Herrenberg-Urteil

Dieses Thema im Forum "Eigene (musikrelevante) Themen" wurde erstellt von Gelöschtes Mitglied 11989, 2.Juli.2024.

  1. rbur

    rbur Mod

    Wenige bis gar keine.

    Es gibt Musikvereine, die Musikschulen oder musikschulartige Strukturen betreiben. Es gib auch welche, die Dirigenten oder Lehrer als Angestellte mit Sozialabgaben beschäftigen. Auf die trifft das natürlich zu.

    Aber das Gros der Musikvereine tut das nicht. Der bis vor kurzem bestehende Rahmenvertrag mit der KSK wurde nicht verlängert, weil es einfach zu wenige Vereine gibt, die überhaupt KSK-pflichtig sind.
    Und wer schon nichtmal sozialversicherungspflichtig ist, der gerät auch nicht in den Verdacht der Scheinselbstständigkeit.
     
  2. Gerrie

    Gerrie Strebt nach Höherem

    Die Musikvereine trifft es teilweise. Einige haben Ihre Ausbildung an Musikschulen ausgelagert.

    Grüße Gerrie
     
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  3. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Habe mir nochmal das blanke Urteil genau durchgelesen.

    M. E. steht nichts wirklich Neues drin, vielleicht sind einige Kriterien etwas schärfer ausgelegt.

    Aber selbst ich als juristischer Laie hätte die Situation der Musiklehrerin als „scheinselbständig“ eingeschätzt. (Alleine schon das sie vertraglich verpflichtet wurde an internen Terminen teilzunehmen geht gar nicht.)

    Für mich passiert da grade ganz viel „vorauseilender Gehorsam“. Auch werden Konsequenzen diskutiert, die das Urteil gar nicht hergeben.

    Ein gelassenerer Umgang mit dem Urteil wäre sich hilfreicher.

    Andere Branchen, die das genauso betrifft, reagieren auch viel entspannter.

    CzG

    Dreas
     
  4. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Ich denke, dass die Musikschulen sehr unterschiedlich hiermit umgegangen sind bzw. umgehen. Städtische Musikschulen haben in der Regel hohe formale Hemmnisse, Stellen zu schaffen.

    Die Scheinselbständigkeit führt dazu, dass am Ende Honorarkräfte eher an vielen Musikschulen arbeiten und keiner Musikschule wirklich zugehörig fühlen. Angebote für Musikschulensemble wird schon schwierig.

    Auch lebt die Musikschule von Angebot und Nachfrage. Eine kleine Musikschule wird eher keine festen Stellen für exotische Instrumente (z.B. Oboe, Fagott …) schaffen können. So haben sie eher eine Stelle für Blechbläser, eine für Klarinette / Saxofon / Querflöte, eine für ….

    Die meisten Honorarkräfte, die ich kenne, würden gerne feste Stellen mit hoher Stundenzahl haben.

    Die andere Sicht ist aber auch, dass Musikschulen inzwischen frei-werdende Stellen schwerer besetzen können.
     
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  5. Ottokarotto

    Ottokarotto Ist fast schon zuhause hier

    Ist auch bei uns im Süden leider Tatsache. Ausgeschriebene Stellen können mangels adäquaten Bewerbungen nicht mehr besetzt werden...

    Noch ein Hinweis zu TvöD:
    Wie schon richtig geschrieben wurde, unterrichtet eine Lehrkraft auf einer 100%-Stelle 30 Jahreswochenstunden à 45 Minuten. Hinzukommen die 33 Minuten Zusammenhangstätigkeit pro Unterrichtsstunde. Jetzt haben wir die 39-Stunden-Woche des TvöD erreicht.
    Korrekterweise wurde ebenfalls erwähnt, dass die Musikschulen einen Ferienüberhang haben. Dieser kann bis zu exakt 5,9 Stunden extra betragen. Mehr wird nicht empfohlen, da ansonsten das Problem entstehen kann, dass Krankmeldungen in den Schulferien zu einem Urlaubsanspruch während der Schulzeit führen, heißt, werde ich in den Ferien krank (bzw. lasse mich krankschreiben, was nicht zwingend das gleiche ist), habe ich nicht genommenen Urlaub, der dann während der Unterrichtszeit genommen werden muss, mithin der Unterricht ausfällt und die Unterrichtsgebühr/-entgelt erstattet werden müsste.

    Je nach Musikschule wird und wurde die Dokumentation der Zusammenhangstätigkeit eher locker gesehen. Solange alles läuft, muss man ja keine schlafenden Hunde wecken. Seit der EU-Richtlinie (-Gesetz?) der Digitalen Arbeitszeiterfassung könnten - und da sehe ich eher die kommunalen Musikschulen - nun vermehrt und detaillierter die Zusammenhangstätigkeiten eingefordert werden, große städtische Musikschulen machen das auch rigoros. (Anwesenheitspflicht bei wöchentlichen Fachbereichssitzungen, Erreichbarkeitspflicht zu Hause zu abgesprochenen Zeiten etc.pp.)

    Wer also eine volle Stelle an einer Musikschule hat, die die vollen 35,9 JwSt. ausschöpft, hätte rein rechnerisch eine 46,67 Stunden-Woche....
    Den Lehrer, der das durchzieht, möchte ich sehen ;)

    Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch ein deutlich geringeres Einkommen trotz TvöD, da hier ja immer auf die 100%-Stelle abgerechnet wird.

    Honorarkräfte waren ein angenehmes Mittel, teure, weil "alte" Lehrkräfte, die in den oberen Stufen des TvöD angekommen waren, querzufinanzieren. Die Kosten an kommunalen Musikschulen werden explodieren, auch die Gehaltserhöhung im März um rund 11% hat daran nicht unwesentlichen Anteil. Letztlich geht es zu Lasten der Unterrichtsgebühren und -entgelte, die sich dann keine Familie mehr wird leisten können, da die öffentliche Hand kein Geld hat...

    Und letztlich ist es ein Teufelskreis:
    Kein Musik-/Instrumentalunterricht, keine Musikstudenten, keine Musiklehrer - kein Musik-/Instrumentalunterricht.
    An allgemeinbildenden (Grund-)Schulen fällt selbst im sonnigen Süden immer häufiger der Musikunterricht aus, weil die Lehrerinnen und Lehrer das Fach nicht (mehr) unterrichten können. Es kommen auch keine neuen Lehrer:innen nach!

    Soviel wollte ich gar nicht schreiben... schönen Samstag in die Runde.
     
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  6. ilikestitt

    ilikestitt Strebt nach Höherem

    Das ist manchmal schwierig, wenn es wenig Alternativen gibt, gerade was die Schüleraquise angeht, kann das ein Problem sein.
     
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  7. ilikestitt

    ilikestitt Strebt nach Höherem

    Äh entweder liest du nicht richtig was ich geschrieben habe oder wir reden aneinander vorbei. Ich habe nur die Punkte aufgelistet, die neu dazukommen an Kosten für die Musikschule wenn sie eine Honorarkraft jetzt fest anstellt. Die Liste von mir, ist das was eine Unternehmensberatung mal genannt hat, ich wollte mit einem Kollegen nämlich mal eine entsprechende Schule gründen.

    Und ich wäre was die Zahlen aus dem Netz angeht generell eher vorsichtig bei diesen Themen. Das Problem ist, das öffentliche Musikschulen in der gleichen Stadt schon nicht gleiche Entgelte nehmen und man in die Bezahlung der Lehrer an den unterschiedlichen Schulen vor Ort oft keinen ausführlichen Einblick hat.

    Beispiel Berlin
    Musikschule Kreuzberg
    - unterscheidet nicht zwischen Alter
    - 1h pro Woche Monatskosten: 93,20 Euro

    Musikschule Steglitz:
    - unterscheidet beim Alter
    - bis 26 Jahre bei 1h pro Woche 100 Euro im Monat
    - ab 27 Jahren bei 1h pro Woche 110 Euro im Monat
     
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  8. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Der Blick in den Tarifvertrag hilft…..

    CzG

    Dreas
     
  9. ilikestitt

    ilikestitt Strebt nach Höherem

    Das gilt für den Festangestellten, von denen es meist kaum welche gibt aber nicht für die Honorarkräfte soweit ich es verstanden habe. Insofern ist eine Änderung vom Honorarvertrag zum Tarifvertrag schwer einschätzbar, wenn an unterschiedlichen Musikschulen unterschiedliche Honorarvertäge gelten. Und in die ganzen Honorarverträge bekommst du nicht einfach mal einen Einblick.
     
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  10. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    Das ist klar. Dachte Du beziehst Dich auf Angestellte.

    CzG

    Dreas
     
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  11. Rick

    Rick Experte

    Gehen wir mal zurück zu den "Aushilfen":
    Wenn durch die Regelung nun aus bis zu drei Honorarkräften eine Festangestellte wird, weil sich die meisten Musikschulen nicht mehr leisten können, haben auf einen Schlag viele Musiker deutlich weniger Verdienstmöglichkeiten.

    Es gibt Musikschulen, die freundlicherweise den Privatmusiklehrern "überzählige" Schüler vermitteln (hatte gerade heute wieder so eine Vermittlung, merci!) :) , das ist nett - freilich nur für diejenigen, die günstig oder zuhause unterrichten können.
    Für alle anderen sieht's mau aus.
     
  12. JES

    JES Gehört zum Inventar

    Wie sähe das Ganze denn aus, wenn
    1. die Musikschule die Schüler anwirbt
    2. der Lehrer die Schüler über einen eigenen Vertrag übernimmt
    3. Räume (ev. auch große Instrumente) der Schule stundenweise anmietet
    4. der Lehrer an die Schule eine "Servicepauschale" für Raum und Vermittlung/Verwaltung zahlt
    Dann sind m.E.beide Parteien aus allem raus.
    Ob ich das gut finde, ganz anderes Thema
     
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  13. rbur

    rbur Mod

    Das wäre für den Lehrer nur teurer, es sei denn er hätte keinen eigenen Unterrichtsraum. oder er hätte tatsächlich Schülermangel.
    Und Sozialversicherung etc. muss er dann immer noch selber zahlen.
     
  14. Rick

    Rick Experte

    Richtig. Ich kenne Private Musikschulen, die genaue diesen Ansatz gerade in die engere Auswahl genommen haben, wenn ihnen nun auch Konsequenzen aus dem Urteil drohen, denn Festanstellungen wären ihnen viel zu teuer, dann müssten die Betreiber ständig draufzahlen.
     
  15. ilikestitt

    ilikestitt Strebt nach Höherem

    Ich habe jetzt mal mit 3 Bekannten, die als Honorarkraft an Musikschulen tätig sind über das Thema gequatscht (ergab sich durch 3 Konzerte dieses Wochenende). Die glauben nicht an eine Verbesserung, sondern daß die Situation deutlich schlechter werden wird. Das war in etwa das Fazit:
    1. es gibt nicht genug Geld um alle fest anzustellen.
    2. wenn Leute fest angestellt werden, werden dafür Honorarkräfte gehen müssen, weil das Geld nicht für alle reicht.
    3. die Situation wird sich für Honorarkräfte deutlich verschlechtern, sowohl vom Geld als auch von ihren Rechten und Arbeitsbedingungen
    4. den Sprüchen der Politik vertraute keine der Personen, alle hielten es für Nebelkerzen.
    5. die ersten Kollegen suchen sich wohl schon Jobs ausserhalb der Musik oder versuchen neue Möglichkeiten zu finden wie sie mit Musik noch Geld verdienen können jenseits von Musikschulen.

    Das erste Mal daß mir Kollegen sagen: "Wie gut daß du nicht an einer Musikschule bist."
     
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  16. Gelöschtes Mitglied 11989

    Gelöschtes Mitglied 11989 Guest

    Es will mir einfach nicht in den Kopf, dass Musiker, die ein höchst anspruchsvolles Studium mit Selbstdisziplin und einer bewundernswerten Menge an Fleiß und Hingabe absolviert haben (ganz abgesehen davon, dass man nach meinem Verständnis schon saugut spielen können muss, um überhaupt an einen Studienplatz zu kommen) und danach den Menschen mit ihrer Expertise und/oder Musik Freude, Emotionen - all das, was Musik eben kann - bringen, nach meinem Gefühl i.d.R. unverhältnismäßig schlecht bezahlt werden.
    Mir fehlt da einfach die "Wertschätzung" im wahrsten Sinne des Wortes.

    Ich begreife es nicht....

    Was wäre die Welt ohne Musik
     
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 15.Juli.2024
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  17. Gelöschtes Mitglied 11989

    Gelöschtes Mitglied 11989 Guest

  18. Rick

    Rick Experte

    Die Musikschule, die meine Frau jetzt (befristet) fest angestellt hat, ist auf Order der Gemeindeverwaltung rigoros: Entweder fest oder garnicht dort arbeiten. Honorarkräfte sind vorbei.

    Also gibt es in Berlin noch kommunale Musikschulen mit Honorarkräften?
    Die gibt es hier ausschließlich bei den privaten, wobei sich eben die Frage stellt, wie sich das Urteil auf dieses Geschäftsmodell auswirken könnte. Dass jetzt praktisch die meisten privaten Schulen schließen müssen und damit viele Lehrer quasi arbeitslos werden, dürfte kaum im Interesse der Gesetzgebung sein.
     
  19. JES

    JES Gehört zum Inventar

    Meine Erfahrungen mit "offiziellen" ist, dass denen die Konsequenzen egal sind. Es ist Gesetz, es gibt Verordnungen, ev ein paar Urteile, letztlich Arbeitsanweisungen (oder wie auch immer das in Behördendeutsch heisst) und die werden umgesetzt. Das war's. Begründet wird dies, dass es so gewollt ist, dass in anderen Bereichen genauso vorgegangen wird, dass die Regelungen zum Schutz der "Arbeitnehmer" dient, zu einer gleichbehandlung führen soll.... Die lobby der berufsmusiker ist zu klein da irgendwas zu beeinflussen, und in den gremien sitzen vermutlich auch keine "Frühwarnsysteme", also hört man davon, wenn die Sache schon verabschiedet ist. Vielleicht 100.000 arbeitslose Musiker ineressiert keinen.
    M.E. gibt es für Betroffene nur die Möglichkeiten wie aufgezeigt, die Schule wird so was wie "backoffice", stellt also resourcen zur Verfügung und der Lehrer zahlt für den Service, hat den Vertrag aber direkt mit den Schülern. Damit wäre er selbstständig tätig, oder die betroffenen machen gleich komplett ihr Ding als reine Privatlehrer. Die dritte Möglichkeit sehe ich noch darin NACHWEISLICH nicht 100% an einer musikschule zu sein, sondern nur zu max 60%, den Rest privat zu unterrichten und Konzerte zu geben. Dann ist zumindest der Verdacht der Scheinselbständigkeit vom Tisch.
    Und zu @last
    Ich bin da bei dir, dass mir die Wertschätzung fehlt. Das Problem hatte ich schon immer mit "alternativen" beschäftungsmodellen, weil darin tätige selten den Festangestellten zu 100% gleichgestellt sind. Daher....
    In der Musik finde ich das richtig extrem. Für eine sportbetätigung wird geld ausgegeben, für eine musikalische nicht. Aber smartphone für 1000€, 3mal im jahr in Urlaub, dicke Auto's vor der Tür, die, selbst wenn nur geleast, doch Geld kosten, etc. Aber 5€ mehr für Musikunterricht ist ein Weltuntergang. (ich hab mal überschlagen, mein Klarinettenlehrer hätte heute inflationsbereinigt weniger als vor 40 Jahren, als ich Unterricht hatte). Ich teile übrigens die Ansicht nicht, dass sich jeder eine instrumentalausbildung an einer musikschule leisten können muss. Vielmehr sollten mal Vereine wieder stärker Jugendliche ausbilden, und wer da gut ist, für den sollte es Optionen geben. Ich weiß, das gibt jetzt kloppe,....
     
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  20. Woliko

    Woliko Strebt nach Höherem

    D.h. das Angebot der Musikschulen wird geringer. Vielleicht eine Chance für die selbständigen Musiklehrer, auf dem freien Markt für einen angemesseneren Stundenpreis die entstehende Lücke zu füllen?
     
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