Kirchentonarten verstehen

Dieses Thema im Forum "Improvisation - Harmonielehre" wurde erstellt von Dingo, 14.Juli.2024 um 16:01 Uhr.

  1. Dingo

    Dingo Nicht zu schüchtern zum Reden

    Es wird mir aber langsam etwas zu Komplex. Ich glaube, ich breche die Übung ab und bleibe bei dem was ich kann (oder nicht kann ;)).
    Man muss als Hobbymusiker ja nicht alles beherrschen, sonst wäre man ja Profi.
     
  2. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    Eigentlich(!) ist da gar nichts komplex oder kompliziert daran. Man muss sich nur im Klaren sein, was ein tonales Zentrum ist und wie es etabliert wird. Das ist der Kernpunkt dessen, was wir unter tonaler Musik verstehen. Wenn das erst einmal etabliert ist, wird vieles klarer. Intuitiv verstehen wir den Begriff ja.

    Und so sollte man auch an die Modi heran gehen:
    Ich kann nicht nach Gutdünken irgendeinen Modus mit C als Grundton über 'Im Märzen der Bauer' speielen. Verbietet einem keiner, aber klingt halt nicht schön.

    Umgekehrt sollte man aber dorisch spielen, wenn das Stück in dorisch ist. Sonst klingt's auch nicht dolle.

    Ich hatte das spätestens im zweiten Jahr Klavierunterricht. Mit Stücken zu Übung eben in diesen Modi. Um sich einfach mal reinzuhören. Das ist keine Raketenwissenschaft.

    Du kannst 'Alle jahre wieder' im Modus mixo #11 spielen. Aber Du kannst nicht erwarten, dass ein existierender Backing-Track dann passt, Du ändert die Medlodie, Du änderst die Harmonie. Für sich alleine funktioniert das. Das kannst Du mit allen Modi machen. Aber Du kannst nicht erwarten, dass die 'Peripherie' (z.B. Backingtrack) dann passt, Du änderst ja Töne.


    Also, was konkret hast Du vor?

    Grüße
    Roland

    *)
    Wenn ich 'Alle meine Entchen' auf den Tönen c, d, e, f, g, a spiele, wird D-Moll oder E-Moll nicht als 'zuhause' interpretiert als Schlussakkord.
     
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  3. Silver

    Silver Strebt nach Höherem

    Der Quartenzirkel ist nichts anderes, als der Quintenzirkel gegen den Uhrzeigersinn.

    Und dort finden sich die Kirchentonarten in der genannten Reihenfolge mit zunehmender ver-b-ung (analog G C F Bb Eb Ab Db).
     
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  4. Tröto

    Tröto Ist fast schon zuhause hier

    Danke für die Antwort, @Silver .
    Ich zitiere mal eine Textpassage aus Wikipedia, die mein Fremdeln mit dem Begriff Quartenzirkel auf den Punkt bringt.

    "Ein Quartenzirkel entsteht, wenn man statt von Quinten Quarten ausgeht, was jedoch für die Theorie keinen Unterschied zum Quintenzirkel ausmacht. Arnold Schönberg begründet dies folgendermaßen: „Geht man in der einen Richtung des Kreises (C, G, D, A usw.), so ist das der Quintenzirkel, oder wie ich lieber sage: Quintenzirkel aufwärts, weil es die über dem Ausgangspunkt sich aufbauenden Quinten sind. Geht man in der entgegengesetzten Richtung des Kreises, so erhält man C, F, B, Es usw., was manche den Quartenzirkel nennen, was aber wenig Sinn hat, denn C, G ist Quint nach oben oder Quart nach unten und C, F Quint nach unten oder Quart nach oben. Deshalb nenne ich die entgegengesetzte Richtung lieber Quintenzirkel abwärts.“
     
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  5. Sebastian

    Sebastian Ist fast schon zuhause hier

    Ganz hübsche Erläuerungen hier: https://www.hochweber.ch/theorie/modes/Kirchentonarten.htm
    Ich hab für mich mitgenommen: Ein "Zusammendenken" von Modi und Funktionsharmonik ist (meistens) nicht angzeigt.*

    Wenn überhaupt:
    "Typisch für tonikal [Arbeitsbegriff, künstlicher Gegensatz zu "modal"] sind: Dominant-Tonika-Beziehungen (also etwa G7-C) , Leittöne, Septakkorde, Umkehrungen der Akkorde, Akkordfolgen im Gegen-Uhrzeigersinn des Quintenzirkels (z.B. Am - Dm - G7 – C).
    Wenn wir modale Akkordfolgen bilden wollen, müssen wir also Septakkorde und Umkehrungen eher vermeiden und wenig Leittonwirkungen aufkommen lassen. Um z.B. g-Mixolydisch zu erhalten, genügt es nicht, mit G zu beginnen und zu enden, da unsere Hörgewohnheiten immer tendieren, uns an Dur und Moll zu orientieren."


    * Es wird einleuchtend wenn man es historisch betrachtet: Die Modi waren dazu da, um charakterliche Variationen in einstimmiger Musik mit zu ermöglichen.
     
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  6. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    Vielleicht hilft es auch einfach mal - nach der alten methode 'Gehör führt' - entsprechende Musik zu hören (Oye como va):

    https://en.wikipedia.org/wiki/Dorian_mode#Notable_compositions_in_Dorian_mode
    https://en.wikipedia.org/wiki/Phrygian_mode#Examples
    https://en.wikipedia.org/wiki/Lydian_mode#Notable_compositions_in_the_Lydian_mode
    https://en.wikipedia.org/wiki/Mixolydian_mode#Notable_music_in_Mixolydian_mode

    In meiner Zeit im Kirchenchor hatten wir auch ein Stück mit zwei Kreuzen; Preisfrage des Kantors war: Welche Tonart?
    Antwort: Fis Phrygisch. Und ja, es war vierstimmig gesetzt.

    Grüße
    Roland
     
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  7. Sax Ralf

    Sax Ralf Ist fast schon zuhause hier

    Moin, moin Dingo

    Ich glaube so wirst Du Dich verzetteln, lerne erst mal die Leitern und mach dann langsam weiter.
    So wie jetzt kriegst Du natürlich sehr viel richtiges zu hören, aber Du lernst es nicht weil es einfach zu viel auf einmal ist was Du erfährst!

    Viele Grüße Ralf
     
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  8. ppue

    ppue Experte

    Ja, leider wird oft viel zu viel und viel zu kompliziert erklärt, was die Gefahr birgt, dass es gar nicht hilft, sondern eher frustet.
     
  9. Silver

    Silver Strebt nach Höherem

    Von C nach F ist es eine Quarte aufwärts oder eine Quinte abwärts.
    Rein intuitiv würden wohl die meisten das aufwärts-Intervall zur Benennung verwenden, wenn nichts dagegen spricht: Quarte.
    Von F nach C ist es umgekehrt.

    Ich mache es mir einfach und nenne den „Quintenzirkel abwärts, also gegen den Uhrzeigersinn“ Quartenzirkel, den „Quintenzirkel aufwärts, also im Uhrzeigersinn“ Quintenzirkel … oder war es jetzt andersherum… auf? ab? Wie jetzt?

    Ja, natürlich ist die Quinte das im Wortsinn Dominante Intervall.
    Aber es ist ja in der anderen Richtung immerhin auch die Quarte zur Subdominante und nicht der „Verminderte Sexten Zirkel“.

    Ich sehe keine sinnvolle Erklärung in dem Wiki-Zitat von Arnold Schönberg, nur seine persönliche Präferenz.

    Ansonsten kann jeder, wie er/sie/es will. Ich verstehe beides.

    Das ist wie mit dem B, das hierzulande ein H ist.
    Bei mir ist ein B ein B und ein Bb ein B-flat.
    Systematisch finde ich das viel sinnvoller weil in der alphabetischen Reihenfolge und das zusätzlich Vorzeichen wird gleich mit benannt bzw. beschrieben.
    Auf Deutsch spreche ich es als „Bes“ und jeder weiß, was gemeint ist.

    In Frankreich ist es eh alles ganz anders.
    Meine Jam-Jazzer dort verstehen zur Not B-flat und kennen den Circle of Fourths sowie den Circle of Fifths.
     
  10. Rick

    Rick Experte

    Si bemol. :cool:
     
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  11. Analysis Paralysis

    Analysis Paralysis Kann einfach nicht wegbleiben

    Naja, der Quintfall ist halt eine Sache, die schon sehr oft vorkommt.
    Insoferne ist rechts die Dominante und eines weiter links die Tonika.

    Du hörst also nicht vom Erdgeschoß in den 4. Stock, sondern vom 5. Stock in's Erdgeschoß.

     
    Zuletzt bearbeitet: 15.Juli.2024 um 20:06 Uhr
  12. Analysis Paralysis

    Analysis Paralysis Kann einfach nicht wegbleiben

    Oder so ähnlich, Du weißt schon, was ich meine :)
     
    Rick gefällt das.
  13. Sax Ralf

    Sax Ralf Ist fast schon zuhause hier

    Moin, nochmal Dingo

    Hier noch mal etwas praktisches zum Thema Tonleitern das aber vom Prinzip her genauso für die Theorie dazu gilt und generell für alles was man lernen will oder auch muß!



    Viele Grüße Ralf
     
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  14. bthebob

    bthebob Strebt nach Höherem

    @Dingo
    Nicht abbrechen, die Übung !

    Statt dessen ein einfaches Keyboard zulegen und mithilfe der Tasten die Zusammenhänge
    erkunden, verstehen und, was das wichtigste ist, .... die TL's spielen, spielen und nochmals spielen.

    So schwer, wie's auf'm Papier erscheint, ist es wahrlich nicht.

    z.B. .... sind alle Dur TL's im Aufbau,
    also in der Reihenfolge der Abstände Ganzton / Halbton
    identisch.

    Das ist immer nur verschoben, weil der erste Ton jeweils ein Anderer ist.

    Und wg. Verständnis Kirchentonarten ....

    Die "erwachsen", wenn man so will, alle aus den Tönen der C-Dur.
    Und beinhalten auch die gleichen Töne.

    Beispiel:
    Beginne mit dem zweiten Ton der C-Dur, also mit -D-

    Spiele: D / E / F / G / A / B engl. / C / D / und du hast die TL: D - moll - dorisch

    Oder beginne mit dem sechsten Ton der C-Dur, also mit -A-

    Spiele: A / B engl. / C / D / E / F / G / A und du hast die TL: A -natürlich moll / aeolisch

    Ein völlig anderer Ansatz, um Tonmaterial zum Improvisieren zu erarbeiten,
    ist der von Barry Harris.

    Sich auch damit zu beschäftigen, wäre meine Empfehlung.
    Details findest du im www und hier im Forum-Archiv

    Bei Harris stehen nur die drei Skalen:

    Dur / harmonisch Moll / melodisch Moll

    im Mittelpunkt.

    VG
     
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  15. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Zur Ausgangsfrage (zu dieser Verwirrung will ich auch beitragen :)):

    Versuche, Modi und auch andere Skalen als „Farbe“ oder „Gewürz“ zu sehen. Sie werden immer zu einem Grundton (oder tonalen Zentrum) dazu gemischt, wie @Roland sxhob gesagt hat. Ist das tonale Zentrum ein anderes, heißt die Skala eigentlich auch anders.

    Du kannst NATÜRLICH erst mal ALLE erdenklichen C-Modi zu einem C-Dur oder C-Moll oder sonstigem Akkord spielen und probieren wie das klingt. Es gibt ja kein Gesetz, dass das verbietet. Oft wird das „falsch“ klingen, manchmal aber auch interessant. Dass Dur- oder Mollterz passen wollen, bietet sich in der Regel an. Und meist bleibt man bei modaler Musik länger auf einem Akkord und dann in einem Modus, sonst wird es schnell komisch für das Ohr. Bei funktionsharmonischen Stücken mit schnell wechselnden Akkorde findet man deshalb weniger diese Herangehensweise.

    Die meisten Modi haben eine „Signature“-Note, die dich das Gewürz schmecken lässt. Bei Dorisch die große Sext, bei Phrygisch die kleine Sekunde, bei Lydisch die übermäßige Quart. Die geben den Geschmack. Einfach probieren und abschmecken.

    Das mit den Stufen (Phrygisch 3. Stufe von xy etc.) dient ausschließlich der Herleitung, und das geht such anders, wie @Silver gezeigt hat.

    Zum Q-Zirkel:
    Es ist egal. Die einen hören die wichtigste Akkordbewegung unserer Musik abwärts, als Gravitation, die anderen spielen im Geiste noch mit dem Polizeiauto und hören Tatütata oder den Wechselbass der Blaskapelle und deshalb aufwärts. Ob Quintfall oder Quartsprung, entscheidend ist für mich, dass man die harmonische „Richtung“ verstanden hat.
     
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  16. Dreas

    Dreas Gehört zum Inventar

    Ich würde auch mal die Tonleitern wie von @Silver aufgelistet nachspielen. Dann hört man sehr schön wie sich die Klangfarbe ändert, obwohl der Grundton - C - immer gleich bleibt.

    Und genau darum geht es, wie @giuseppe auch schrieb.

    CzG

    Dreas
     
  17. Dingo

    Dingo Nicht zu schüchtern zum Reden

    Ja, ich glaube du hast recht. Zuerst die Leitern lernen, über die Wirkung oder Funktion erst später Gedanken machen. Und so viele Leitern sind es nicht zu lernen:
    Die Dur-Modes kenne ich ja schon: C-ionisch ist selbsterklärend, C-lydisch spiele ich F-Dur aber beginne mit C anstelle F, dasselbe mit C-mixolydisch und spiele G-Dur beginnend mit C.
    Auch bei den Moll-Modes kenne ich vieles: C-äolisch ist die Moll-Parallele (Eb-Dur beginnend mit A), C-phrygisch ist Ab-Dur beginnend mit C, C-lokrisch ist Db-Dur beginnend mit C.

    Komplett neu ist nur Dorisch mit der # am 6. Ton.

    Lustig ist jetzt, anstelle der 15-minütigen Tonleiterübungen die ich immer mache, habe ich nun Material für eine ganze Stunde pro Tonart.
     
    Zuletzt bearbeitet: 16.Juli.2024 um 10:27 Uhr
  18. Silver

    Silver Strebt nach Höherem

    Genau andersrum.
     
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  19. Silver

    Silver Strebt nach Höherem

    Und hier Eb-Dur beginnend mit C. Es ist ja C-äolisch.
    A-äolisch ist C-Dur beginnend mit A
     
    giuseppe und Rick gefällt das.
  20. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Genau deshalb sind die Herleitungen über andere Grundtöne so fragwürdig in der Praxis. Da kennt sich keine Sau aus.
    Nimm die Stufen für jeden Ton. Lydisch ist Dur mit 4#. Fertig.
     
    mato, Rick, The Z und 2 anderen gefällt das.
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