Jazz oder nicht Jazz?

Dieses Thema im Forum "Eigene (musikrelevante) Themen" wurde erstellt von Analysis Paralysis, 7.Dezember.2024.

  1. ppue

    ppue Mod Experte

    Ja, aber ganz andere als Davis oder Trumbacher. Von daher könnte ich keine Gemeinsamkeiten in der Phrasierung von Jazzern aus verschiedenen Epochen benennen. Darum ging es ja. Phrasieren tut auch Glenn Gould ganz eigen.

    Zur Weltmusik schreibe ich morgen noch.
     
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  2. jimi

    jimi Ist fast schon zuhause hier

    Um noch etwas in die Runde zu werfen:

    Ich verstehe das ganze Gerede über den afrikanischen Einfluss nicht.

    Bobby wurde 1936 in den Gorbals in Glasgow, Schottland, geboren, einem armen Viertel in Glasgow.

    RIP Bobby


    Bobby wellins


     
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  3. ilikestitt

    ilikestitt Strebt nach Höherem

    So, jetzt habe ich Zeit dir zu antworten.
    Erstmal danke fürs Erläutern deiner Definition von Phrasierung, die sich mit der von Wiki deckt. So wie du es beschrieben hast in Bezug aufs Solo müsste noch Time dazukommen, eventuell sogar Klangfarbe.

    Ich persönlich wollte es gerne von Dir hören wie du da rangehst, denn ich halte die Idee für schwierig bis nicht durchführbar. Zum einen sehe ich es wie ppue, jeder Musiker phrasiert etwas anders und es gibt da wenig Regeln was man wann wie zu tun hat bei welchem Stil was auch gut ist, sonst würde alles gleich klingen.
    Gerade bei der Artikulation wird das deutlich. Zum einen gibt es über weite Strecken in den unterschiedlichen Musikstilen Artikulationen die bei allen Stilen üblich sind, zum anderen sind diese auch stark vom einzelnen Musiker abhängig, manche nutzen die Zunge mehr als andere. Klar kann man argumentieren daß man bei Latin etwas mehr Staccato vielleicht einsetzt aber das hängt ganz stark von der Melodie ab, die gespielt wird.
    Ich kann dir die gleiche Melodie zu unterschiedlichen Stilen spielen und sie wird sich in punkto Rhythmus, Time, Dynamik und Artikulation da nicht gross unterscheiden (wenn wir Stile nehmen, die alle von den Achteln gerade sind). Häufig ist die Melodie entscheindend dafür wie du mit ihr umgehst und nicht der Stil.
    Um es ganz simpel zu machen: Wenn ich eine G Dur Tonleiter in Rock, Funk und Latin spiele von G bis G, ändert sich die Begleitung aber man würde gerade Achtel, die Artikulation deiner Wahl (die wäre bei mir bei allen drei Versionen gleich), die gleiche Time und die gleiche Lautstärkeentwicklung durchführen. Du würdest es jetzt nicht anders spielen, nur weil die Begleitung sich ändert. Es sind aber andere Stile. Was hat sich geändert? Das was die Begleitung macht. Es gibt ein paar übliche Normen für typische Artikulationen aber die sind eigentlich fast nie wirklich festgelegt durch den Stil. Ausnahme ist hier für mich die Klassik, da ich hier Artikulationen, die ich im Bereich Jazz, Latin und Pop mache eher nicht mache, das ist aber die Ausnahme. Bei einer reinen Achtelkette wäre für mich zwischen Latin, Pop und Jazz der Unterschied, daß ich bei Jazz swinge und bei den anderen Stilen nicht (ausser beim Pop wenn es ein Shuffle wäre). Der entscheidende Unterschied ist manchmal was rhythmisch üblich ist bei bestimmten Stilen, wie z.B. wir bei bestimmten Latinstilen öfters mehr Melodien haben in denen sehr viele Offbeatrhythmen vorkommen.

    Kommen wir zu Time after Time. Die Begleitung des Titels hat für mich eigentlich eher wenig was ich mit Jazz verbinde. Nimm die Trompete weg und der Titel ist klar ein Poptitel bei dem was die Begleitung macht.
    Der freie Umgang mit Time ist kein Ding was jazztypisch ist, egal wie oft es wiederholt wird. Nimm eine Dixielandcombo, eine Swingband, eine Big Band mit Jazztiteln oder eine Bebop Band, hier hast du meist keine Freiheiten die Time zu gestalten sondern du musst die Time halten. Ausnahmen sind hier Cadenzaparts. Alle diese Stile sind aber Jazz und trotzdem würde man da nicht tun was Miles bei der Aufnahme in punkto Timing macht. Ob man laid back oder in time oder davor spielt hängt einerseits vom Musiker und seinen Fertigkeiten ab und auch vom Song. Gerade bei langsamen Jazztiteln spielen Viele gerne laid back, was aber bei schnelleren Tempi meist gar nicht gut klingt. Noch schlimmer wird es wenn du Musiker hast, die zu stark in unterschiedliche Richtungen gehen, da kannst du gerade in punkto Rhythmusgruppe eine Mischung bekommen, die dann oft nicht funktioniert. Aber das gleich gilt auch für Rock und Latin etc.
    Wir sehen frei in punkto time spielen ist nicht automatisch etwas was uns Rückschlüsse über den Stil gibt, da er eben nicht dauernd benutzt wird sondern eher in Ausnahmefällen.
    Vibrato ist gar kein Thema beim Jazz, da nicht alle Musiker das gleiche Vibrato machen, wenn überhaupt und wann und an welchen Stellen. Ein Johnny Hodges und Ben Webster im Vergleich zu einem Coltrane oder Cannonball sind da komplett anders in der Gestaltung. Die benutzen Vibrato ganz anders und auch bei vielen Pop- und Smoothjazzsaxophonisten findest du Vibrato, genauso wie im Latin oder auch in der Klassik. Es ist also kein Alleinstellungsmerkmal vom Jazz.
    Dynamik und Betonungen, da wüsste ich auch nicht was da jazztypisch sein soll, beides ist wieder spielerabhängig und wird meist in Bezug auf den Verlauf einer melodischen Phrase ausgerichtet. Du wirst die gleiche musikalische Phrase nicht dynamisch anders gestalten, ob du sie im Latin oder im Jazz spielst. Wenn du mit Betonungen die 2 und 4 meinst, die kommt erst recht beim Themaspieler und Solisten weniger zum Tragen als z.B. beim Drummer. Bassisten spielen im Jazz sogar gerne Halftime und spielen dann Halbe auf die 1 und die 3, also genau das Gegenteil. Würden alle die 2 und die 4 stark betonen wären wir auch eher bei etwas was wie Reggae klingt.
    Die Bindung der Töne ist instrumentenabhängig. Pianisten, Gitarristen etc. können das nicht so machen wie Bläser, trotzdem spielen sie Jazz. Wie ist das dann aber möglich? Und die Variabilität vom Sound von Miles ist bei der Aufnahme nicht grösser als von so manchem Popsaxophonisten und um ehrlich zu sein ich finde das gar nicht besonders variabel was er da mit Dämpfer abliefert. Bei vielen seiner Songs, die er früher in jüngerem Alter gespielt hat hätte er so nicht drüber spielen können, es ist schon diese Popbegleitung, die ihm die Möglichkeit gibt mit der Time zu spielen. Und auch unsaubere Ansprache sind kein Element was man mit Jazz verbindet.

    Ich habe an der Uni Jazz- und Popularmusik studiert (Hauptfach Sax) und da wurde nie in irgendeinem Punkt diese Dinge die du es auflistest als jazzspezifisch gelehrt. Und in all den Jahren wo ich schon spiele entsprechen diese auch nicht der Praxis.

    Was wir hier haben ist eine Popbegleitung über die Miles jazzig improvisiert. Und was macht es zum Jazz? Das was er spielt, die Wahl der Noten und wie er mit diesen Melodien bildet.
     
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  4. bthebob

    bthebob Strebt nach Höherem

    Die Beispiele in post #257 zeigen. (mir jedenfalls) ....

    Eine Melodie (egal, aus welcher Ecke sie stammt) gewinnt nicht automatisch an Ausdruckskraft,
    nur weil sie "jazzig" interpretiert wird.

    "The winner is" ...
    Die Fassung von -Concerto de Aranjuez- im Film

    "Brassed off"
    Eng. 1996

    VG
     
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  5. altoSaxo

    altoSaxo Ist fast schon zuhause hier

    @ilikestitt
    Vielen Dank für deine ausführliche Stellungnahme.

    Zur Definition Phrasierung in Wiki: da steht u. a. „Gestaltung der Töne“ und „Rhythmik“. Da hatte ich meine Punkte zum Sound und zur Time gedanklich darunter eingeordnet, das aber nur Vollständigkeit.

    Was die Time angeht: du sprachst z. B. von Laid Back. Das gehört für mich auch zur Time, ich würde es genauer gesagt im Bereich Microtiming einordnen. Mit freiem Umgang mit der Time meinte ich aber insbesondere die Vorgehensweise, Melodien rhythmisch z. B. um 8tel oder beliebige andere Notenwerte zu verschieben.

    Betonungen: ich finde, die sind im Jazz oft prägnanter. Ein Lehrer von mir beschrieb das mal so, dass ein Solo im Swing so betont wird, wie ein Amerikaner spricht. In anderen Stilen laufen 8tel-Ketten in der Regel gleichmäßiger.

    Du hast Recht damit, dass fast alles auch in anderen Stilen zu finden ist und jeder Jazzmusiker auch individuell phrasiert. Mein Punkt war aber der, dass die von mir beschriebenen Parameter in der Zusammensetzung und Intensität vorwiegend im Jazz anzutreffen sind.

    Ich habe auch nicht gesagt, dass die Phrasierung losgelöst hinreichend geeignet ist, etwas klar dem Jazz zuordnen zu können oder vom Jazz abgrenzen zu können. Mein Punkt ist, dass ich die Phrasierung allgemein als das wichtigste Kriterium bei einer Einordnung in Jazz oder nicht Jazz. betrachte.

    Wenn ich den von mir genannten Ausschnitt von Miles transkribieren würde, dabei Anweisungen zu Artikulation und Dynamik weglassen würde und einen Trompeter einer Volksmusikkapelle bitten würde, es zu spielen, wird es sich nach meiner Erwartung nicht mehr nach Jazz anhören, obwohl die von dir genannten Kriterien, also die Wahl der Noten und wie mit diesen Melodien gebildet werden, erhalten blieben und die Melodien rhythmisch dieselben Notenwerte behalten würde. Denn dieser Trompeter würde so phrasieren, wie er es bei Volksmusik macht.

    Ich beanspruche aber nicht, dass meine Sichtweise zutrifft oder gar die einzig richtige wäre. Dafür ist Jazz zu vielfältig und viel zu oft in Verbindung mit allen möglichen anderen Musikstilen. Es kann auch sein, dass die Melodik entscheidender für die Einordnung ist als die Phrasierung und ich das nur nicht erkenne.

    Schöne Grüße von jemandem, der sich immer wieder mal in zu vielen Stilen und mit viel zu vielen Instrumenten verzettelt. :)
     
  6. ilikestitt

    ilikestitt Strebt nach Höherem

    Ich sehe die Sache anders, wie ich dargelegt habe. Deswegen sehe ich da keinen Sinn darin es zu machen.
    Ich finde aber daß altosax trotzdem sehr gut in den Song reingehört hat und ihm viele Dinge aufgefallen sind, die so manch anderer Person entgangen wäre. Und für Streit gibt es keinen Grund.
     
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  7. ilikestitt

    ilikestitt Strebt nach Höherem

    Man sollte zwischen Time und Rhythmik deutlich trennen. Rhythmus meint was du rhythmisch machst. Time wie du es zeitlich quantisierst wie halt z.B. laid back oder genau in time. Es sind verschiedene Dinge. Du kannst einen Rhythmus mit unterschiedlicher Time bzw. Microtiming spielen.
    Das findest du teilweise aber auch in Popmusik, wenn du dir mal verschiedene Coverversionen anhörst und die Songs plötzlich ganz anders klingen auch da wird mit Notenwerten gerne gearbeitet. Aber es stimmt das Verändern von bestehenden Themen ist sehr jazztypisch, keiner mag Autumn Leaves so spielen wie es im ursprünglichen Chanson rhythmisch eigentlich ist. Nur wenn du plötzlich 2 Bläser hast, die das Thema spielen geht das spontan nicht mehr und es muss arrangiert werden.

    Mit dem Vergleich kann ich leider wenig anfangen, weil mir dann nicht klar ist wie ein Amrikaner spricht. Betonungen von Noten richten sich meist nach dem Aufbau der Melodie und wie sich diese bewegt. Veränderst du die Betonungen ändert sich der Song. Das sind Techniken, die wir auch in der Klassik kennen um Stücke anders klingen zu lassen. Aber nicht jeder Spieler betont gleich und nimmt eine Melodie genau identisch war. Manchmal wird auch absichtlich so arrangiert um übliche Betonung zu verändern.

    Und ich sehe das eindeutig anders. Die Phrasierung allein sagt dir nichts darüber ob Jemand Jazzer ist oder nicht, was er spielt, welche Noten er wählt schon. Wie ich sagte du spielst oft die gleichen Noten in unterschiedlichen Stilen in vielen Punkten nicht so anders, trotzdem ist es ein anderer Stil. Sonst müsstest du eine gespielte G Durtonleiter ganz klar durch die Parameter einem bestimmten Stil zuordnen können und das ist nicht möglich, denn selbst wenn die Achtel als swing gespielt werden, könnte es immer noch ein Rockshuffle sein. Ich habe in meinem Leben schon so viel unterschiedlichen Kram gespielt und ich würde so eine Aussage wegen Zusammensetzung und Intensität der Parameter in punkto Jazz nicht unterschreiben wollen. Man sollte nicht unterschätzen was auch in anderer Musik passiert und oft hängt es stark vom Spieler ab was die wie viel machen.

    Es dürfte erstmal schwer sein das zu notieren mit der ganzen Microtime die Miles da macht, sich das zu erarbeiten würde schon lange dauern und lässt sich kaum notieren. Aber auch die anderen Dinge wie Artikulation lassen sich selten notieren und werden meist bei Soli nicht notiert, weil man es oft schlecht hört. Selbst als Jazzer schaffst du es meist nicht eine Transkription wirklich eins zu eins in allen Parametern wie beim Original klingen zu lassen. Insofern ist die Aufgabe sinnlos und sagt nichts aus. Er spielt was er da empfindet in dem Moment und deswegen wirst du das auch nicht einfach kopieren können egal woher du kommst. Und klar wenn du nur eine Art zu artikulieren gelernt hast und nicht bei den Parametern sehr flexibel bist, dann wird es schwer sowas von Jemand anderem zu übernehmen.

    Die Melodik in Verbindung mit Rhythmik ist schon ein sehr wichtiger Faktor, der extrem prägend ist. Die Phrasierung setzt sich dann nur noch drauf. Aber das schöne ist ja daß im Jazz Spieler bei den gleichen Songs anders kllingen gerade weil sie anders phrasieren, sonst hätten wir gar nicht diese tolle Auswahl an spannenden Musikern zum anhören. Ich sehe es ja auch in Bands, wie spiele ich das Thema und wie spielt es eigentlich der Kollege und da sind manchmal Welten zwischen und das macht Musik so spannend.

    Und das Verzetteln, siehe es nicht als verzetteln sondern als das Sammeln von Möglichkeiten von Neuem. Ich habe, wie ich schon sagte so viele unterschiedliche Stile gespielt und gelernt und es nie bereut, im Gegenteil und ich habe von jedem Instrument was gelerent und auch bei mir stehen extrem viele Instrumente rum, die ich mal im Leben irgendwann gelernt und gespielt habe oder als nächstes anfangen will. Solange du Spaß hast ist doch alles gut. Schönen Gruß und du hast echt super gut rausgehört was da Miles so macht, andere hören gar nicht so tief in eine Aufnahme rein und verpassen dabei so viel, fand ich richtig gut.[/quote][/quote]
     
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  8. ppue

    ppue Mod Experte

    Im Jazz wird sich zu jedem Parameter Phrasierung, Mikrotiming, Swingbehandlung, Vibrato und, und, und, ein Gegenbeispiel finden lassen von jemanden, der es völlig anders spielt. Das Finden von musikalischen Kriterien, die allen Jazzmusikern gemein sind, scheint mir unmöglich.

    Und dennoch hört man einen Klassiker sofort raus.

    Ich denke, man kann es andersherum definieren, indem man sagt, es gibt viele Parameter, die darauf schließen lassen, dass es sich um Jazzmusik handelt. Je mehr dieser Kriterien man findet, desto sicherer kann man sein, dass es Jazz ist.

    Individuelle Tongestaltung
    Swing
    Walking Bass
    Off Beat
    Soli
    Tritonussubstitute
    Bluesform
    AABA-Form
    Kollektivimprovisation
    Instrumentierung
    Combobesetzung
    Bigband
    Synkopierung
    Laid Back
    ...
    und so weiter.

    Tausend weitere Sachen geben darüber Auskunft, ob eine Musik dem Jazz zugeordnet werden kann. Jedes einzelne Kriterium für sich aber macht noch keinen Jazz.
     
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  9. altoSaxo

    altoSaxo Ist fast schon zuhause hier

    @ilikestitt
    Nochmals vielen Dank, dass du so detailliert und überzeugend auf meinen Post eingegangen bist!
     
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  10. ppue

    ppue Mod Experte

    Na, eigentlich würde es reichen, wenn man registriert, dass sich afrikanische Musik in den USA zu einer eigenständigen Musikform entwickelte. Immerhin sind da schon mal zwei Kontinente, deren Traditionen sich da vermischen. Dann kommt die europäische Komponente dazu. Die abendländische Musikauffassung haben die Eroberer der neuen Welt ja mitgebracht und somit ist schon ein dritter Kontinent im Spiel.

    Dann geht es in die Details: Woraus ist Jazz entstanden? So ganz wird man das nicht auseinanderbekommen.

    Großen Einfluss hatten die Minstrelshows, die Ende des 19. Jahrhunderts in den USA das Volk belustigten. So malten sich die Weißen ihre Gesichter schwarz an und machten sich über das Gebaren schwarzer Sklaven lustig. Ihr Gang, ihr Aussehen und auch ihre Musik wurden verhohnepiepelt.

    Nach und nach drangen auch Schwarze in das Geschäft ein, malten, was für ein Hohn, ihre Gesichter schwarz und wirkten an den Shows mit. Ein Minstrel-Song von Daniel Decatur Emmett (1815-1904) heißt bezeichnenderweise "I wish I was in Dixie Land", wobei Dixie Land für die Südstaaten steht.

    Weitere Wurzeln des Jazz:

    Die Militärmusik während des Bürgerkrieges, stark abendländisch geprägt (marching bands).
    Im Spiritual finden sich englische, schottische, irische, afrikanische und kreolische Wurzeln (kommt der Swing hierher?)
    Ragtime, „Amerikas klassische Musik“, heutzutage nur als Pianomusik verstanden, wurde auf dem Banjo sowie in klein- und mittelformatigen Ensembleformationen gespielt (hier kommen die Synkopen her).
    Field songs der Baumwollpflücker
    Blues (blue Notes)

    In New Orleans haben die Kreolen eine bedeutende Rolle bei der Erfindung des Jazz gespielt.

    Ich kenne keinen Musikstil, der zu dieser Zeit noch mehr Kulturen in sich vereint hat. Deshalb "erste Weltmusik".
     
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  11. Silver

    Silver Strebt nach Höherem

    Da wir alle nicht dabei waren, kommt es sehr darauf an, wen man fragt und wie man dadurch auf die Dinge blickt.

    Ich habe in letzter Zeit einige Biografien und ein paar Bücher über soziokulturelle Aspekte von Jazz gelesen, die alle eine ziemlich gerade Linie von den kollektiv geschlagenen afrikanischen Trommeln der Sklaven über deren Möglichkeiten, sich eben genau nicht in Form der westlichen Herren musikalisch ausdrücken zu dürfen zu New Orleans und den daraus sich entwickelnden Stilen unter dem sehr ungenauen Oberbegriff „Jazz“ ziehen.

    Da gab es auf dem Weg ohne Frage viele Einflüsse.

    Mit der „Weltmusik“ habe ich nur deshalb in Bezug auf Jazz etwas Mühe, weil dieses Genre ja die große Umarmung und schnelle Verpopisierung möglichst exotischer (Volks-)Musik betreibt während man es beim Jazz genau andersherum sehen könnte: In die Musik einer marginalisierten Gruppe wurden über eine lange Zeit Elemente des westlich geprägten Mainstream eingetragen.
    Bis dann irgendwann - nachdem Be- und HardBop auserzählt waren - der Jazz nach Anleihen bei anderen Stilen gesucht hat.

    Wenn man es aus der Brille „Jazz ist Weltmusik“ betrachtet, ist Jazz sicher nicht der erste Stil, der mit - für die jeweilige Epoche - exotischen Elementen angereichert wurde. Die europäische Romantik mit all ihren Facetten (von slawischen Tänzen bis zum Barbier von Sevilla) und den vielen Anleihen von außerhalb des sowieso schon breiten Spektrums wäre dann mindestens genauso „Weltmusik“ wie Jazz.
     
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  12. quax

    quax Gehört zum Inventar

    Afrikanische Musik...
    Na gut Afrika ist groß, ein riesiger Kontinent. Die Sklaven kamen aus Gebieten, die zu "Schwarzafrika" gerechnet werden. Der musikalische Einfluss z.B. der Berber, Ägypter aber auch der Äthiopier wird evtl geringer gewesen sein.
     
  13. ppue

    ppue Mod Experte

    Na, sagen wir, Europamusik. Slawien ist ca. 2500 km von Sevilla entfernt. Nicht die Welt.

    Ich meine vielleicht nicht das, was mir seit ein paar Jahrzehnten als "Weltmusik" verkauft wird. Das ist für mich meist populäre Musik, die mit Anleihen bei exotischen Elementen ihre Soße würzt.
     
  14. ppue

    ppue Mod Experte

    Ja, @quax, quasi kein Einfluss.
     
  15. ppue

    ppue Mod Experte

    Was ich immer wieder empfehle, ist die "Sozialgeschichte des Jazz" von Ekkehard Jost, wenn es um die Frage geht, wie und warum sich Jazz in New Orleans entwickelt hat. Das Trommeln auf dem Place Congo in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wird immer wieder als Wurzel genannt, Jost revidiert allerdings diesen "ersten Glaubensartikel der Jazzbücher".
     
  16. Silver

    Silver Strebt nach Höherem

    Entführung aus dem Serail
    Rondo alla Turca
    Aida
    Sheherazade

    Da hätten wir anekdotisch schon mal Nordafrika und den vorderen Orient…

    Zu Asien fällt mir auf die Schnelle „Madame Butterfly“ ein.
    Ob das noch so richtig „Romantik“ ist…? Puccini? Nicht Moderne… wahrscheinlich schon.

    Schon irgendwie „Welt“, oder?
     
    giuseppe gefällt das.
  17. Silver

    Silver Strebt nach Höherem

    Naja, hast es halt „Weltmusik“ genannt und der Begriff ist mit genau dem besetzt, was wir beide beschrieben haben: Trullapop.
     
  18. ppue

    ppue Mod Experte

    In der Funktion ist Madame Butterfly nichts anderes.
     
    giuseppe gefällt das.
  19. Dreas

    Dreas Gehört zum Inventar

    Du weißt aber schon, dass @ppue es im Kontext anders meint,, oder?

    Ich verstehe das nicht als „Trullapop“.

    CzG

    Dreas
     
  20. JTM

    JTM Ist fast schon zuhause hier

    Die erste Jazzplatte wurde übrigens ausschließlich von Weißen eingespielt. Dubios,oder ?


    Die erste Jazz-Schallplatte vor 100 Jahren
    Am 26. Februar 1917 ereignete sich im New Yorker Aufnahmestudio der Plattenfirma Victor Historisches. Mit der Nummer «Victor 18255» wurde die erste Jazz-Schallplatte gepresst. Obwohl der Jazz von den Schwarzen stammte, standen bei dieser Aufnahme fünf weisse Interpreten hinter dem Mikrofon.
     
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