Warum baut man keine parabolischen Saxophone mehr?

Dieses Thema im Forum "Saxophone" wurde erstellt von altblase, 14.Januar.2021.

  1. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    OK, Gefäßflöten funktionieren eh etwas anders, aber eine exakte Parabel kann ich da auch nicht sehen.

    Gruß,
    Otfried
     
  2. slowjoe

    slowjoe Strebt nach Höherem

    Der Kopf meiner Querflöte hat eine parabolische Mensur.... Screenshot_20210115-151659_Gallery[1].jpg

    Durchmesser oben ca. 17 mm
    Durchmesser unten ca. 19 mm
    Verlauf dazwischen parabolisch.
    Gemessen mit dem Lineal auf meinem Schreibtisch...

    SlowJoe
     
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  3. ppue

    ppue Mod Experte

    Ich wollte nur aufzeigen, dass man mit verschiedenen Tonlochanordnungen die unterschiedlichsten Körper stimmig erklingen lassen kann.
     
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  4. rbur

    rbur Mod

    Ich gebe dir recht, möchte es aber etwas anders formulieren:
    Absolut stimmige Saxophone kann es aus physikalischen Gründen gar nicht geben. Aber man kann mit unterschiedlichen Tonlochanordnungen gute Stimmungen erreichen, die man dann auf verschiedene Arten ausgleicht.
    Das ist auch der Grund, warum manche Leute Buescher als nicht stimmig bezeichnen. Die wissen eben, wie man Selmer ausgleicht, bzw. machen es unbewusst.
     
  5. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    Kann man wohl, aber du wirst sie wohl nicht sauber überblasen können
    Nun, spätestens das Teil, welches in das Hauptrohr geschoben wird ist schon zylindrisch, sonst würde man die Flöte nicht vernünftig zusammen bauen können. Es handelt sich also mehr um eine Abweichung vom geraden Konus als um ein Paraboloid.

    Aber ok, war wohl etwas zu prinzipiell, die Aussage.

    Hintergrund:
    Die Schwingungsgleichungen ergeben nur Lösungen für zylindrische Rohre und gerade Konusse, theoretisch jedenfalls. Nun kann man natürlich einen geraden Konus nehmen und eine minimale Abweichung davon. Diese wird sich in der realen Welt nicht viel anders verhalten als ein gerader Konus. Theoretisch hingegen funktioniert er nicht mehr.

    Ein Flötenkopf alleine soll ja nicht als Instrument herhalten, da wäre es also egal, ob er sauber oktaviert oder nicht, in aller Regel tut er es (meine jedenfalls). Die Abweichung vom geraden Konus ist m.E. auch sehr gering. Ich habe mal einen Rohling gesehen bei einem Instrumentenbauer, nach dem die Flötenköpfe gebaut werden. Das sah mir aus wie in gerader Konus, der in einen Zylinder übergeht.
    Aber die genauen Kurven sind absolutes Geheimnis jedes Flötenherstellers, in langer Entwicklungszeit empirisch ermittelt.

    Gruß,
    Otfried
     
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  6. Woliko

    Woliko Strebt nach Höherem

    Sind die Lösungen im parabolischen Koordinatensystem nicht die Mathieuschen Funktionen?
     
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  7. Gelöschtes Mitglied 11989

    Gelöschtes Mitglied 11989 Guest

    Um genau zu sein sogar die Mireille-Mathieuschen Funktionen!

    SCNR
    :)last
     
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  8. JES

    JES Gehört zum Inventar

    Also, wer sich mal die Zeit genommen hat meinem link zu folgen,...
    Adophe sax hat in seiner ersten patentschrift tatsächlich einen parabolischen korpus patentiert. Als dieses patent abzulaufen drohte, wurde es um konische und parabolisch konische korpusformen erweitert.
    So wie ich die Dissertation verstehe war selbst seitens A. Sax die Abweichung vom reinen Konus akustisch vernachlassigbar im Vergleich zu anderen Aspekten wie tonlochnetz, mensur,... aber auch Mundstückvolumen und kammerform.
    Ich habe im Netz KEINEN Nachweis fur eine parabolische kontur finden können. Es gab dazu Messungen in den USA, die keinen Nachweis ergaben, dass irgend ein industriell gefertigtes Saxophon einen parabolischen korpus hatte. Die Dissertation bestätigt dies ebenfalls. Ausnahmen können ev. die vorindustriellen Instrumente bis 1900 sein, aber schon Conn als dann auch Buescher haben konisch gebaut.
    Es scheint sich hier um einen Literaturgeist zu handeln, der mal in umlauf gesetzt aber nicht bewiesen wurde (j. Kool.. Das saxophon).
     
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  9. elgitano

    elgitano Ist fast schon zuhause hier

    ich hab mir mal mein Micollier (ca.1880) Sopran-Sax angeschaut und gemessen. Es ist einfacher, da der ¿S-Bogen? ja gerade ist. Hat aber wie auch die alten Instrumente von Sax einen Anschluss zwischen S-Bogen und Körper (siehe Photo)
    Auf 125,5mm hat der S-Bogen eine Steigung von 10,5 auf 20,7mm , so 10,2mm
    Der Körper hat auf 125,5mm eine Steigung von 21,6 auf 29,7mm, so 8,1mm.
    Somit hat der S-Bogen einen grösseren Konus/Steigung als der Körper. Ich kann es sogar mit blossem Auge sehen.
    So werden auch die anderen historischen Instrumente parabolisch konstriert worden sein. Vielleicht versuch ich es mal das Alt Sax von Buffet von 1870 zu vermessen.
    Claus
    S-Bogen.png
     
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  10. ppue

    ppue Mod Experte

    Gibt es auch in umgekehrt. Weltklang-Sopran:

    [​IMG]

    Beim späteren Modell dann umgekehrt:

    upload_2021-1-20_14-41-41.png
     
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  11. ppue

    ppue Mod Experte

    Ist ja schon alles gemessen worden. Aus den Messungen aber eine bewusst parabolische Konstruktion abzuleiten, halte ich für gewagt.

    http:sax.mpostma.nl/Meetw/BoringprA.html#
     
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  12. slowjoe

    slowjoe Strebt nach Höherem

    Der S - Bogen hat bei den meisten Saxophonen eine andere Steigung als der Korpus.
    Der S - Bogen ist auch meistens nicht konisch sondern in der Steigung unregelmässig.
    Das hat nichts mit parabolischer Mensur zu tun.

    SlowJoe
     
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  13. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    Irgendwo wurde mal Selmer zitiert, wonach der S-Bogen zunächst ein gerader Konus ist, mit Blei gefüllt dann gebogen wird.

    Aber ich habe große Verständnisschwierigkeiten, was mit diesem ominösen parabolischen Design eigentlich gemeint sein soll. Hier werden ja doch meist nur Abweichungen vom geraden Konus angegeben, meist im Bereich von S-Bogen und Knie. Wobei es natürlich schon schwierig bzw. unmöglich ist, bei gebogenen Rohren eine dem geraden Konus vergleichbare Geometrie zu realisieren.

    In der von @JES verlinkten Doktorarbeit findet sich folgendes:

    The Adolphe Sax saxophones differed considerably in the sense that the bore taper plays a
    bigger role in intonation and its gradual expansion towards the end of the neck (lower bow)
    was a particular aspect that was different from other woodwinds in the 19th century (Scavone
    1997:27). The diameter of the bore does not increase uniformly, like some other woodwind
    instruments, but in a way that is governed by the geometric rules of a parabola (Segall 2005:
    176). This dissertation is by no means a discourse on saxophone acoustics as this requires a
    different study altogether, but many sources are available to saxophonists that are not
    academic scholars. In Jaap Kool’s study (1987), the acoustic occurrences of the tone relative to
    the parabolic shape of the instrument are explained in understandable terms:

    Sax chose this parabolic shape intentionally. We know that the sound waves, exactly
    as light waves (say, on a mirror), are reflected. From an echo, for example, we know,
    that under certain circumstances the emitted sound is reflected back to its starting point.
    This reflection is the greatest, that is, it is most complete when the sound is reflected
    from the focal point of one parabolic body to the focal point of another parabolic body.
    This means, in practice, that one can direct the course of sound waves in a desired
    direction. Sax employed all these parabolic surfaces and their effects in the saxophone.
    First of all, the parabolic inner walls operate like the convex mirror, diffusing the sound
    and, at the same time, reflecting it into the tube's interior. This is how the uniquely
    sonorous, mellow, and at the same time, somewhat hollow sound of the saxophone is
    produced, which on inferior instruments is easily associated with a ventriloquial note. Still
    dissatisfied, Sax put in three other small parabolic concave surfaces, or slight curves. If we
    list the diameters of the tone holes in succession, it becomes obvious to us that these
    diameters do not regularly increase as the gradually increasing diameter of the tube
    would cause. On three occasions, we find that a lower tone requires a smaller tone hole
    than the preceding higher tone. At these three places Sax once again employed small
    parabolic bulges in the opposite direction of the overall curve, which extends across the
    entire instrument. These inward-turning parabolic surfaces operate like the concave lens,
    that is, they focus the sound. Since at the opposite wall (directly in the vertex of the
    parabola) there is respectively a tone hole, these surfaces simultaneously effect an easier
    escape of the sound waves (Kool 1987: 83-87).
    Ich muss zugeben, ich verstehe nur Bahnhof. Der parabolische Spiegel mag ja tatsächlich absolut genau parallele Lichtstrahlen in seinem Brennpunkt brechen, nur was hat das mit dem Saxophon, den Schalldruckwellen im inneren eines Rohres zu tun ?
    Im zweiten wird wohl darauf verwiesen, das Sax gewisse Ausbeulungen vorgenommen hat, um die Klangcharakteristik, vielleicht auch Intonation einzelner Töne zu verbessern. Was ist daran dann parabolisch ?

    Irgendwie habe ich das Gefühl, ich verschwende meine Zeit mit diesem und dieserart Probleme und dem Lesen solcher Arbeiten :confused:

    Gruß,
    Otfried
     
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  14. ppue

    ppue Mod Experte

    Ich fand die gleichen Textstellen auch merwürdig. Besonders die Ausbuchtungen gegenüber den Tonlöchern, die den Ton nochmal besonders nach draußen befördern.
     
    Rick gefällt das.
  15. slowjoe

    slowjoe Strebt nach Höherem

    So gerade ist der Konus auch nicht. Ich habe hier irgendwo (wenn ich nur wüsste wo in meiner Rumpelkammer) ein noch nicht
    gebogenes S - Bogenrohr herumliegen das mir Gerhard J. Keilwerth mal geschenkt hat.
    Wenn man da ein Haarlineal drauflegt sieht man diverse Lichtspalte. Diese "Feinheiten" werden durch den Ziehdorn
    ausgeformt und bestimmen den Charakter eines S - Bogens.

    SlowJoe
     
  16. JES

    JES Gehört zum Inventar

    Für mich ist das zu viel Rumdiskutiererei uber Einflüsse auf die Schallausbreitung. Das mag theoretisch ja alles richtig sein, ob der Effekt dann in der Praxis mess- und hörbar ist, halte ich für fraglich. Wenn man das allesbzusammenpuzzelt dann führen ja schon kleinste Änderungen in der Geometrie zu klangunterschieden. Damit brauchte ich für eine untersuchung entweder ideale Geometrien, die dann gezielt mit einer abweichung versehen werden. Die gibt es nicht.
    Wir akzeptieren hier ja täglich, dass selbst heute mit der hochtechnisierten Produkt und prüfmöglichkeiten nicht alle Instrumente einer Baureihe eines Herstellers klanglich nicht gleich sind. So signifikant, das man es hört und sich darüber die Empfehlung ableitet mehrere gleiche Instrumente anzuspielen und sich das beste auszuprobieren.
    Bei der industriellen Produktion, gerade anfang 1900, halte ich einen parabolischen konus für unwahrscheinlich. Die Maschinen zu der zeit waren reine analoge maschinen mit handverstellung. Die Qualität eines parabolischen dorns hinge extrem von dem handwerklichen geschick des maschinenführers ab. Eine exakte reproduktion quasi unmöglich. Einen Kegel kann ich rel. einfach drehen und diesen auch gut reproduzieren. Verbindungsstellen zwischen den Einzelteilen sind gut zu definieren und herzustellen. Da aber das Ziel von Conn und Buescher war Instrumente für jedermann zu bauen, ist der Kostenfaktor der Designtreiber, dem sich der Rest unterordnet.
    Ausserdem lässt sich mit einem konus rel einfach experimentieren, ohne zu viel Chaos in der Produktion anzurichten. Vorrichtungen lassen sich einfach anpassen. Die Änderungen sind linear.
    All das macht in meinen Augen einen parabolischen korpus bei seriensaxophonen fur extrem unwahrscheinlich.
     
    Rick, ppue und antonio gefällt das.
  17. JES

    JES Gehört zum Inventar

    Worüber ich mal nachdenken oder auch gerne diskutieren würde wäre, was passiert, wenn ich den offnungswinkel ändere.
    Also S-Bogen stark aufweitend, Korpus weniger, Knie mehr, Trichterstück noch mehr. Wie kann ich ev mit diesen Parametern spielen um gewisse Einflüsse zu erzielen.
    So etwas halte ich in Serie noch für machbar.
     
  18. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    Das wird doch gemacht, genau darin unterscheiden sich die verschiedenen Bögen und Knies der Hersteller. Nur eben nicht stark sondern ganz minimal. Das macht dann schon einigen Unterschied

    Gruß,
    Otfried
     
  19. JES

    JES Gehört zum Inventar

    2 Sachen
    1. Hier wurde gefragt, on man ein Saxophon ev. röntgen kann und was man sieht. Anbei ein Artikel, in dem man ein Röntgenbild findet. Für mich sieht es konisch aus. Ev. seht ihr mehr.
    2. Ich bin auf der Suche nach der Patentschrift bzw. den Patentschriften zu dem Saxophon. Leider finde ich nur die Skizzen, oder das Datum oder... aber keine Patenttexte. Weiß jemand, wie man da rankommen könnte? Da sie ja abgelaufen sind, sollte das möglich sein.
     

    Anhänge:

    saxfax gefällt das.
  20. saxfax

    saxfax Strebt nach Höherem

    Sehr schön, danke @JES diesen Artikel kannte ich noch nicht. Benedikt Eppelsheim könnte zu diesem Thema sicher auch viel sagen.
     
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