sinnvoll ist - besser geht es doch fast nicht mehr.

    Ich habe mal eine Saxophonistin kennengelernt, die ihrem Lehrer immer gesagt hat, was sie spielen will (Duette). Im Endeffekt war der Lehrer nur noch bezahltes Playalong.
    Natürlich mach ich auch mal Vorschläge, aber meistens sage ich zu meinem Lehrer "sag Du, was wir spielen wollen, ich weiß doch nicht, was ich noch nicht kenne"
    Damit habe ich - beim Bass - Richtungen kennengelernt, in die ich mich sonst eher nicht bewegen würde - Horizont erweitert.
    Das einzige Problem bei meinem Saxophon Lehrer ist, dass ich nicht wechseln mag... aber prinzipiell finde ich den Ansatz, von verschiedenen Lehrern verschiedene Dinge zu lernen, großartig.

    Grüße,

    Wanze
     
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  9. BluesBrother66

    BluesBrother66 Ist fast schon zuhause hier

    Es freut mich, dass ich hier eine (hoffentlich) interessante Diskussion anstoßen konnte. In zwei Wochen beginnt mein Unterricht bei meinem "alten" Lehrer. Er ist ein begnadeter Jazz-Saxophonist mit viel
    Verständnis für meinen Hang zum Blues.
    Der Fehler lag eindeutig bei mir. Ich war so angetan von seinem Können als Musiker, dass ich mich einfach auf ihn eingelassen hatte, ohne ihm meine Ziele wirklich zu schildern.
    Dieses Problem kennt sicher jeder Anfänger - man will zu schnell zu viel. Mit etwas mehr Erfahrung am Instrument findet man auch langsam seine Richtung.
    Als absoluter Anfänger ist das sicher etwas einfacher - man geht zum Lehrer und lernt bei ihm die ersten Schritte. Darüber bin ich allerdings schon hinaus.

    Was ich aber auch wieder einmal feststellen durfte - neben einem guten Lehrer ist die Teilnahme an einem solchen Forum hier Gold wert.
    Danke für die vielen Tipps!
     
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  10. Aerophon

    Aerophon Ist fast schon zuhause hier

    Das ist schon klar. Darum bin ich auch nicht in die Musikschule unserer Stadt gegangen. Da ist der Saxlehrer seit vielen Jahren Klassiker. Bisher war in der Nachbarstadt in der Musikschule eine gute Alternative gegeben. Beide Musikschulen liegen keine 15 km auseinander. Beim letzten Lehrerwechsel wurde der neue Lehrer erst im Juni oder Juli bekannt gegeben. Da hätte ich natürlich meine Anmeldung zurückziehen können, dachte aber, auch bei dem werde ich was lernen. Habe ich ja auch zB Klassik oder Tango auf Sopran und war eine Zeit ok. Jetzt will ich mich aber intensiver mit meinen eigentlichen Interessen auseinandersetzen. Man lernt ja immer was, aber manchmal ist es auch Zeit für einen Wechsel.

    Aerophon
     
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  11. Sax-o-K

    Sax-o-K Ist fast schon zuhause hier

    Das kann ich vollkommen nachvollziehen, denn mir geht es quasi genauso. Mein Lehrer ist zum Glück breit aufgestellt und kann alles das bedienen, was mich interessiert - bisher jedenfalls. Deshalb mag ich auch nicht wechseln. Ich halte es auch so: mal selbst etwas mitbringen, das mir "begegnet", aber ihn auch Sachen vorschlagen lassen, die ich sonst nicht kennengelernt hätte. Ich mag es auch sehr (egal ob beim Sax oder im Chor), wenn mal eine Vertretung da ist - weil ich durch unterschiedliche Sichtweisen, Methoden, Musikrichtungen, Tipps usw. immer etwas lernen kann - finde ich (abgesehen davon, habe ich vom Singen viel fürs Saxophon gelernt, v.a. was Atmung angeht).

    Kann sein, dass ich mich deswegen auch noch nicht in eine bestimmte Richtung am Sax entscheiden wollte - es gibt einfach so viel zu entdecken. Vielleicht kommt das noch, aber vorerst streife ich weiter durch verschiedene Musikrichtungen. :)
     
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  12. Rick

    Rick Experte

    Anscheinend ist es in manchen Gegenden ein großes Problem der Musikschulen, überhaupt Lehrer zu finden. An mehreren Musikschulen war ich der EINZIGE Saxofonlehrer, und derzeit bin ich gerade in Heidelberg für zwei freie Musikschulen tätig, die mich praktisch mit Schülern "zuschmeißen" - ich bin aber nur an zwei Tagen vor Ort, um meine Big-Band-Probe in Mannheim herum (tagsüber Unterricht, abends Probe, Übernachtung, dann noch ein Tag) und finde gar nicht genug Unterrichtstermine für die ganzen Interessenten. Am heutigen Dienstag kommt der erste um 10:15 und geht der letzte um 21:15. (Nein, nicht pausenlos, aber gerade die Erwachsenen wollen am liebsten abends, und da geht erst mal nichts mehr.)

    Ich bin hier Nachfolger von insgesamt drei Lehrern, die aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr unterrichten, anscheinend gibt es vor Ort keine anderen mehr. Mein Vor-Vorgänger ist nach Berlin "ausgewandert", mit dem waren alle seine damaligen Schüler sehr zufrieden gewesen, aber die Lehrerin danach hat einigen nicht so gefallen, zumindest einer wollte sich schon abmelden, doch dann kam ich und konnte ihn offensichtlich überzeugen, die Kündigung zurück zu ziehen. :)
    Auf diese Weise hat jetzt ein Kind innerhalb eines halben Jahres schon den dritten Lehrer - aber nicht aufgrund von Böswilligkeit der Musikschule, sondern wegen des anscheinend eklatanten Lehrermangels.

    Ein Grund: Als Privatmusiklehrer bekomme ich deutlich mehr Geld als als Honorarlehrkraft an der Musikschule, obwohl die Schüler an der Schule sogar etwas mehr bezahlen müssen. Wenn ich wieder in Heidelberg wohnen könnte, würde ich wahrscheinlich mehr privat unterrichten, doch jetzt quasi als zusätzliche Finanzierung meiner Big-Band-Proben ist das in Ordnung.
    Ich verstehe natürlich, dass die Musikschulen auch etwas verdienen müssen, die Räume kosten Miete und haben Nebenkosten, und sie haben sogar fairere Bedingungen für uns Lehrer als die städtischen Musikschulen mit ihrer rigiden Bürokratie, aber dass sich dann manche Lehrer nach besseren Verdienstmöglichkeiten umschauen, ist auch verständlich. Alles zu Lasten der Schüler. :-(
     
    Zuletzt bearbeitet: 7.Januar.2020
  13. Rick

    Rick Experte

    Genau. :)

    Ja, ich erkläre auch jedem neuen Schüler, dass ich mich als sein Coach sehe: Er/sie gibt die Ziele vor, dann schauen wir gemeinsam, wie wir sie am besten erreichen. Ich höre zu und beobachte, dann schildere ich meine Eindrücke und frage nach, ob das so gewollt ist (beispielsweise bestimmter Sound), oder ich erkläre, dass es nach meiner Erfahrung anders vielleicht einfacher und besser ginge.

    Richtig. Deshalb braucht man viel Erfahrung, um darauf zu kommen, welcher Weg nun für dieses Individuum der richtige sein könnte. Und ich lerne diesbezüglich ständig dazu!

    Das habe ich auch erlebt, aber nicht überwiegend. Die Ziele dürfen ja ruhig hoch sein, das schadet nicht unbedingt - aber man muss sich auch über bescheidene Erfolge freuen und dran bleiben.
    Eine meiner größten Enttäuschungen war ein erwachsener Privatschüler in den 1990ern: Er hat UNGLAUBLICH schnell gelernt, rasch einen fantastischen Ton entwickelt, hat große Fortschritte in der Improvisation gemacht - doch gerade, als ich meinte, wir seien auf einem richtig tollen Weg, hat er plötzlich abgebrochen, sein Sax verkauft und alles an den Nagel gehängt. Mit der Begründung, er werde ja doch nie so gut werden, wie er wollte.
    Das hatte mich wirklich erschüttert, denn ich hatte nur wenige seines enormen Talents unterrichten dürfen. Und ich glaube nicht, dass ich ihn vielleicht in meiner Euphorie überfordert hatte, er hat das auch in unserem letzten Gespräch abgewiesen.
    Es gibt nun mal Menschen, die sich mit Feuereifer in eine Sache stürzen, voller Begeisterung und Elan, doch nach einiger Zeit überfordert sie ihr eigenes Tempo und sie geben auf, wie ein großartiger Sprinter, der aber einen Marathon vor sich hat.
    Daraus habe ich gelernt, dass man im Interesse des Schülers auch manchmal Stopp sagen muss, damit sich dieser nicht selbst verausgabt. Pausen sind wichtig, und, wie gesagt: sich an kleinen Erfolgen erfreuen. :)

    Aber diese Selbstzufriedenheit hängt eben sehr stark von der jeweiligen Persönlichkeit ab. Deshalb sind manche Unterrichtseinheiten fast mehr Therapiestunden als reine Arbeit an der Musik - Kollegen werden wissen, was ich meine. ;)
     
    Zuletzt bearbeitet: 7.Januar.2020
  14. Gelöschtes Mitglied 11184

    Gelöschtes Mitglied 11184 Guest

    ... ohne Unterricht würde ich deutlich langsamer vorankommen ... ist total sinnvoll ... obwohl ich nur über das Internet Unterricht habe, hilft es mir sehr ... ich habe das Gefühl einen super Lehrer zu haben! Warum???

    Er gibt mir immer wieder Anreize Dinge zu überdenken, ohne mich in eine Richtung zu drängen. Je mehr ich auf Ihn gehört habe, um so scheller ging es in die richtige Richtung .... ich hoffe, dass er für mich noch ganz lange Zeit hat ... :)
     
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