Soundvorstellung und persönlicher Sound

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von Silver, 1.Februar.2025 um 10:50 Uhr.

  1. Silver

    Silver Strebt nach Höherem

    Angeregt durch Überlegungen aus einem anderen Fred schiebe ich gerade mal wieder das Thema Soundvorstellung und persönlicher Sound durch meinen Kopf.

    Sound - begrifflich weit gefasst* - ist ja irgendwann etwas, das ein Spieler „hat“ und nicht so leicht wieder los wird.
    Einige Mitforis erkennt man, egal auf welchem Equipment und egal, welches Musikgenre sie spielen - manche leichter (@Wuffy oder @reiko) manche schwerer.

    * Sound im weiteren Sinne umfasst für mich nicht nur die reine Tonerzeugung sondern auch Dynamik, Artikulation, Atempunkte, Intonation, Bendings, Lieblingsphrasen oder -figuren und noch vieles mehr.


    Was ich mich frage:
    Ist der persönliche Sound im Wesentlichen „in einem drin“ und wird durch kontinuierliche Arbeit am Instrument quasi freigelegt?
    Oder ist der persönliche Sound das Ergebnis einer von außen hervorgerufenen „Soundvorstellung“, die man sich so lange erarbeitet, bis sie sich ins eigene Spiel eingeschrieben hat?

    Das sind natürlich die beiden Extreme und die Realität dürfte irgendwo dazwischen liegen.

    Ich fände aber interessant, ob man, wenn man mit allen Hupen, Mundstücken und Blättern dann doch irgendwie gleich klingt, seinen persönlichen Sound lieben lernen muss (wenn der schon vollständig freigelegt wäre) oder ob aus einem geschmeidigen Scott Hamilton-Typ doch noch ein Powerbläser Marke Mike Brecker werden kann und umgekehrt (und nicht nur für ein Stück).

    Bin gespannt auf die Vielfalt der Meinungen zu diesem Gedanken.
     
  2. JTM

    JTM Ist fast schon zuhause hier

  3. Tröto

    Tröto Ist fast schon zuhause hier

    Etwas unreflektiert, da spontan:
    Gerade weil Du, @Silver, den Soundbegriff sehr, sehr weit fasst, könnte ich keine in sich schlüssige Antwort geben, sondern allenfalls inkohärente Erfahrungen und Vermutungen nennen.
     
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  4. Silver

    Silver Strebt nach Höherem

    Danke - das kenne ich, finde das Buch aber nicht “extrem hilfreich”...

    Ausserdem wollte ich das Thema lieber im Forum diskutieren, als ein Buch lesen
     
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  5. Silver

    Silver Strebt nach Höherem

    Du könntest den Begriff einschränken oder das Inkohärente dem Diskurs hinzufügen.

    Ich suche mit diesem Faden keine „Hilfe“ sondern Gedankenfutter.
     
  6. Wuffy

    Wuffy Gehört zum Inventar

    Moin,
    ...da ich im Eingangs-Fred genannt wurde, mag man mir auch gestatten, meine persönliche Sound-Vorliebe auch hören zu lassen.

    Zufällig die letzten Tage wieder eine ältere Aufnahme gefunden, die in diese Richtung geht.

    Und ich merke einfach, dass mir, seit 1965 mein langjähriger Begleiter,...ein Toneking Spezial einfach doch am besten liegt.

    Mag Gewohnheit sein..oder doch der fette Sound des Spezials nach meinem Geschmack, den ich damit recht gut umsetzen kann.

    Werde direkt auch noch die nächsten Tage ein Video für Youtube machen, hier mal erst die Sound-Hörprobe mit reiner Bauch-Impro.....vielleicht Einigen doch zu fett, aber eben immer individuelle Geschmackssache.

    Keilwerth Toneking Spezial:

    Chitlins Con Carne.....Sax Version by Wuffy on Keilwerth " Toneking Spezial" Tenorsaxophone

    LG Wuffy
     
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  7. saxdennis

    saxdennis Ist fast schon zuhause hier

    Möchte etwas beisenfen:
    Ich glaube Sound kommt von hören.
    Wenn jeman permanent Max Greger hört, wird nie wie Coltrane klingen und umgekehrt.
    Und nicht nur klingen, sondern artikulieren intonieren, atmen etc.
    So ist zumindest meine (auch eigene) Erfahrung.

    Grüße
    Dennis
     
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  8. Hewe

    Hewe Strebt nach Höherem

    Ich sehe das so: So wie jeder seine persönliche Stimme (und deren Sound) hat, so hat man auch einen persönlichen Sound auf dem Saxophon. Den kann man natürlich in allen Richtungen formen. Man kann ja auch seine Stimme verstellen. Es gibt ja Schauspielen und Synchronsprecher, die für bestimmte Stimmen genommen werden. Da gibt es Stimmen, die vielleicht sehr "warm und angenehm" klingen, andere eher beliebig. Es gibt also die zwei Faktoren: genetisch und erlernt-geformt. Evt. hat man genetisch schon seinen Wunschsound und hat es damit etwas leichter - eine Baustelle weniger. Natürlich kommen noch die gesamten Materialdinge dazu, um den Sound zu verändern. Das Sax als verlängertes Sprachrohr. Ich hoffe, ich konnte ausdrücken, was ich meine. Freundliche Grüße von Hewe
     
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  9. Saxax

    Saxax Ist fast schon zuhause hier

    Moin zusammen,

    zur Genese meines Sound kann ich vielleicht etwas beitragen.

    In meiner Vorstellung ist das ein iterativer Prozess. Die Grundlage ist zunächst das eigene hören. Je mehr man (verschiedene) Saxophonistinnen hört umso mehr entwickelt man eine Vorstellung davon, wie man klingen möchte. Das hat man dann im Kopf und mit dem Horn in der Hand versucht man, dem Ganzen näher zu kommen. Hätte man als Saxanfänger/in Brecker als Vorbild, wird es schwierig. Mit Bud Freeman, Lester Young und Ben Webster im Ohr ist es schon etwas leichter. De facto wird man die Dinge ausprobieren und aufnehmen, die man davon technisch hinbekommt. (Dabei schleichen sich durchaus auch "Unarten" ein, bei mir z.B. jeden Ton von unten anspielen ... kommt bei Ben Webster gut, ist in der Überdosis aber unerträglich).

    Ein wichtiger Schritt, der dann dran ist (und auch häufiger in der musiklischen Entwicklung) ist die Abgleichung zwischen "ich will" und "ich kann". Sinnvollerweise wird man die eigenen Anforderungen etwas nivellieren ;-) .... Also praktisch die Erkenntnis "ich bin nicht Charlie Parker ... will ich überhaupt da hin?"

    Im Prozess des Spielens und Übens spielen noch ein paar andere Dinge eine Rolle:
    • Welchen Sound unterstützen Horn (vintage or not), mpc und Blatt.
    • Welchen Sound unterstützen meine Mitmusiker/innen, was wird in der Band gebraucht, das ist nicht immer deckungsgleich mit dem, was man soundmäßig anstrebt
    Das Iterative: die eigenen Spielfähigkeiten beeinflussen natürlich auch die Hörgewohnheiten.

    Im Idealfall, wie ich finde, entwickelt man dabei ein kleines Portfolio von Soundmöglichkeiten, die man je nach Bedarf einsetzt. Dabei gibt es, zumindest bei mir, einen Kern von Gemeinsamkeiten, die man in allen Soundmöglichkeiten hat, und dann auch spezifische Dinge, die man nur in bestimmten Situationen einsetzt. (Als Beispiel hier zwei verschiedene "Biotope": wenn ich eine Sängerin mit eher glatter Stimme begleite, spiele ich sehr zurückhaltend und habe vielleicht mehr Stan Getz im Kopf. Wenn ich in Rock 'n Roll oder Bluesband ein Solo spiele, klingt das deutlich anders.

    keep swinging

    Euer Saxax
     
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  10. JTM

    JTM Ist fast schon zuhause hier

    Aber andere Forumsteilnehmer vielleicht ;)
     
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  11. Silver

    Silver Strebt nach Höherem

    Ganz eindeutig beeinflusst das Hören viele Aspekte von Sound im weitesten Sinne.
    Jetzt ist halt die Frage: Henne oder Ei?
    Höre ich bestimmte Saxophonisten besonders gerne, weil mir der Sound gefällt und ich so klingen möchte (angenommener persönlicher Sound) oder, weil ich vermute oder mir wünsche, dass "mein persönlicher Sound" so oder so ähnlich sein sollte (vorhandener und evtl. noch freizulegender persönlicher Sound)?

    Anders gefragt: ist der persönliche Sound bei jedem "schon da" oder bildet er sich erst durch Einflüsse von aussen?

    Beispiel: Ich habe eine zeitlang intensiv David Sanborn gehört (und fand den toll, wollte so klingen - lange her...) - davon ist heute praktisch nichts in meinem Spiel zu hören.

    Ist es also ausschlaggebend, ob jemand ein - um was zu sagen - Selmer Supreme mit einem 7* Otto Link STM und Vandoren Java 2,5 Blättern spielt? Ich glaube nein.
    Oder ist es nicht eher so, dass bestimmte Richtungen / Stile / Soundeigenschaften leichter umzusetzen sind, wenn man das für sich passende Setup hat?
    Oder aber, das Setup, das man sich aussucht, führt einen in eine Richtung, ob es den persönlichen Sound unterstützt, oder nicht...

    Fast schon eine philosophische Frage, ich weiß...

    Ich finde Ben Webster viel schwieriger zu "imitieren", als Mike Brecker.
    Gerade für einen Anfänger, wo es um elementare Instrumentenbeherrschung geht.
    Die technischen, melodischen und harmonischen Anforderungen sind bei Brecker natürlich wesentlich höher, als das, was Ben Webster gespielt hat.
    Den typischen, "all-in, no-frills" Brecker-Sound mit präziser Artikulation und Intonation sollte ein Anfänger schneller erreichen können, als das sehr komplexe Spiel mit Dynamik, Bends, Inflections, Ghost Notes usw., das Ben Webster ausmacht.
     
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  12. JTM

    JTM Ist fast schon zuhause hier

    Gleiches Sax , gleicher Gedanke
     
  13. altblase

    altblase Strebt nach Höherem

    Der Sound klingt schon im eigenen Inneren, bevor man mit dem Instrument in Berührung kommt! Instrument, Equipment...können die Hörbarmachung des inneren Sounds gut oder weniger gut unterstützen.:cool:
     
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  14. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Sound würde ich auch so ganzheitlich definieren. Wenn wir alle den nur gleichen Ton ins Mikrofon hupen würden, wären wir vermutlich nicht zu unterscheiden.


    Ich denke, es ist beides.

    Es ist aus meiner Sicht ein individueller Prozess.

    Zu berücksichtigen wäre, dass auch Pianisten, Bassisten, Streicher und sogar der Dirigent … ihren eigenen Sound haben…
     
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  15. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Ich denke auch, dass der eigene Soukd immer wieder durchkommt, dass es ihn also gibt, er sich aber auch wandeln kann.
    Ich denke man darf die Rolle des Equipments aber nicht kleinteden. Im mindesten prägt es unser Spiel und unsere Soundvorstellung. Extrem ausgedrückt müsste ich sonst so klingen wie ich, egal ob ich Tenor oder Bassklarinette spiel, was natürlich Quatsch ist.

    Bei mir war es so, dass der straighte, gerne sägende Step-Baffle-Buzz-Ton der 80er ganz klar mein Soundziel als Kind war. Es gibt aber Nuancen in diesem Klang, die man mit großkammrigen Mundstücken mit flachem Baffle nicht erzeugen kann. Das hat mich lange gewurmt, bis ich in den Klängen, die ich erzeugen konnte, etwas gefunden habe, was mir heute noch besser gefällt.

    Gestern habe ich mal wieder ein paar alte Herboltzheimer-Aufnahmen aus dem letzten Jahrhundert gehört. Geiler Sh… - aber dieses bienenstockgleiche Summen auf dem Saxophonsatz durch diese 80er-Jahre-Baffle klingt heute für mich wie ein rosa Glitzersakko mit Schulterpolstern. Also nicht unbedingt schlecht, aber überschminkt. Früher wäre das mein Sound gewesen.
     
  16. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Ich höre auch bestimmte Saxofonisten gerne, obwohl sie völlig anders klingen und ich sie nicht kopieren möchte bzw. kann.

    Da sind wir uns einig.

    Dies ist kein Widerspruch zur ersten Frage. Um so besser einer ist, um so weniger spielt das Material eine Rolle.

    Ich kenne einige Spieler, die teures und bewährtes Material nutzen, weil ihre Vorbilder dies tun, aber für sie selber eher ungeeignet ist.
     
  17. Hewe

    Hewe Strebt nach Höherem

    @Silver : Zu Deinem Zitat im #11: Ich denke schon, dass das Material einen Einfluss irgendwie auf ein neutrales Spiel hat. Ich meine nicht, dass das teuerste Sax dieser Welt den besten Klang hat. Ich spiele ja Tenor, habe aber vor einigen Jahren mal ein Alt ausprobieren wollen und ein Yamaha 23 (wenn ich mich recht erinnere - ein Schülersax - ) gekauft. Es war dann doch nicht meins, das Alto. Also habe ich es verkauft. Dazu fuhr ich zu der interessierten Familie nach Berlin. Der Sohn (vielleicht 12) spielte ein Anfängersax - no name by China- . Ich lies ihn mal etwas vorspielen, um einfach zu hören, was er so macht. Die Eltern waren dabei und auch meine Frau. Dann ließ ich ihn auf dem Yamaha spielen - mir fiel die Kinnlade runter, wie auch den anderen Zuhörern. Plötzlich klang es nach Saxophon. Die Eltern haben sofort gekauft. Ich selbst war völlig verblüfft, da ich das so auch nicht erwartet hatte. Das Kind hatte sicher nichts anders gemacht. War es das Mundstück? Das Sax? Der S-Bogen? Aber wie gesagt, nur ein Teil des gesamten Soundmoduls....
     
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  18. Saxax

    Saxax Ist fast schon zuhause hier

    Henne und Ei.jpg


    Entsprechend der oben gezeigten Abbildung ist, zumindest in Facebook (Quelle d. Bildes), das Henne Ei Problem eindeutig gelöst ;-)

    Dass ein Saxophonsound von innen käme, also quasi angeboren sei, bezweifele ich sehr. Möglicherweise bestimmte Vorlieben z.B. f. hohe oder tiefe Frequenzen oder schnelle oder langsame Tempi .... viel mehr kann es aber nicht sein. Ohne verschiedene Saxist/inn/en gehört zu haben, kann sich da auch nix entwickeln.

    keep swinging

    Euer Saxax
     
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  19. ppue

    ppue Mod Experte

    Ich fasse den Begriff Sound auch sehr weit. Habe oft schon dargestellt, wie der pure Sound eines Saxophons klingt, nämlich wie ein sägender Modellflugpropellermotor (zumindest beim Alto).
    Sound im Sinne von Charakter ist also alles, was mit Tongestaltung zusammenhängt. Hat @Silver schon fein aufgezählt. Allen voran die Phrasierung.

    In den Jahren, in denen ich unterrichtet habe, habe ich festgestellt, dass der Sound tatsächlich der Person innewohnt und sich im Speziellen dann herausschält. Die Art und Weise, wie ein Anfänger das Ding in die Hand, das Mundstück in den Mund nimmt oder als Beispiel, wie schüchtern er die ersten Blasversuche macht, ließen mich immer erahnen, wohin die Reise geht.

    Oder andersherum erlebt, eine Powerfrau, die vehement in das Horn hineinpustet und nach zwei Wochen ein offeneres Mundstück sucht; der Charakter ist fest eingeschrieben.

    Ich kann von Rock'n'Roll bis klassische Musik spielen, wobei beides nicht mein Ding ist, klinge aber auch in diesen entfernten Sparten immer noch wie ich, eben durch die Tonbehandlung und Phrasierung.
     
  20. Analysis Paralysis

    Analysis Paralysis Ist fast schon zuhause hier

    Ich kann mit der "Sounddisposition" überhaupt nichts anfangen.
    Eine bestimmte Herangehensweise unterstützt halt einen gewissen Sound, und wie richtigerweise schon geschrieben spielen das persönliche Hören und Präferenzen eine große Rolle.
    Ebenso mögen bestimmte Charaktereigenschaften der Person wichtig sein.

    Das würde ich jetzt nicht unbedingt so stehen lassen wollen.

    Tatsache ist, dass sich Hörner nur marginal unterscheiden, die Befindlichkeiten im Bezug darauf den Spieler oft signifikant woanders hin bringen können.
    Das ist gut, weil oft recht spektakuläre Diskussionen daraus entstehen :)

    BTW:
    Wenn man genau hinhört, hat sich der Sound einiger unserer Heroen im Lauf der Jahrzehnte durchaus auch stark gewandelt.
     
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