Mitmischen possible

Hi.
nachdem ich schon seit ca. einem Jahr hier von Zeit zu Zeit mitlese, habe ich mich heute entschieden mal in diversen Themen, die mich berührten, etwas zu posten. Da lag es nahe, sich auch mal vorzustellen, um nicht gleich als Troll zu enden.

Ich bin Chris und wohne in Berlin. Ich bin 45 und spiele nun somit seit 30 Jahren Saxophon. Davor lernte ich viele Jahre klassisch Querflöte, bis mir bei Jugend Musiziert der Debussy einen Streich spielte. Dennoch puste ich die Flöte auch immer noch ab und zu sehr gerne.

Mein Saxophonlehrer war ein Weggefährte der Wuppertaler Schule um Kowald und Brötzmann. Er erklärte mir, wie Ayler auf drei Saxen spielt und warum Bitches Brew so eine geile Platte ist. Miles, Mingus, Monk, Coltrane, Sanders, das waren die Messlatten. Der Unterricht war immer klasse. Erst gab es einen Tee, dann kam ein handgeschriebenes Notenblatt auf den Ständer, dessen Inhalt man verinnerlichte. Wenn es soweit war, wurde die entsprechende Platte aufgelegt und es ging ab. In seiner 1 Zimmer Wohnung standen vorwiegend Instrumente rum, und man konnte auch mal Bassklarinette oder Kontrabass spielen und vor allem alles darauf geben!
Nach guten 10 Jahren klassischem Unterricht bei einem Folkwang-Prof war das natürlich eine Offenbarung.

Dazu passt kurz ein Exkurs meinem "Saxophon-Markenbewußtsein":
Als ich meinem Flötenlehrer 1985 eröffnete, dass ich Saxophon spielen wolle, war dieser zunächst entsetzt. Nur wegen eines im Finale verpatzten Debussys musste man doch nicht gleich zum Jazzer
werden! Was war mit dem angepeilten Flötenstudium am Konservatorium? Ich! Sein geliebter Meisterschüler!!! Aber mein Entschluss stand fest. Ein Tenor musste her!

Damals gab es genau drei Möglichkeiten:
1. Ein neues Selmer, damals Super Action 80 I oder II : teuer, aber das einzig wahre.
2. Ein gebrauchtes Selmer Mark 6. mindestens genauso teuer oder noch teurer als 1.
3. Yanagisawa. Dieses neumodische Zeug aus Japan. Aber sehr gut und relativ günstig!

Wo bei Flöten noch Vollsilber-Hammig aus der DDR als das beste, aber schwer zu besorgen galten, war Weltklang keine Option. Yamaha naja, Grassi bäh.. meine erste Schülerflöte war von den Italienern, und sie geht heute noch

Also Selmer. Da ich aus einer Französischen Familie komme, ging es nach Paris in die Rue de Rome. Damals die Music-Row. Ein Laden neben dem anderen, Man empfahl uns "Le Menetrier". Ein traditionsreiches Unternehmen, dass es wohl leider nicht mehr gibt. Hier wurden Selmer Tenöre im Dutzend auf den Tresen gepackt. Gebrauchte Marks, neue SA80. Was anderes gab es nicht (außer Yanagiswa als billige Alternative). Der mitgebrachte Experte, der selbst ein MK6 bis heute spielt (seit er es 1968 neu kaufte), entschied sich für mein SA80/2, welches zufällig auch gerade im hiesigen Kleinanzeigenmarkt ist. Dazu später vielleicht mehr...

Der "Tenor" war: naja lerne erst mal, dann kannst Du dir ja ein MK6 holen! 1986!

Das Super-Action wurde gekauft, ein Link STM 7* dazu, einige Hemke 2,5 und 3er Blätter und los ging es mit dem Saxophon! Mein Cousin kaufte sich an dem Tag ein Yanagisawa Alt, das ziemlich genau die Hälfte vom Selmer-Tenor kostete, das aber trotzdem sehr gut war.

Der Folkwang-Flötenproff war dann ca. 3 Stunden nicht mehr von dem Selmer wegzubekommen, worauf ich ihm empfahl sich doch ein eigenes zu holen und auch endlich anzufangen zu leben

Dank der gut gelernten Flötentöne kam ich auf dem Tenor recht schnell zu akzeptablen Ergebnissen.
Was meinen Sax-Lehrer dazu bewog mich mit in seine (Free) Jazz-Performance Aktionen mit einzubeziehen. Hier lernte ich, mit freundlicher Unterstützung meines geliebten damaligen Kunstlehrers, den Begriff "Kunst" für mich neu zu definieren! Abstraktion!
Kurz: kannst Du Debussy und Bach fehlerfrei spielen, darfst Du auch mit schrillem Getröte und Gekreische auf die Bühne gehen, ohne dass es dir peinlich sein sollte. Wenn Du es fühlst und Du dich so ausdrücken kannst, ist alles gut! Lebe deinen Ausdruck! Sei die Kunst!
Davon zehre ich bis heute. Ich war als DJ Free-Jazzer, Ich war als House-Produzent Free-Jazzer, Ich bin heute als Moderator und Dozent Free-Jazzer, ja sogar als Familienvater und Unternehmer bin ich Free-Jazzer. Ich lebe mit einer Malerin zusammen, die gigantische abstrakte Bilder malt und auch wunderbare kleine Portraits von Menschen zaubern kann
Der Jazz, und besonders der freie beflügelt mich im Alltag. Improvisation, Abstraktion und Reaktion, davon zehre ich und nehme meine Kreativitiät. Tolle Sache!

ca 1990 kaufte ich mir noch ein Sopran. Selmer Modèle 26. Mit diesem wurde ich aber nie so richtig warm und verkaufte es 1997 in New York City mit Gewinn an einen Händler. Zwíschenzeitlich war ich Stammkunde vom Saxophonhuis in Deventer geworden, wo ich mir ein Dukoff S8 für mein Tenor kaufte. Bis heute mein absolutes Lieblingsmundstück! Auf das Sopran kam ein Link STM 8*.

Aber down to earth:
Bis ca 1996 spielte ich in diversen Formationen Sax und Flöte. Jazz war auf dem Rückzug und Blues und Funk wurden interessant. Ich entdeckte auf Konzerten und Festivals Maceo Parker und Fred Wesley, die ich bis heute für die funkigsten Typen des Universums halte, Johnny Guitar Watson haben wir nach einer Session in Deutsche Bierkultur eingeführt, bis die Tour-Managerin dazu kam etc. etc.

Dann kam das Sax in den Koffer. Kinder, Job, Family, andere Prioritäten. Ab und an einige Studio-Aufnahmen, aber dann lange Zeit gar nichts mehr.

Im letzten Jahr brach ich mir dann ein Bein. Daraufhin war ich monatelang nicht fähig das Haus ohne Hilfe zu verlassen, und dank einer guten Versicherung, konnte ich meinen, verletzungsbedingt noch möglichen, Hobbys nachgehen. Fotografieren reizt mich allerdings nur, wenn ich mit der Kamera draußen rumlaufen kann, also packte ich nach langer Zeit mal wieder das Selmer aus. Da merkte ich , dass es reif für den Saxdoc ist, und besorgte mir erst mal was bequemeres. Durch einen polnischen Bekannten stieß ich auf ein schwarz lackiertes SA80/2-Alt aus einer frühen Serie, dass in perfektem Zustand war. Love at the first sight! Mein erstes Alt! In der Situation war es wirklich perfekt, Auch im sitzen oder gar im liegen, kann man Alt viel besser spielen als Tenor.
Erstaunlich war, wie schnell das Feeling für das Sax zurück kam, nachdem ich sicher 10 Jahre gar nicht mehr gespielt hatte. Üben üben üben, aber dann geht's! Was mir sehr geholfen hat ist ein Stimmgerät und ein Klavier, um zu prüfen, wo man so intonationsmäßig liegt.

Dann, Anfang des Jahres, überrannte mich die Neugier. Eine Kleinanzeige: Mark 6 Tenor. Schwarzer Lack. In Berlin. Die schwarzen Selmer SA80 hatten mich damals 1986 in Paris schon fasziniert. Diese Optik! So etwas wollte ich irgendwann mal haben, da es im Vergleich zu Goldlack ohne Gravur natürlich sehr viel teurer war!
Aber ein MK6-Tenor in schwarz? Das wollte ich mir ansehen! Und leider war es das geilste Saxophon, das mir jemals begegnet ist! Nach 10 Minuten spielen war mir klar, dass ich es haben musste. Der offene Klang, die Leichtigkeit, das Strahlende! Wahnsinn! kein Hoch-Fis, kein Schnickschnack. Da war es mein MK6, das mir damals versprochen wurde! Und dazu ein ganz besonderes: 72er Seriennummer, aber erst 77 auf Bestellung eines bekannten französischen Jazzers gebaut und ausgeliefert. Ein echtes Custom-Shop MK6!
Wäre es eine Fender oder Gibson.... reden wir nicht vom Preis

Ich ließ mich sogar zu folgendem snobistischen Vergleich herab: ein gutes SuperActon 80 zu einem Top MK6 späteren Baujahrs ist wie ein Mercedes S-Klasse Coupé im Vergleich zu einem Porsche 911. Punkt. Autonarren werden das verstehen

Dieses Instrument verpflichtet mich dazu, nun jeden Tag mindestens eine Stunde zu spielen, und dieser Verpflichtung komme ich gerne nach.

Zwischenzeitlich bin ich wieder auf der Suche nach einem Sopran. Mal sehen was kommt

Ich wünsche euch was!

C.

 

Geile Vorstellung

 

Ein dickes und danke für diese ausfühliche Vorstellung!!!
Genial, ich hoffe du hast viel Spaß hier!
LG
Dabo

 

Whow!
Na denn herzlich willkommen in diesem "Zirkus"

(Du hast ja schon das eine oder andere mitgelesen, gelle?)

Cheerio
tmb


Nachtrag
Coole hp

 

Ja, herzlich Willkommen!!!

Und viel Spass bei uns Saxnarren...

CzG

Dreas

 

Na, wenn das nicht mal die ausführlichste Vorstellung in der Forumsgeschichte ist...

Herzlich Willkommen!

 

Ich habe mit großem Vergnügen und Interesse deinen "Jungferntext" gelesen. Klasse!

Herzlich willkommen im Forum.

Uli

 

Also, i c h werde die Vorstellung bis Mittwoch durchgelesen haben.

 

Eine schöne Geschichte zu Einführung, das gefällt mir, @Selmerpiper. Ich glaube, du passt ganz gut ins Forum und Deinen Weg kann ich gut nachvollziehen - bis hin zum Erweckungserlebnis mit Maceo Parker und Fred Wesley. Also herzlich Willkommen und viel Spaß im Forum!

 

Wikkommen im Saxforum.
Immer wieder schön, wenn man so Bios von Foristen liest!

Aber der mit den 3 Saxophonen war Roland Kirk und nicht Albert Ayler. Da hat sich Dein Lehrer geirrt. Waren aber beide genial. Einfach mal auf der Tube reinhören.

Aber nochmal, viel Spaß hier!

 

Herzlich Willkommen im Forum und viel Spaß!

Liebe Grüße aus London,

Juju

 

Ja Nummer 13!
Natürlich hast Du recht! Roland Kirk! Was ein geiler Typ!!!

Aber Albert Ayler hatte es auch in sich!

Ayler für geübte Free.Jazz Ohren:


Und Kirk mt McCoy Tyner und Stanley Clark:


Großartig! Wenn auch nicht optimal fürs sonntägliche Familienfrühstück!

 

Roland Kirk - und hier natürlich an der Flöte!

 

Hallo Annette,

Danke für den freundlichen Empfang!
Ich suche in Berlin vielleicht noch Anschluss an Leute, die Musik machen. Bin so ziemlich für alles offen. (mal abgesehen von dem sozialistischen Blasorchester, dass neulich mal Interesse angemeldet hat. Die fand ich echt zu schlecht!!! )

Schönen Sonntag!

C.

 

Hallo Selmerpiper

Herzlich willkommen hier
Vielen Dank für die kurzweilige Vorstellung - habe die Lektüre sehr genossen.
Da bin ich aber gespannt, in Zukunft mehr von Dir hier zu lesen (und vielleicht auch zu hören).

Liebe Grüsse
Saxophonia