Was beeinflusst unsere Wahrnehmung von Saxophonsound?

Dieses Thema im Forum "Saxophone" wurde erstellt von GelöschtesMitglied11524, 10.August.2019.

  1. GelöschtesMitglied11524

    GelöschtesMitglied11524 Guest

    Moin,

    ich philosophiere grade ein wenig rum, was unsere Wahrnehmung von "hell", "dunkel", "spread", "focused" etc.
    beeinflusst - oder generell, was uns ein Horn gegenüber einem anderen bevorzugen lässt.

    Ich behaupte mal, dass es viele "außermusikalische" Dinge sind - Dinge, die viel mehr mit der Machart des Saxophones zu tun haben als mit einem bestimmten "Sound", den das Teil "produziert".

    Die Idee wäre nun, ein wenig darüber zu plaudern und die Fakten zu sammeln.
    Ein Beispiel: Ich hab gestern ein Stück mit zwei Altos eingespielt, einem Schagerl Superior Pro für etwa 2100,- und meinem Reference für wesentlich mehr Geld.
    Es gibt Unterschiede im Sound, der mich zum Reference greifen ließe, den schätze ich aber als nicht besonders groß ein. Im Gegenteil, man könnte durchaus auch den Sound des Schagerl bevorzugen.

    Spielt man nun mit den beiden Altos, hat man aber das Gefühl, dass das Selmer ein viel präziseres Feedback gibt, das Schagerl wirkt steifer, verunsichert mich dadurch. Das Gefühl ist beim Tenor, z.B. im Vergleich Schagerl - Yanagisawa noch viel stärker (längere Achsen?)
    Das Schagerl-Alto scheint dadurch auch von der Ansprache mehr Widerstand zu haben, was aber überhaupt nicht stimmt.

    Ein weiteres Beispiel:
    Ein Grund, warum ich meinen Schülern vorzugsweise Yamaha-Saxophone für den Anfang empfehle ist auch der, das selbst die Mechanik des billigsten Horns exakt zu spielen ist (da red ich jetzt nich mal von der Haltbarkeit). Ja, es gibt Hörner zum gleichen Preis, die "größer" klingen, aber es würde den Kreis der für mich in Frage kommenden Hörner erweitern, wenn es Taiwanhörner mit der Mechanik eines 280 geben würde.
    Ich rede nicht von Federspannung, oder welche Polster verbaut werden. Aber was ist es dann, oder geht es nur mir so?
    Im Gespräch mit Experten darüber bekam ich die Auskunft, dass halt an Stellen gespart würde, wo man nicht hinsieht, im Vergleich billigere Materialien verwendet würden, bzw. dass es auch um Know-how ginge.

    Ich glaube, dass schon die Art und Weise, wie es sich anfühlt, wenn man Klappen drückt, wie es sich anfühlt, wenn die Polster schließen (flachere, dickere), vielleicht sogar wie sie eingeklebt sind (vorausgesetzt richtig natürlich) "Vorurteile" erzeugt, schon bevor man mit dem Instrument den ersten Ton spielt.

    Vom Finish gar nicht zu reden. Oder wie "mächtig" das Teil aussieht mit seinen Verstrebungen und Doppel- und Dreifacharmen.

    Interessant wäre auch, wie man diesen Täuschungen entgehen könnte, wie man sich auf das rein akustische konzentrieren könnte, was man durch Setup leicht ändern könnte.

    Der Normalfall ist ja, dass man in einen Laden geht, ein paar Hörner noch dazu in fremder Akustik nach Verfügbarkeit anspielt, und dann kauft.
    Und nicht, dass man das Horn mit nach Hause nimmt, spielt, nachdenkt, aufnimmt, überschläft, vergleicht.

    Liebe Grüße, Ton
     
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  2. Wanze

    Wanze Strebt nach Höherem

    Der Name, der auf dem Saxophon steht
    Die Farbe des Saxophons.
    Angelesenes Halbwissen (Foristen natürlich ausgenommen)
    Die Werbesprüche der Instrumentenhersteller
    Unsere eingene Erwartungshaltung
    … und, und, und, ...

    Grüße
     
  3. TootSweet

    TootSweet Ist fast schon zuhause hier

    Il n‘y a pas d‘immaculée perception, habe ich mal gelernt.

    Es gibt keine unbefleckte Wahrnehmung - bevor man etwas wahrnimmt, ist da schon ein Berg von Annahmen, Vermutungen usw., die mitspielen.
     
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  4. Gelöschtes Mitglied 1142

    Gelöschtes Mitglied 1142 Guest

    @Ton Scott: Vieles mag Gewohnheit sein. Die Klappenlage, die Federspannung, der Anblaswiderstand etc.
    Ich weiß, wie sich "mein" Horn anfühlt bzw. anzufühlen hat. Und jedes andere, das ich anspiele, ist erst einmal ungewohnt. Und damit subjektiv nur zweite Wahl, da es hinter meiner Erwartungshaltung zurücksteht.
    Würde ich mir die Zeit nehmen, mich auf das andere Horn wirklich einzulassen, fiele mein Urteil vermutlich anders aus.
    Selbst die Optik kann man da nicht völlig aussparen. Gefällt mit ein Horn, ist es mir schon viel sympatischer als eins, das mich von der Optik eher abtörnt.

    Das sind meine individuellen Beobachtungen als späteingestiegener Hobbyspieler.

    Ein Profi wird sicher andere Kriterien anlegen. Z.B. wie schnell reagieren die Klappen? Wie entspannt kann ich damit high notes spielen und einiges mehr.
    Kriterien für ein Horn, die ich überhaupt nicht beurteilen kann, da ich weder richtig schnell noch richtig hoch spielen kann.

    Beeinflussen diese Kriterien meine Wahrnehmung des Sounds?
    Vielleicht. Mein Haupthorn (der Schucht Prototyp) ist unlackiert, sieht geil aus, funktioniert für mich hervorragend und MUSS deshalb schon so klingen, wie ich es gerne hätte.
    Breit. Fett, Dreckig. Eben so, wie es aussieht :)
    Und viele, die mich damit schon live gehört haben finden meinen Sound durchaus akzeptabel. Und die Profis, die dieses Horn schon einmal angeblasen haben, waren begeistert.

    Meine Medusa, schnieke goldlackiert, von @Toko vor Jahren perfekt generalüberholt KANN da nicht mithalten, weil ich sie schon mit Widerstand (bewusst oder unbewusst) in die Hand nehme.
    Und selbst wenn ich mir einrede, unbefangen an die Sache ranzugehen, kann es nicht wirklich unbefangen sein. Goldlackiert. Das MUSS ja nach Captain Cook klingen :)
     
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 10.August.2019
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  5. Guido1980

    Guido1980 Ist fast schon zuhause hier

    Bissplättchen! Ich habe einen extrem anderen Sound in meinem Kopf und Ohren wenn ich beispielsweise ohne spiele. Die Übertragung der Schwingungen über die Zähne zum Ohr spielt eine große Rolle. Auf Aufnahmen hört man dann natürlich eher keinen Unterschied.

    Lg Guido
     
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  6. ToMu

    ToMu Strebt nach Höherem

    bisher der beste thread seit dem frühling, bin gespannt was noch kommt.
     
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  7. Wanze

    Wanze Strebt nach Höherem

    Bissplättchen

    Wanze
     
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  8. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    ALLES!

    Umgebung, Vorurteile, Wunschvorstellung...

    Der Mensch ist zu objektiven Urteilen in diesen Fragen zumindest schlicht nicht fähig.

    Gruß,
    Otfried
     
  9. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    So isses. Bei mir spielt z.B. die Art der Musik eine große Rolle. Wenn ich "klassisches" Saxophon höre, empfinde ich den sauberen, geraden Klang als unnatürlich, steril und dünn, egal welche Saxmarke gespielt wird und wie "fett" das evtl. andere finden.

    Anderes "Instrument": "Bel Canto" ist für mich zum Weglaufen - Sinatra, Joe Cocker, Ella, Louis finde ich ausdrucksstark.

    Bei mir ist das ganz klar Herkunft und Sozialisation - schichtspezifisch. Obwohl ich das durchschaue und erklären kann, werde ich trotzdem im Entscheidungsfalle nicht anders empfinden.
     
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  10. Roland

    Roland Strebt nach Höherem

    Bei Tests hat man auch festgestellt, dass die Farbe der Packung des Waschmittels Auswirkungen auf das subjektiv empfundene Waschergebnis hat.

    Bei Tests mit Rotwein hat man festgestellt, dass der innerhalb der Testreihe zweimal präsentierte Wein viel, viel besser schmeckt, wenn sagt, dass diese Falsche 20€ gekostet, die andere zum Vergleich 1,99€. Das merkt man nicht, da funkt direkt das Belohnungssystem dazwischen.

    Genau deswegen sind ja Doppelblindstudien so immens wichtig, um den subjektiven Anteil in den Griff zu kriegen. Macht aber kaum einer und wenn doch, dann kommen die Leute mit "Ich weiß nicht, was die getestet haben, aber meiner Erfahrung nach ..." und tappen sehend, aber nicht wissend, wieder in die gleiche Falle. Wenn das nicht so traurig wäre, wäre es glatt lustig.

    Die Geschichte mit dem HIFI-Händlern und dem Publikum, dass verschiedene Kabelmaterialien zwischen CD-Player und Verstärker heraushören konnte, ist ja schon bekannt, ich habe sie mindestens zweimal gepostet.

    Grüße
    Roland
     
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  11. ppue

    ppue Mod Experte

    Das ist wie bei der Heisenbergschen Unschärferelation: Je mehr wir um Objektivität bemüht sind, desto geringer muss der subjektive Anteil im Versuch sein. Auf die Spitze getrieben, haben wir am Schluss den Menschen aus dem Versuch eliminiert, bekommen aber keine Antworten auf unsere Fragen, weil es ja gerade um die subjektiven Eindrücke ging.
    Nehmen wir nur die Emotionen, so haben wir keine objektive Aussage.

    In beide Richtungen geht es also nur ein Stück weit.
     
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  12. quax

    quax Gehört zum Inventar

    Dabei muss der Rote nicht mal rot sein :)
     
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  13. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Danke für den gut eingeleiteten Thread!

    Auch wenn du dich bemühst systematisch zu testen, bleibt der Test subjektiv.

    Du warst ja in den früheren Jahren ein überzeugter Yanagisawa-Spieler.

    Warum damals Yanagisawa und nicht Yamaha? Ja, bei mir war damals das Vorurteil: Yamaha sind präzise aber auch steril. Die billigen Yamahas konnte ich teilweise testen und bestätigten mein Vorurteil. Yanagisawa war der "Geheimtip" für alle, die sich ein Selmer nicht leisten konnten. Daher war es cool ein Yanagisawa-Tenor zu spielen. Erst mit meinem ersten Selmer-Tenor Superaction 2 war ich wirklich bereit, Ruhe zu geben und meine persönlichen Defizite einzugestehen.

    In der Regel habe ich bei jeder GÜ die Sorge, dass mein Instrument nicht mehr meins ist. Obwohl dies rein logisch Unsinn ist, wenn du einen guten Fachmann dies machen lässt.

    Es sind keine Täuschungen, sondern eine Sammlung von objektiven und subjektiven persönlichen Erfahrungen.

    Im Gegensatz zur mir wirst du deutlich mehr und schneller Eigenschaften (positiv und negativ) in einen Test bei einen Saxofon finden, was ja auch deinen Schülern zugute kommt.
     
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  14. Claus

    Claus Mod Emeritus

    A) Erwartungshaltung

    Das fasst m.E. Einen Großteil der Hinweise bestens zusammen. Wenn jemand sagt, dass man gleich ein Mark VI hört, dann ist auch die Bereitschaft, da bestimmte Eigenschaften herauszuhören, gleich deutlich stärker ausgeprägt. Das entspricht den von @Roland geschilderten Rotweintests.

    Das soll jetzt nicht bedeuten, dass eigentlich alle Saxophone gleich klingen, aber ich denke schon, dass die eigene Erwartungshaltung einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die subjektive Wahrnehmung hat.

    B) Musikalischer Kontext

    Ich kann mir vorstellen, dass die subjektiven Wahrnehmungen und auch die Einordnung, ob etwas als eher positiv oder negativ wahrgenommen wird, sehr stark vom musikalischen Kontext (WAS wird gespielt) determiniert werden.

    C) Hörgewohnheiten

    Hängt eng mit B) zusammen.

    D) Hörfähigkeiten

    Wahrscheinlich eine der wenigen Determinanten, die sich exakt messen ließen. Wer bestimmte Frequenzen nicht (mehr) wahrnimmt, für den stellt sich der Gesamteindruck zwangsläufig anders dar.


    Hinzu kommt als Schwierigkeit, dass auch identische Höreindrücke nicht unbedingt zu einer identischen Beschreibung führen. Das haben wir hier schon zur Genüge erlebt, dass mit Adjektiven wie „spread“, „fokussiert“, „schlank“, „breit“ oder „spitz“ ganz unterschiedlich umgegangen wird. Deshalb ist eine identische Beschreibung für mich allenfalls ein Indiz, dass die subjektive Wahrnehmnung sich ähnelt, wie auch umgekehrt eine unterschiedliche Beschreibung nur ein Indiz für eine grundlegend verschiedene Wahrnehmung ist.
     
  15. GelöschtesMitglied11524

    GelöschtesMitglied11524 Guest

    Wieso warst?
    Und ich würde auch Yamaha-Saxophone spielen, das Drumherum von Yanagisawa gefällt mir halt mehr.

    Natürlich sind es Täuschungen. Ich habe wenig Vorurteile z.B. gegenüber Taiwanhörnern. Die Geschichte mit dem Schagerl gestern, die ich oben erwähnt hab, hat mich halt ein wenig zum Denken gebracht.
    Wenn meine Finger furchtbar steife Klappen ohne Feedback bedienen, und ich bilde mir ein, das Horn hätte mehr Widerstand, was ist das sonst als eine Täuschung?
     
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  16. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Irgendetwas ist anders, sonst würdest du es nach einen längeren Test nicht so empfinden. Oder empfindest du es jetzt nicht mehr so?
     
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  17. GelöschtesMitglied11524

    GelöschtesMitglied11524 Guest

    Ja, die Mechanik ist schlechter, weil wahrscheinlich schlechtere Materialien von Leuten mit weniger Know-how verbaut wurden.
    Das hat ja aber mit dem Sound nicht so viel zu tun.
    Das Horn ist wieder weg, war ja nur zum Testen.
     
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  18. ToMu

    ToMu Strebt nach Höherem

    naja grauburgunder sollte es auch nicht da bleibt alles g...
     
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  19. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Wenn du die Mechanik als nicht optimal bzw. billig empfindest, hat dies auch Auswirken auf dein Soundempfinden. Ich denke, dass man die einzelnen Parameter nicht so isolieren kann.
     
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  20. Juju

    Juju Strebt nach Höherem

    Da ist auf jeden Fall was dran mit der Erwartungshaltung. Als ich das Ishimori meines Lehrers ausprobiert habe, kam dazu noch die Einstellung, dass das das Instrument meines großen Vorbilds und Lehrers ist, da muss es ja toll sein, er klingt ja auch toll damit, hat es mit entworfen und es sich quasi auf den Leib schneidern lassen. Ich wollte somit unbedingt, dass es für mich auch gut ist. Hat trotzdem nicht geklappt, es ist nicht richtig für mich...
    LG Juju
     
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