Blue Bossa analysieren

Dieses Thema im Forum "Improvisation - Harmonielehre" wurde erstellt von Altermann, 23.November.2020.

  1. Altermann

    Altermann Ist fast schon zuhause hier

    Hallo,

    ich bin gerade erst in die Improvisation eingestiegen und beschäftige mich aktuell ziemlich ausführlich mit Blue Bossa für Bb Instrumente. Die normale Dur ii-V-I in Takt 9-12 (F- 7 Bb7 / Ebmaj) habe ich verstanden. Probleme bereitet mir aber Takt 5-8 also die Akkordabfolge E (halbvermindert) / A7+9 / D-
    Probleme bereitet mir hier insbesondere der A7+9. Als Skala spiele ich (wie bei Aebersold "New Bossa in Vol. 54) A/Bb/C/C#/Eb/F/G/A/Bb. Wenn ich daraus das Arpeggio baue, spiele ich A/Db/Eb/G. Ich bin mir nicht sicher ob das richtig ist, denn wenn ich das Arpeggio wie in den anderen Akkorden bilde, müsste ich doch eigentlich A/C/Eb/G spielen. Total verwirrt war ich, als ich mir bei Aebersold alle 7+9'er Akkorde und deren Skalen (Dim. Whole Tone Scale) angeschaut habe. So wie ich es verstanden habe, füllt Aebersold in den Skalen stets alle Akkordtöne aus um sie als solche hervorzuheben. Wenn ich mir den A7+9 hier anschaue, sind folgende Töne der Skala ausgefüllt (hier fett): A/Bb/C/C#/Eb/F/G/C
    Das macht meine Verwirrung komplett. Meine Frage also: Wie baue ich auf den A7+9 Akkord ein richtiges Arpeggio?
    Für alle Antworten Danke im Voraus
    Grüße
    André
     
  2. GelöschtesMitglied11524

    GelöschtesMitglied11524 Guest

    Moin,
    E-7b5/A7b9/D- ist ein Moll II-V-I.
    Die "normale" Skala wäre für die Dominante HM5, also D-Moll-Harmonisch vom A weg. A-Bb-C#-D-E-F-G. Arpeggio also A-C#-E-G.
    Ich bezweifle, dass der Pianist (immer) das spielt, was Du da stehen hast.

    Cheers, Ton
     
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  3. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    Nun verunsichere ihn mal nicht unnötig. Solange André sich an die vorgegebenen Harmonien hält, hat er recht und nicht ein schlampiger oder genialer Pianeur.

    Du kannst die HM5 (s.o.)über die ganze Passage (E-7b5/A7b9/D-) spielen, solange nicht ausdrücklich Dm7 gewünscht wird. Das C# ist wichtig - es macht den besonderen Charakter von harmonisch Moll aus.

    Das + bezieht sich auf die 5, also lautet das Argeggio A C# F G H. Darüber kann man entweder die Ganztonleiter spielen (Eb = b5 dazu) oder (komplizierter) die oben bei Äbersold abgebildete sog Dim Whole Tonleiter. Das ist die 7. Stufe von Melodisch Moll auf Bb.

    Äbersold ist richtig. Ob seine Hamonisierung von Blue Bossa pädagogisch schlau ist, wage ich zu bezweifeln. Da bin ich bei @Ton Scott. Wie schon gesagt: spiel in Blue Bossa viel HM und die Frauen liegen dir zu Füßen.
     
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  4. GelöschtesMitglied11524

    GelöschtesMitglied11524 Guest

    Na aber sicher nicht.
    Das H hat da nix verloren.
     
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  5. Rick

    Rick Experte

    Wieso willst Du da ein "ein Arpeggio bauen"?
    Der A7+9 ist unten ("root") ein Dur-Akkord, hat aber oben ("upper structure") die Moll-Terz wegen des entsprechenden Melodietons.

    Wie @Ton Scott zutreffend bemerkte, müssen die Themen-Akkorde nicht zwangsweise die Solo-Akkorde sein, der Begleiter am Akkord-Instrument improvisiert da genauso wie der Solist (Mann, diesbezüglich habe ich mit Pianisten schon Sachen erlebt...). :-D

    Als Begleiter am Klavier spiele ich im Solo-Teil gern den "scharfen" Dominant-Akkord ohne kleine Terz oben, also lieber beispielsweise mit b9. Idealerweise hört der Begleiter, in welche Richtung der Solist gehen möchte, und passt sich dem an, aber er kann mit seinem Spiel auch selbst Vorschläge machen, auf die der Solist dann - je nach Können und Wollen - eingeht.

    Wenn Du also gerne die "reine" (äolische) Moll-Tonleiter wie im Thema verwendest, dann mach das und "baue" auch so Deine Akkordbrechungen, ansonsten verwende die "harmonische" Moll und ihre Stufenakkorde.

    Im Jazz gilt ja bekanntlich: Alles darf, nichts muss. ;)
     
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  6. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Da waren jetzt einige schneller zur Moll-ii-V-I-Progression. Denke auch, dass HM5 zum orientieren erst mal die einfachere Wahl ist.

    Aebersold schlägt statt dieser „normalen“ Dominante immer gerne eine alterierte Skala incl. Akkord vor. Bei dem ist neben der I, II und bVII, die den Dominantakkord definieren, jeder Akkord- oder Skalenton alteriert, i.e. b9, #9, #11 bzw. b5 und #5. Da stößt die Aebersold-Methode zum Skalen und Akkorde pauken aber an ihre Grenzen, wenn Akkord-Töne beim Durchnudeln nicht mehr auf die Zählzeiten fallen (bzw. was sind denn nun die Akkordtöne?!). Es gibt verschiedene Wege, wie man diese Skala herleiten kann und damit viele gute Gründe, warum sie im Jazz-Universum erschienen ist. Zum rauf- und runternudeln eignet sie sich (noch) weniger als andere Skalen, bzw. muss man aufpassen, dass das “Aroma” dann nicht flöten geht. Es ist eben alles Gewürz, die Kartoffeln sind hier weggelassen worden. Jeder Skalenton ist potenzieller Akkordton mit Spannung.
    Eine ganz nette Einführung in die alterierte Skala gibt es zum Beispiel hier:
    https://www.jazzadvice.com/keys-to-the-altered-scale/
    Für mich hilft es da nur, meine Idole zu kopieren, das würde ich auch empfehlen.
     
    Zuletzt bearbeitet: 23.November.2020
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  7. zwar

    zwar Ist fast schon zuhause hier

    Das ist schon ganz richtig so. Wenn ein dominantseptakkord in dem jeweiligen musikalischen kontext eine dominanten funktion hat (das ist in dem fall so), gibt es zwei töne, ohne die die dominante nicht funktioniert. das sind die grosse terz (c#) und die kleine septime (G). der grundton und die quinte sind nicht so wichtig für die funktion und können ersetzt werden. Die quinte (E) wird hier übermässig zu E# (hier F), und es entsteht ein übermässiger dominantsept akkord. Die normale Quinte wäre ja in der dort unterliegenden skala auch gar nicht enthalten.
     
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  8. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    Sorry, hast natürlich recht, aber warum steht da 9, wenn es doch die b9 ist?
     
  9. GelöschtesMitglied11524

    GelöschtesMitglied11524 Guest

    Weil's ein Problem mit der blöden Namensgebung ist glaub ich.
    9+ heißt #9, und der hat eine b9, und keine große None.
    Das + bezieht sich auf die None IMHO, und nicht auf die Quinte, die rein ist (meistens), ohne es gehört zu haben, wenn der Pianist nicht alteriert, was meine Meldung oben implizieren sollte.
     
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  10. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    In der Skala ist kein E - gehört da m.E. auch nicht rein. Die Skala ist Bb-mel.min.

     
  11. GelöschtesMitglied11524

    GelöschtesMitglied11524 Guest

    Das ist die alterierte Skala - schon klar.
    Und niemand spielt permanent alteriert in einem Moll II-V-I.
     
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  12. Altermann

    Altermann Ist fast schon zuhause hier

    Ich versuche mir mit den Arpeggios den Aufbau des Stückes zu erschließen und einzuprägen. Ich folge da dem Ansatz von Aebersold, erst die Akkordtöne zu spielen und anschließend die Skalen und darauf aufbauend ein Solo zu entwickeln. Wie geschrieben, bin ich Impro-Anfänger und versuche mir über diesen Weg ein Repertoire aufzubauen.

    Was ich nicht verstehe, warum ist der A7+9 unten ein Dur-Akkord? Wenn ich die von Ton Scott vorgeschlagene Skala zu Melodisch Moll heranziehe (A-Bb-C#-D-E-F-G) hab ich doch eine Struktur H/G/H/G/H/G .

    Was mich auch verwirrt: Ich habe verstanden, dass es sich hier um eine Moll II-V-I Verbindung mit der Akkordabfolge E-7b5/A7b9/ handelt.
    Aber warum steht im RealBook (ältere Bb-Version) A7#5(#9) statt A7b9 und bei Aebersold A7+9 statt A7b9?
     
  13. GelöschtesMitglied11524

    GelöschtesMitglied11524 Guest

    Weil das C kein C, sonder ein His - die #9 eben - ist.
    Das C# bleibt unumstößlich in einer Dominante die Terz.
     
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  14. Werner

    Werner Strebt nach Höherem

    Notationen sind leider nicht einheitlich. Auserdem kann man in der Praxis bei Dominanten meist verschiedene Varianten einfach austauschen, also zB. alteriert spielen obwohl es nicht da steht. Aebersold verwendet auch sehr oft die alterierte Skala, schon fast standartmässig bei dominanten, das kann manchmal etwas nervig sein.
     
  15. Altermann

    Altermann Ist fast schon zuhause hier

    ... das wird ja immer komplexer und verwirrender. Ich glaube, ich muss doch mal den Haunschild und Sikora lesen ;-)
     
  16. scenarnick

    scenarnick Administrator

    Nur wenn man drüber nachdenkt :)

    Ich hab eine Woche lang mit meinem Gitarristen gestritten, warum ich über einen G7 Akkord ne Mollterz singen soll (war auch keine, war die #9). Irgendwann hab ich aufgehört zu denken und angefangen zu probieren (auf Klavier und Gitarre) und dann fiel der Groschen (pfennigweise) durch Hören.

    Klar, die Struktur muss stehen - dazu reichen aber meist die Grund-Vierklänge (mit der jeweiligen (!) 7). Die 9, 11, 13 kommen dann irgendwann dazu und "passen einfach", genau wie verminderte und übermäßige Akkorde dann irgendwann an ihren Platz fallen.
     
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  17. GelöschtesMitglied11524

    GelöschtesMitglied11524 Guest

    Du könntest einfach probieren und hören, was DIr besser gefällt.
    (Und wirst draufkommen, dass es bloß um den Zusammenhang Deiner Melodie über den Akkord geht).
    Ein schöner Beweis dafür ist das "Cry me a river" Lick.
    Wenn Du es über die Dominante A7 spielst, spielst Du es von der #9weg.
    Also abwärts und enharmonisch verwechselt:
    C-Bb-F-C#-C-Bb dann kannst Du auf das A auflösen, in die Quinte des D-Moll-Akkordes. Das ist im Prinzip Bb-Moll über A7.
    So klingt das über einen Mollakkord:

    und so über einen II-V-I in Moll, im -7b5 von der Quarte, im V7 von der #9 weggespielt (rhythmisch etwas verändert) - von Michael Brecker:
     
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  18. GelöschtesMitglied11524

    GelöschtesMitglied11524 Guest

    ...eines alterierten Dominantseptakkordes auf A.
     
  19. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    C7b9 hat nur alterierte None, C7#9 hat auch nur ne alterierte None in die andere Richtung. C7#5(#9) hat die alterierte None auf einem übermäßigen Akkord mit kleiner Sept, alteriert bietet sich natürlich an, ist wohl auch oft gemeint.
    C7+9 dagegen impliziert meines Erachtens immer alteriert, d.h. die übermäßige Quint, alle alterierten Nonen und letztlich auch #11.
    Aber man darf wie schon mehrfach gesagt die Alterationen seinem Hörempfinden anpassen. Es muss nicht überall Chili und Knoblauch ran...
     
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  20. GelöschtesMitglied11524

    GelöschtesMitglied11524 Guest

    Aber die Tonleiter drüber kann keine große None haben, wenn eine übermäßige None drin ist, und auch umgekehrt, soweit ich mich an die Jazztheorie erinnere.
    Aber wie schon öfters erwähnt erübrigt sich die Diskussion eh, wenn man ein wenig probiert und die Ohren aufmacht.
    Und der TE weiß ja jetzt auch, was er machen soll - hoffe ich zumindestens.

    Cheers, Ton
     
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 24.November.2020
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