Sting Hounds of Winter Voicing

Habe für einen Freund gerade das Voicing dieses tollen Sting-Songs notiert und bin wieder einmal geflashed, wie toll Dominic Miller (den ich früher als Gestalter unterschätzt habe) mit seinen Voicings die Stücke von Sting kompositorisch beeinflusst.
In diesem Video spielt ein Gitarrist dieses Voicing sehr anschaulich im Kontext des Songs und auch solo:



Hier das Voicing, das ein auffälliges "Spacing" zeigt und an die Weite Lage von Barockkompositionen erinnert. Auffällig dabei ist auch, dass die beiden Oberstimmen (bis auf H-Moll) immer in Quarten angeordnet sind. Die Ziffer "1" soll zeigen, dass zwischen Bassstimme und den beiden Oberstimmen immer eine Oktave dazwischen liegt. Auch für Sax ist das eine gute Übung, zwischen den Registern zu wechseln und auch zu transponieren (Tenor und Sopran einen Ganzton höher, Alto eine kleine Terz bzw einen Ganzton plus Halbton tiefer).


Intro und Strophe (Töne von unten nach oben)

A/F# (C# E1 A1)
H6 (H D#1 G#1)
H-moll (H D1 F#1)
A6 (A C#1 F#1 )
D6 (D F#1 H1)
H-moll (H D1 F#1)
E ad 9 (E H1 F#1) keine Terz, also weder Dur noch Moll
F# open (F# C#1 F#1) keine Terz, also weder Dur noch Moll

Strophe B-Teil

A/F# (C# E1 A 1)
D6 (D F#1 H1)
A/F# (C# E1 A 1)
H6 (H D#1 G#1)
H-moll (H D1 F#1)
A6 (A C#1 F#1)
H-moll (H D1 F#1)
E ad 9 (E H1 F#1)
A/F# (C# E1 A 1)
D6 (D F#1 H1)
A/F# (C# E1 A 1)
H6 (H D#1 G#1)
H-moll (H D1 F#1)
E ad 9 (E H1 F#1)
F# open (F# C# F#1)

Für mich ist "Shape of my Heart" DAS Paradebeispiel von Dominic Millers tollem Voicing. Sting hörte wohl Dominic in einer Etüde für ein Warming Up und erkannte das Potential der Akkordfolge für einen Song.



Voicing is everything.

 

Sting hat in Dominic Miller den perfekt passenden Gitarristen gefunden, finde ich. Ohne großes eigenes Ego - Sting hat ein mächtiges Ego - nimmt er Stings Ideen auf, ergänzt sie und die Songs werden erst durch ihn wirklich charaktervoll.
Andy Summers ist zwar auch gut, aber kann Miller da nicht das Wasser reichen.

Ich liebe beide Songs und natürlich sind sie im Repertoire meiner Band.

 

Er heißt ja nicht von ungefähr „Sting“…..

CzG

Dreas

 

Seinen Namen hat er, weil er früher öfter einen gelb-schwarz-geringelten Pulli trug. Ein Bandkollege assozierte das mit einer Biene und nannte ihn fortan Sting.

 

Ich habe Dominic Miller in "Lullaby for an anxcious child" zuerst richtig wahrgenommen. Seine Gitarre hebt dieses eigentlich recht schlichte Lied auf eine ganz andere Ebene, wie ich finde. Ich hab im Unterricht vor ein paar Jahren mit Hilfe meines Lehrers ein Saxduett daraus arrangiert, das die Gitarrenbewegungen aufnimmt. Love this song

 

"The most famous Riff of all time"? Ja, vielleicht. Aber es wurde schon im 17. Jahrhundert inflationär verwendet. Organisten nennen dieses Riff "Holzbein". Hier ein Beispiel von Michel Lambert (1610-1696):



Ein Copyright bekommt seit mehreren hundert Jahren niemand mehr darauf.

 

@Cazzani: interessante Ableitung. Ich habe früher Renaissance-Laute gespielt und hätte auch nie den guten Dominic Miller als "Erfinder" dieser abschreitenden Harmoniefolge empfunden, die ja die Jahrhunderte zwischen Renaissance und Barock durchzieht. Auch von Monteverdi kenne ich sie sattsam.
Was ich aber bei Dominic Miller (oder halt Sting) sehr gelungen finde, ist das Voicing und das Spiel mit den Bassnoten. Bei "Shape of My Heart" beginnt der Song mit dem Moll-Akkord in der Grundform, also mit der Root im Bass, aber schon bei der Wiederholung in Takt 5 "rutscht" der Terzton in den Bass und macht aus dem Moll-Dreiklang hörbar etwas anderes, das zwischen der Moll-Tonika und der parallelen Dur-Tonart auf der 3. Stufe schwebt. Dieses "Schweben" findet sich auch in "Hounds of Winter".

 

@Tafkah Ja. "Shape of my heart" unterscheidet sich in dieser Variante von der trivialen einfachen Tonleiter im Bass, die Dominic Miller im oben verlinkten Interview spielt, auf interessante Weise, indem der dritte Akkord eben nicht wie erwartet D-Dur, sondern H-Moll ist. Beim zweiten Anlauf ist das harmonische "Gewürz", dass der erste Akkord D-Dur mit Terzbass ist, während die Basslinie unverändert bleibt. Der Reiz des Sting-Songs ist gerade die Abweichung vom "berühmtesten Riff aller Zeiten". Außerdem mag ich die Ruhe in diesem Stück, dessen entspannter Groove auch über souverän lang gehaltene Pausen trägt.

Der kürzeste Weg von Sting zur Renaissance führt sicher über seine Beschäftigung mit John Dowland. 400 Jahre Pop-Geschichte.

 

@Cazzani : irgendwo habe ich mal Dominic Miller sagen hören, dass er live die einfache Variante mit dem in Sekunden absteigenden Grundton-Bass wegen der Haltung der Gitarre im Stehen bevorzugt. Ich habe ja auch Konzertgitarre studiert und gespielt und weiß, dass bei der hängenden Haltung manche Sachen einfach nicht so gut spielbar sind. In seiner eigenen Formation spielt er, wenn ich mich recht erinnere, im Sitzen, und hier erweitert er noch einmal die harmonische Struktur von "Shape" im Intro mit einem Dom(inicMiller)Septakkord als Vorhalt auf der 1 des zweiten Taktes. Feinheiten...

 

Dominic Miller - Rick Beato im Link oben.

 

@Analysis Paralysis : das hatte ich geahnt, war aber zu faul, mir das Interview noch einmal ganz anzuhören