Noten bei einer Jazz Session?

Dieses Thema im Forum "Musiker / Bands" wurde erstellt von Saxoryx, 24.Oktober.2022.

  1. 47tmb

    47tmb Gehört zum Inventar

    So.
    Nun ist es an der Zeit, mich zu outen.
    Ich kann von keinem(!) Standard das Thema auswendig spielen(!). Ist vielleicht ne Lernschwäche oder was auch immer.
    Heißt: Wenn ich auf ner Session das Thema(!) mitspielen will/soll, bin auf den ollen dicken Wälzer (RealBook) oder etwas dezenter nen Tablet (ich arbeite dran) angewiesen.

    Von daher sind manche Veranstaltungen für mich NoGoes.

    Und: Never, never play a tune, you don not know!

    Sodele
    Schöne Restwoche

    Cheerio
    tmb
     
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  2. GelöschtesMitglied11524

    GelöschtesMitglied11524 Guest

    Vorweg: Ich bin da leider kein Meister, weil ich auch relativ spät damit angefangen habe, Tunes auswendig zu lernen.
    Aber: Es gibt haufenweise "Anleitungen", welche Standards man angehen sollte, um mal zu erkunden, was harmonisch so üblich ist. Es reduziert sich dann, es gibt viele Übereinstimmungen, und man hört das dann sowieso.

    Tendenziell kommt mir vor, dass sich viele (auch hier) überfordern, eigentlich über sehr schweres Zeug "improvisieren".

    Hm. Ich weiß nicht.
    Nach meiner Erfahrung ist Improvisation über Standards, den man in- und auswendig kann etwas völlig anderes. Man überblickt geistig quasi das ganze Lied, anstatt sich von Akkord zu Akkord zu hanteln (was man auch gut klingend können sollte - das kann ich so halbwegs), aber das hat mit Improvisation weniger zu tun, das ist mehr "Spiel über die Akkorde".

    Wenn eine Rhythmusgruppe wirklich gut spielt kann es auch sein, dass die manchmal andere Akkorde spielen als die, die im Realbook stehen. Je nach Stil halt, in dem die spielen. Insoferne lenken Noten eigentlich vom wichtigen Geschehen ab.

    Liebe Grüße, Ton
     
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 25.Oktober.2022
  3. Silver

    Silver Strebt nach Höherem

    Damit dürftest Du uneingeschränkt Recht haben. Auf mich trifft das zu.

    Weil es mir aber auch - nein: nur - um den Spaß an der Sache geht, erlaube ich mir, Töne zu dudeln, die dem Anspruch an „Improvisation“, in Anführungszeichen gesetzt und damit als Ernste Angelegenheit gekennzeichnet, nicht gerecht werden.

    Ähnlich wie @47tmb habe ich Schwierigkeiten, die Melodie von Stücken auswendig zu lernen.
    Manche gehen wie von selbst, andere wollen nicht in meinen Kopf.

    Das Gleiche gilt für exakte Akkordfolgen (die ich ohnehin oft nicht ausspielen kann und nicht einmal will, außer zu Übungszwecken): Ich orientiere mich an „Modulen“, die ich inzwischen höre und nicht ablese. Dadurch ist es nicht schlimm, wenn die Rhythmusgruppe mal ein Substitut spielt oder eine Tension dranhängt - das Modul funktioniert weiterhin (für mich).

    Wahrscheinlich ist es das, was Du meinst mit „das ganze Lied überblicken“ und „viele Übereinstimmungen“.

    Das Leadsheet ist letztlich eine Gedankenstütze. Wenn ich zum Beispiel einen Vortrag halte (über ein Thema, das ich bestens kenne oder mit einer Kernaussage, die von ganz innen kommt) spreche ich immer frei, habe aber immer ein Stück Papier mit Stichworten und Ablauf vorbereitet und in Sichtweite.
     
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  4. GelöschtesMitglied11524

    GelöschtesMitglied11524 Guest

    Das meinte ich nicht.

    Auf das Risiko hin, meine Schweinsohrigkeit öffentlich zu machen :) ein Beispiel:
    Im Realbook steht bei "Just Friends" im 5. Takt ein Majorakkord, gefolgt von einem II-V.
    Für Tenor Amaj - Cm7/F7

    Die Kollegen hier spielen aber statt des Maj eines Mollseptakkord (in der obigen Tonart wäre das C#m7, im Video Em7, da andere Tonart) gefolgt von einem verminderten Akkord statt des II V.
    (Hab das erstbeste Beispiel genommen).
    Das wird wohl an den schönen chromatisch absteigenden Linien in der Stimmführung von Beginn an liegen schätze ich.



    Cheers, Ton
     
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 25.Oktober.2022
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  5. Silver

    Silver Strebt nach Höherem

    Ja, da hast Du recht. Aber das meinte ich nicht.

    Immer, wenn ich mit Oscar Peterson spiele, frage ich ihn zuerst, ob er im fünften Takt was anderes spielt, weil, wenn ich es höre, es zu spät ist. Wegen der chromatischen Linien.

    Ich schreib mir das dann auch in mein Leadsheet - mit Bleistift - weil der Brad Mehldau spielt es wieder anders. ;)

    Was im RealBook steht? In welchem, jetzt?
     
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  6. GelöschtesMitglied11524

    GelöschtesMitglied11524 Guest

  7. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Hatten wir das nicht grad im anderen Thread, der unverhofft bei den Selbstdarstellern in Jam Session landete? Oscar Peterson ist noch ne Sorte schlimmer: Der WIRKT so nett. Und vielleicht verrät er auch seine Changes. Und TROTZDEM lässt er alle anderen so aussehen, als könnte er ein bisschen schneller denken und sich schneller bewegen. Unverschämt. :)
     
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  8. bthebob

    bthebob Strebt nach Höherem

    @ringfrei
    Wenn ich mein angelesenes -Fachwissen- richtig erinnere ....

    Ging's in den Anfangsjahren nächtlicher Jam-Sessions nicht genau darum ?
    Ich meine die Jahre, als C. Parker noch jung war und ein unbekannter Bläser.

    Es ging um Kampf mit allen musikalischen Mitteln auf offener Kneipenbühne, dem -Bandstand-
    Die Soli's wurden immmer schneller, mit immer neuerem "unerhörteren" Läufen usw.

    Ein "Hauen und Stechen" ....
    Parker wurde bei einem seiner ersten Session-Versuche
    vom Bandstand geworfen.
    Er hatte die nötigen Tonarten nicht parat.

    Und warum die "ganze Aufregung" ?

    Es sollte Publikum angelockt werden.
    Volle Bude = großer Umsatz an Schnaps/Bier.

    Klingelt fein die Kasse, sind alle zufrieden.
    Die "kämpfenden" Musiker eingeschlossen.

    Warum sollte das heutzutage bei Sessions anders sein ?
    Grade in Goßstädten wie Berlin u.a.

    VG
     
  9. jimi

    jimi Ist fast schon zuhause hier

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  10. Saxax

    Saxax Ist fast schon zuhause hier

    Also mir geht´s genauso: die Spickzettel brauch ich schon. Ich muss ja nicht alles spielen, was da drauf steht - oder?

    "Und: Never, never play a tune, you don not know!" außer bei straight ahead Blues, da kann man das schonmal wagen ;-)


    keep swingin´

    Euer Saxax
     
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  11. Rick

    Rick Experte

    Ist jedenfalls oft sicherer mit Spickzettel, auch wenn es ohne ginge.
    Ich habe an mir beobachtet, dass ich beim reinen Auswendigspiel simpler improvisiere und eher auf gewohnte Licks zurück greife, während ich mit Lead Sheet mehr wage und experimentiere - wahrscheinlich, weil ich mich dann nicht auf das Gedächtnis konzentrieren muss, mehr Hirnkapazität für die Kreativität frei habe.

    Noch ein Nachtrag zu Real Books bei Jam Sessions:
    Ich habe mich daran erinnert, dass es bei der Heidelberger Cave-Session auch mal eine Zeit gab, wo Noten auf der Bühne untersagt waren.
    Das hatte zur Folge, dass im Endeffekt nur so 20, 30 Titel im Kreis gespielt wurden, weil nur wenige gewillt waren, ständig neue Standards auswendig zu lernen.
    Das führte zu Verdruss bei etlichen Teilnehmern, nach dem Motto:
    "Kommst du zur nächsten Session?"
    "Ach nee, keine Lust, da wird ja immer dasselbe gespielt."

    Deshalb ist es inzwischen so, dass alle, die Titel vorschlagen, deren Thema sicher spielen können müssen, jedoch nicht zwangsläufig ohne Noten.
    Und damit dann noch ein paar (versierte) Einsteiger mitmachen können, dürfen diese auch gerne ihr Glück mit Lead Sheet versuchen. Wenn sie merken, dass die Akkordstruktur komplexer ist als erwartet, ziehen sie schon freiwillig zurück - wer blamiert sich schon gerne vor den Kollegen? ;)
     
  12. Dreas

    Dreas Gehört zum Inventar

    Geht mir genauso wie Dir und @47tmb .

    Auch unser Pianist, wahrlich ein versierter Jazzer, hat immer die Noten auf dem Pult.

    CzG

    Dreas
     
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  13. Saxoryx

    Saxoryx Strebt nach Höherem

    Genau. Das dachte ich mir dann auch. Das ist eine Komposition, wo nichts frei gespielt oder improvisiert wird, sondern das ist alles vorgegeben. Genauso wie bei uns in der Band. Wir spielen auch nach Noten. Aber wir sind ja auch keine Profis. Man sieht eben so oft Aufnahmen von Musikern, Profis, wo sie die tollsten Sachen ohne Noten spielen, auch als Band. Aber das ist dann etwas anderes.

    Letztens habe ich da ein Video von Nigel McGill gesehen, der gezeigt hat, wie viel das zum Teil ist, was die Musiker da dann auswendig lernen (müssen), wenn es feste Arrangements gibt, die ohne Noten gespielt werden sollen:



    Hat mich sehr beeindruckt. :)
     
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  14. Rick

    Rick Experte

    Das möchte ich so generell nicht stehen lassen.
    In meinem Beruf gehört es zum Alltag, fremde Noten gleich auf der Bühne umsetzen zu müssen, auch mit Improvisation.
    Wenn es nicht allzu komplexes Zeug ist, geht das auch problemlos, dafür hat man ja seine "Lehrjahre" gehabt, um so etwas zu können.
    Außerdem hasse ich es, mit Jazz-Combos zu proben (Big-Band oder ausgefeilte Arrangements sind etwas Anderes).

    Nein, das Thema ist ausgearbeitet, aber die Solos werden natürlich improvisiert - dieses Entweder-Oder (nur Noten abspielen oder nur Improvisation) ist Unsinn.
    Wenn ich da Musiker habe, die improvisieren können, schreibe ich ihnen doch keine ausnotierten Solos, sondern erspare mir die Arbeit. ;)
     
  15. GelöschtesMitglied11524

    GelöschtesMitglied11524 Guest

    Das hast Du offensichtlich völlig falsch verstanden.
    Wenn man zu einem Jazz-Gig angerufen werden will, und sei es "nur" irgendein kommerzieller Job, hat man das Repertoire an Standards auswendig zu können. Als SaxophonistIn Melodie und Chords. Allenfalls wird von der Rhythmusgruppe auf Tonarten Rücksicht genommen. Oft ist ja nicht mal Platz für einen Notenständer :)
    Ich hab da zu Silvester beispielsweise einen Gig, wo ich 4 verschiedene Räume alleine mit Saxophon und Playbacks beschallen soll, einmal da, einmal dort. Je weniger ich da von einem Raum zum anderen schleppen muss, desto besser. Noten gehen da gar nicht.

    Das Stück ist keines aus diesem Standard-Repertoire, läuft aber von den Chords her sehr konventionell und vorhersehbar ab. Also gibt es Noten, aber "improvisiert" wird dann natürlich "frei".
     
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 28.Oktober.2022
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  16. scenarnick

    scenarnick Admin Mod

    Ey!
    (Ich spiele in einer solchen Formation :) kann aber mit Ironie gut um)

    Gut, das hat auf ner expliziten "Jazz" Session nicht viel zu suchen, dafür gibt es ja eigene (Ironie ON) einfachere (Ironie OFF) Sessions. Mir reichen die bislang ;)
     
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  17. GelöschtesMitglied11524

    GelöschtesMitglied11524 Guest

    Das Bluestrio spielt den 25. Clubgig diesen Monat.
    Sie shuffeln so dahin. Der Gitarrist denkt: Die Blondine, die da grad reinkommt, die werde ich in der Pause anbaggern. Der Drummer denkt: Der Typ da hinten, das ist doch dieser Agenturmensch- wie heißt er doch noch gleich - den red ich an wegen meinem neuen Projekt. Der Bassist denkt: E-A-E-E......
     
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  18. scenarnick

    scenarnick Admin Mod

    Wenn wir schon Klischees bedienen wollen, fehlt noch: Jazz: 10.000 Akkorde für 3 Zuhörer. Blues: 3 Akkorde für 10.000 Zuhörer

    und jetzt :topic:
     
  19. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Naja, vielleicht ist der Bluesrock für manche der Schlüssel zum Verständnis, wie es möglich ist, ohne Noten zu spielen, wo man sie doch eventuell braucht und wofür ein Leadsheet gut ist.
     
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  20. scenarnick

    scenarnick Admin Mod

    Ich sag es mal so: Blues (nicht unbedingt Bluesrock) ist in sich auch schon komplex, es geht nur um ganz andere Dinge als Changes, die ausgespielt werden können / müssen. Die Changes stehen im Hintergrund. Es geht eher um Timing, Licks, wenige Töne. Aus meiner Sicht ist die "Einstiegshürde" niedriger als in den meisten Jazz-Stücken und um mit anderen "einfach mal so" zu jammen kommt man als Einsteiger mit der erweiterten Pentatonik schon weit. Das nimmt eine gewisse Angst, sich mit Instrument einfach irgendwo einzubringen. Von da aus kann man dann den Horizont erweitern (insofern hat @Feuerstreuer ganz recht, auch wenn er aus der anderen Richtung schaut) und sich an harmonisch / melodisch komplexere Dinge wagen. Auch wenn viele der Standards ihre wiederholenden Muster haben. Die muss man aber auch zunächst erkennen und damit umgehen lernen.

    Als jemand, der aus der Klassik kommt, waren mir Leadsheets eine ganze Zeit lang suspekt: Wozu schreibt man Noten auf, die man dann doch nicht so spielt? Der "Umweg" über den Blues und Bluesrock hat mir persönlich den Horizont geöffnet, mal eben komplett ohne Noten zu spielen (und wenn's "nur" ne F# Penta ist, weil der Gitarrist mal eben in E daddeln und shufflen will) um dann wieder an Noten anzunähern (per Leadsheet) um harmonisch scheinbar komplexere Stücke zu erarbeiten.

    Gut, das eigentliche Thema hier ist "Noten auf ner Session" an einem konkreten Beispiel und da führt unser Ausflug hier nicht weiter. Aber nachdem wir hier von Profis wie @Rick oder @Ton Scott gelesen haben wollte ich hier auch mal die Perspektive eines Einsteigers in den Ring werfen, der sich erst ganz langsam an Sessions traut und wenn, dann eher im vertrauten Kreis und über den "Bluesrock" als gleich ins tiefe Jazz-Wasser.
     
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