Jazz oder nicht Jazz?

Dieses Thema im Forum "Eigene (musikrelevante) Themen" wurde erstellt von Analysis Paralysis, 7.Dezember.2024.

  1. Dreas

    Dreas Gehört zum Inventar

    Das ist genau der Grund, warum ich fragte wieso und für wen es wichtig ist, ob es Jazz ist, was sie spielt.

    Ich habe mich gefragt, ob ich was mit der Musik anfangen kann oder nicht. Da ist mir das Etikett egal.

    Die Diskussion „was ist Jazz“ hatten wir hier doch schon gefühlt tausendmal. Mit identischem Ausgang.

    Dann wird das zu einer akademischen Diskussion „hochgejazzt“ mit dem Ergebnis, dass wir kurz davor waren uns die Köppe einzuschlagen.

    Genau das hatte ich befürchtet. Daher auch meine Frage:
    „Wieso ist es für wen wichtig?“

    Ich kann ja inzwischen @Silver ‘s Beweggründe nachvollziehen.

    Der ganze Knatsch wäre aber nicht nötig gewesen.

    Irgendwer hat uns wieder mal am Nasenring durch die Arena geführt.

    CzG

    Dreas
     
  2. Dreas

    Dreas Gehört zum Inventar

    Ich gehe noch einen Schritt weiter:

    - es gibt keine eineindeutige Definition für Jazz. Da sind
    wir uns doch alle einig, oder?
    - alle werden doch übereinstimmen, das Mingus oder Parker
    Jazz sind, oder?
    - an den Rändern franst es aus, wie @Roland richtig anmerkte
    - Sind Kenny G, Norah Jones, Buble, Porter, Dean Martin, Sinatra, Mini Adair, Laufey, Buble, Porter, etc, Jazz?

    Darüber kriegen wir uns regelmässig in die Haare. Mit welchem Ergebnis?

    Daher meine Frage: Wem bringt es was, außer potentiell neuen Zoff?

    Da finde ich es spannender zu diskutieren: „Mir gefällt das. Aus diesen Gründen.“ oder „Mir gefällt es nicht. Aus diesen Gründen.“

    Finde ich erbaulicher als Etiketten zu kleben.

    CzG

    Dreas

    P. S. Gut, der Unterhaltungswert ginge dann flöten….
     
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  3. ppue

    ppue Mod Experte

    Ich halte solche Diskussionen für wichtiger als die Einhelligkeit darüber, dass Charlie Parker Jazz spielt. Ich bin durchaus dafür, dass man sich darüber in die Haare kriegt, denn es geht um die Einordnung kulturellen Schaffens, um die Beurteilung künstlerischer Arbeit. Bisschen unglücklich hier die Frage nach Jazz oder nicht, weil das den Fokus zu sehr einengt.
     
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  4. Dreas

    Dreas Gehört zum Inventar

    Finde ich grundsätzlich auch gut. Wo gab es aber in der aktuellen Diskussion neue Erkenntnisse?

    O. K. braucht es vielleicht nicht. Aber doch wenigstens neue Argumente??? Oder nur frischen Fisch für die Klopperei in unserem Dorf????? :cool::D

    Na ja, wie gesagt, kommt immer wieder. Das kannst Du nicht steuern.

    In der Summe letztlich positives Fazit für mich:

    - habe ein interessantes Video kennen gelernt
    - habe eine neue Sängerin kennen gelernt
    - hatte daher gute musikalische Unterhaltung am Nachmittag
    - hatte eine forumswürdige Klopperei mit @Silver und
    @Analysis Paralysis , die dennoch kultiviert ausgetragen
    wurde
    - weiss immer noch nicht wo Jazz anfängt oder aufhört
    - weiss aber, dass das so sein muss

    Insofern bin ich bei Dir. dass sich das in die Haare kriegen gelohnt hat.

    CzG

    Dreas
     
  5. ilikestitt

    ilikestitt Strebt nach Höherem

    Darf ich fragen worauf du dich beziehst?
    Du hast Thesen und Definitionen in den Raum geworfen und ich habe dir darauf geantworte wie ich es sehe und gelernt habe und aus meinem Musikumfeld kenne. Wenn ich Kontext ausgelassen habe, dann bring bitte den Kontext, denn ich weiss nicht wovon du redest. Du hast Definitionen über Jazz in den Raum gestellt und davon daß bestimmte Musiker über Latin Titel swingen. Darauf habe ich geantworte was ich darüber denke. Wenn du dich missverstanden fühlst, erklär mir wo und warum, damit wir das Missverständnis aus dem Weg räumen können.
    Mir deswegen dann beleidigt unterstellen zu wollen ich hätte nur die Hälfte gelesen oder nur auf die Hälfte mich bezogen empfinde ich schon als sehr dicken Belag auf sehr dünnem Brot.
    Wenn du über ein Thema eine Disskusion willst, gerne aber dann musst du auch Kontra aushalten und entweder bessere Argumente liefern oder wenn du dich falsch verstanden fühlst dich besser erklären, damit man versteht was du anders meinst.
    Vergiss nicht daß ist hier alles Schriftform, ich kann deine Gedanken und wie du etwas meinst nicht wissen. Ich kann nur reagieren auf das was du geschrieben hast und das habe ich getan.
    Daraus dann schon wieder halbe Unterstellungen zu bauen empfinde ich als unbrauchbar und fragwürdig in einer Diskussion. Überzeug mich mit Argumenten oder suche nicht die Diskussion.
     
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  6. ilikestitt

    ilikestitt Strebt nach Höherem

    Das hat sie, vielleicht nicht mit einem Ergebnis, das einigen von uns gefallen und ansprechen würde aber Neely sagt es selber worauf sie sich bezieht und womit sie sich auseinandergesetzt hat. Es ist da eher die Frage, ob man diese Art mag oder nicht, gar so sehr ob da alle Elemente drin sind, daß wir es ganz hundertprozentig als Jazz bezeichnen können oder eher wollen.

    Ich kann das schon lange nicht mehr hören: Der Jazz ist tot. Der Jazz muss gerettet werden. Das ist alles für mich Marketing Bla Bla oder einfach nur Bla Bla. Keine einzelne Person kann Jazz retten und was ist der Jazz.
    Wenn ich an meinen einen Zuhörer denke, war für den nicht mal Gershwin oder Cole Porter Jazz, war ja kein Dixie.
    Jazz ist als Musikstil einfach zu breit gefächert als daß sich leicht eintüten lässt was es ist und was nicht. Das ist aber nicht nur im Jazz so. Viele Musiker greifen so viele Ding in ihrer Musik auf und vermischen es oder wechseln je nach Song, das macht es schwierig mit Schubladen zu kommen.
     
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  7. ilikestitt

    ilikestitt Strebt nach Höherem

    Durch sie selbst würde das nur passieren wenn sie auf Konzerten ihre Heroes erwähnen würde und den Leuten sagen würde, sie sollten auch in diese Musik mal reinhören. Aber für mich als Lehrer ist es ein Einstieg über den ich eine Brücke zu anderer Musik hin nutzen kann um Schüler an andere Musik ranzuführen (Parker gleich direkt ist manchmal etwas hart), nach der Variante, wenn du das toll findest dann höre doch auch mal in folgendes rein.....
     
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  8. ilikestitt

    ilikestitt Strebt nach Höherem

    Sorry aber der Artikel von Wikipedia ist für mich im Bereich Musikwissenschaft komplett verordnet und ich bezweifel daß die Mehrheit die das liest auch nur annähernd versteht was gemeint ist. Ich bin mir nicht mal sicher ob dem Autor bei Wikipedia klar ist was er da schreibt und zitiert, geschweige denn der Mehrheit der professionellen Musiker.


    Was verstehst du unter läuft gleichmässig durch? Nur damit es nicht wieder heisst ich lasse Dinge aus.

    Wenn du bewusst bei Swing die Offbeatachtel betonst, kommt dabei meist Mist raus, der weder groovt, noch swingt, weil es sehr oft zu einer Überbetonung des Offbeats führt (was meist sehr zickig und eher nach punktierter Achtel und Sechzehntel klingt). Das ist ein typischer Anfängerfehler warum Achtelketten nicht swingen.

    Es gibt drei Dinge die auf den Swingfaktor Einfluss nehmen: Rhythmus (Verhältnis Downbeat zu Offbeat), Artikulation, und Dynamik. Diese Faktoren werden zusätzlich durch das Tempo beeinflusst. Ich selber swinge anders, je nachdem, ob ich alle Noten stosse oder staccato oder Offbeatphrasierung (Offbeatartikulation wäre richtiger als Name) mache und in welchem Tempo ich unterwegs bin. Gerade diese Änderung des Swingfaktors bei schnelleren Tempi macht Vielen anfangs zu schaffen.

    Und das ist praktisch einfach in meinen Augen Unsinn, denn natürlich wird der Spieler den Downbeat länger und den Offbeat kürzer spielen und es nicht nur über Betonungen machen, weil es sonst nicht swingt. Du kannst gerade Achtel spielen und den Offbeat betonen und es klingt anders, als wenn du "Swingachtel" spielst und den Offbeat betonst (oder nicht betonst). Wenn du gerade Achtel spielst und den Offbeat betonst wird dadurch aus den geraden Achtel immer noch kein Swing, sondern nur gerade Achtel mit Offbeatbetonung. Das lässt sich leicht bei einem schön langsamen Tempo von 70 oder 80 BpM auschecken. Es würde sich sogar messen lassen.

    Wer sagt denn daß Jazz immer auf 2 und 4 betont wird?
    Unser Dekan Jiggs Wigham hat immer gesagt es ist vollkommen egal ob 1 und 3 oder 2 und 4, nur swingen muss es.
     
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  9. ilikestitt

    ilikestitt Strebt nach Höherem

    Nein wollte ich nicht. Ich wollte deine Begründung warum du es beliebig findest.



    Nur orientiert sich nicht jeder Sänger an den Bespielen an Sängerinnen die du nennst. Andere Menschen haben andere vorlieben. Hier geht es eher in eine Richtung wie Chet Baker wie ich finde.

    Das andere grosse Musiker auch gemacht, warum sollte es hier ein Problem sein und deswegen belanglos sein, wenn sie sich da bei verschiedenen Stilen bedient, und bei anderen Musikern ist es ok? Darf man als Musiker nur einen Stil spielen und in diesem schreiben, um authentisch zu wirken und eine Verbindung zur Tradition zu haben?
    Mir ist das zu dünn. Ich möchte mich da über einen Musiker, den ich persönlich nicht kenne und nichts weiss über seinen Weg und Werdegang und seine Gedankengänge so äussern.
     
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  10. JES

    JES Gehört zum Inventar

    "Die fünf wichtigsten Merkmale des Jazz
    Improvisation
    Rhythmik und Groove
    Außergewöhnliche Harmonien (zum Beispiel Septakkorde)
    Große Bandbreite an verschiedenen Instrumentierungen (von Latin bis Big Band)
    Keine klaren Regeln: Hoher Wert von musikalischer Vielfalt.....

    Jazz wird oft als Musik des Augenblicks bezeichnet, da die Musikerinnen und Musiker häufig von den Noten abweichen und spielen, was sie im Moment fühlen. "

    https://www.klassikradio.de/themen/ganz-viel-groove-und-geschichte-jazz-genre/

    Das sind jetzt nicht ganz die Kriterien, die @Silver für sich benannt hat. Gerade die Interaktion mit den anderen Mitspielern wäre mir als Kriterium sehr wichtig. Umgekehrt, wenn der swing zum jazz gezählt wird, wird das mit freier Improvisation etwas kritisch.

    Aber grundsätzlich ist mir das Genre egal. Würde ich im vorfeld filtern, so nach dem Motto "pop ist sch..., höre ich mir nicht an" wäre mir im Nachhinein sehr viel entgangen. Früher mochte ich latinkram nicht, heute bin ich fast süchtig danach, weil mich das Spiel mit Rhythmus und Melodie fasziniert...
     
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  11. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Habe statt Neely gerade Laufeys Misty angehört. Und fühle mich in meinem vorschnellen Urteil über Neelys Kritik bestätigt. Sie spielt mit der Time wie es viele nicht hinbekommen, die variiert die Melodie und das Stimmvolumen thematisch (Violins, Your Hello, Following you etc.), nur „hopelessly lost“ ist sie in der Nummer nicht. Und es swingt oder groovt.

    Die etwas moderne Kompression der Stimme erzeugt eine Intimität, die die alten zitierten Divas nicht zur Verfügung hatten. Insgesamt eine gelungene, „amtliche“ Aufnahme des strapazierten Klassikers. Und auch bei diesem Stück würde ich sagen, das ist Jazz, gesungen von einer nicht so schlechten Jazz-Sängerin.

    Geh jetzt etwas Pop hören. ;)
     
  12. visir

    visir Gehört zum Inventar

    Wenn ich überlege, was meine erste Sax-Lehrerin - damals frische Uni-Absolventin - unter zeitgemäßem Jazz verstand, den sie selbst spielte... sprich: zu der Zeit hatte ich zumindest eine Wahrnehmung über "aktuellen" Jazz, und damit auch, dass Jazz natürlich weiter existiert und auch erweitert wird (die "älteren" Strömungen sterben deshalb ja nicht zwangsläufig).

    Hat aber alles nichts mit den Musikvideos im Eingang zu tun, das ist Bossa Nova.
     
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  13. Analysis Paralysis

    Analysis Paralysis Ist fast schon zuhause hier

    Das ist Dein Befinden.
    Weder habe ich Dich beleidigt noch bin ich sonstwie unfreundlich geworden.
    @Silver :
    Ich habe die "Fearless" schon vor Deinem Erwähnen gehört (sind wir beide Qobuz-Kunden?)
    Ich hatte Schwierigkeiten zu verstehen, was er da mit der Klarinette macht :)
    Und ich vertrage einiges:

     
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  14. altoSaxo

    altoSaxo Ist fast schon zuhause hier

    Bei den
    Kann man nicht sagen, dass Bossa Nova bereits von Jazz beeinflusst ist, etwa in der Harmonik, und Jazz wiederum vom Bossa Nova beeinflusst wurde und Bossa Nova letztendlich ein Bestandteil sowohl von Jazz als auch des Pop wurde? Jazzmusiker spielten Bossa Nova tunes und komponierten Jazz Songs mit Bossa Nova Rhythmus. Was ich damit sagen will: die Stilarten haben eine Verbindung und mindestens eine Schnittmenge, wo sie sich nicht mehr eindeutig trennen lassen. Bossa Nova ist auch ein Teil der Jazz Tradition.
     
  15. Claus

    Claus Mod Emeritus

    Ich habe eher das Gefühl, dass uns das zwanghafte Einordnen künstlerischer Arbeit in bestimmte Kategorien einen unvoreingenommenen Blick verstellt. Es ist zwar verständlich, dass man gerne eine Referenz, eine Art Messlatte haben möchte, die helfen soll, das zu analysieren und für uns selber zu sortieren. Aber - ich formuliere das jetzt mal als These - vielleicht führt eine ausgeprägte musikalische Vorbildung manchmal auch zu einem Verlust der Fähigkeit, sich ganz unbelastet auf etwas einzulassen.
     
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  16. Dreas

    Dreas Gehört zum Inventar

    Habe ich auch nirgends behauptet.

    CzG

    Dreas
     
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  17. cwegy

    cwegy Ist fast schon zuhause hier

    Hier ist die Entstehung des Bossa Nova schön humorvoll erklärt...



    Und nicht nur zuviel Zupfen kann in die Psychiatrie führen ;)
     
  18. visir

    visir Gehört zum Inventar

    Sagen kann man alles... man kann auch sagen, dass Mahler Maler war, und Picasso Inkasso... :rolleyes:
    Aber Bossa Nova ist weder Jazz noch Pop, sondern Latin, so wie auch Salsa, der ebenfalls vom Jazz beeinflusst ist, aber deshalb nicht zu Jazz wird.

    Jazzmusiker verwenden Stücke verschiedenster Stilrichtungen, deshalb sind jene Stilrichtungen nicht automatisch dem Jazz zuzurechnen.

    Ich hoffe, ich habe später Zeit, mir das anzusehen... und denk dann noch dran...
     
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  19. Dreas

    Dreas Gehört zum Inventar

    „Dennoch wurde Bossa Nova sowohl in den verwendeten Harmonien als auch in der Instrumentierung der Lieder vom Jazz beeinflusst, und heute gelten viele Bossa Nova-Lieder als Jazzstandards“

    Dem Jazz verwandt, würde ich sagen.

    CzG

    Dreas
     
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  20. ppue

    ppue Mod Experte

    Chat Baker ist für mich ein herausragender Sänger. Kenne keinen, der mit mehr Einfühlsamkeit, Weiblichkeit und Liebe singt. Das ist sein Alleinstellungsmerkmale. Die Unverkennbarkeit eines Künstlers, seine Handschrift, ist für mich mitentscheidendes Kriterium.

    Auch bei anderen Künstlern finde ich das fragwürdig, wenn sie sich allzu vieler Traditionen bedienen.

    Es ist ein wenig meine eigene Problematik. Ich bin gutbürgerlich in einem recht musikalischen Haus aufgewachsen und habe über die klassische Blockflötenausbildung hin zu den Schnabelinstrumenten gefunden. Im Unterricht und auch zu Hause wurde Klassik gespielt, die älteren Brüder (es gab da so einige) hörten Jazz, Rock oder Pop.

    Gespielt habe ich alles, bis hin zur Rockblockflöte. Ian Anderson war z.B. mein Ding und in die Rockbands, die ich liebte, hatten alle eine Orgel in der Besetzung. Zur Mischung Klassik und Rock kam der Dixieland (Revival, Chris Barber, Monty Sunshine etc.), dann die Liebe zum New Orleans Jazz, Billie Holiday und ein starkes Interesse für neue Musik und Free Jazz.
    Das Einzige, was mir verschlossen blieb, war Bebop. Obwohl ich Charlie Parker und Thelonious Monk rauf und runter hörte, war das der einzige Stil, den ich nicht "beherrschte". Auch den aber habe ich mir dann recht und schlecht angeeignet.

    So ausgestattet, leidete ich tatsächlich aufgrund der musikalischen Vielfalt an Traditionslosigkeit. Ich fragte mich nach meinen Roots, die ich bei so vielen Musikern sofort heraushören konnte. Ich konnte Händel improvisieren und Jazz analysieren und jetzt springe ich mal eben zu Claus, der schrieb:

    Ganz richtig: Man verliert die Unschuld gegenüber der Musik. Wenn du jedes Instrument heraushören kannst, wenn du die Akkordstruktur sogleich vor Ohren hast und den Klang einer Stimme oder eines Instruments, gleich einer Fourier-Analyse, einordnen kannst, dann zerfällt Musik in ihre Einzelteile. Die muss man später wieder aufsammeln und zusammenführen. So wie früher aber wird es nie mehr sein.

    Die Krux des Musikkritikers ist die, dass er analytisch hören können muss und dennoch die Gesamtheit beurteilen soll.

    Früher hatte ich alle Platten der Freunde und die Titel aus dem Radio auf Tonband, sparsamer Weise auf 4,75 cm/sec aufgenommen. Dazu auf Shamrock-Bändern, also den billigsten vom Billigen. Die Musik muschelte da kuschelig aus den selbstgebauten Boxen, alles ware ein wohliges Eins. Später, als ich mir die entsprechenden CDs gegönnt habe (und ich schon musikalisch eingebildet war) fielen die Songs auseinander wie zerstoßener Mürbeteig.

    Aber zurück zur Traditionslosigkeit. Ich habe erst in fortgeschrittenen Alter herausgefunden, dass ich in dem unrhythmischsten Teil des Erdballs aufgewachsen war. Tatsächlich habe ich lange an Rhythmusstudien gearbeitet, um dieses Manko aufzuholen. In meiner Heimat ist der Karnevalstusch so etwa das Rhythmischste, was hier je gespielt wurde. Die vielen Chöre, die ich hier erst spät entdeckte, wurden schon nervös, wenn da Achtel in ihren Noten auftauchten. Was sie aber traditionell mitbrachten, war die Harmonie, die ich, erst spät entdeckt, als außerordentlich starke, musikalische Wurzel in mir trage.

    Mit Laufey verbindet mich das: Gutbürgerliches Milieu, beste musikalische Ausbildung und fit in allen möglichen musikalischen Traditionen, aber fehlende eigene Roots. Ich bin also sozusagen Spezialist in der kritischen Auseinandersetzung mit Laufeys künstlerischem Schaffen.

    So viel zum Thema: Kritisiere nicht, was du nicht selber kannst (-;

    Das ehrt dich. Selbst aber, wenn mein Urteil oberflächlich sein sollte und vielleicht sogar gar nicht stimmt, ist die Auseinandersetzung darüber vielleicht wertvoll. Mir geht es weniger um das Rechthaben, als um die Auseinandersetzung mit dem Thema.
     
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