Aufnehmen in der Kirche

Dieses Thema im Forum "Home- und Live-Recording, Tontechnik" wurde erstellt von bebob99, 25.November.2013.

  1. bebob99

    bebob99 Strebt nach Höherem

    Wir hatten am Samstag ein Konzert in einer Kirche. Das Klangvolumen ist natürlich enorm und der viele Hall verzeiht einige Fehler.

    Ich habe ein Zoom H1 Mikro mitlaufen lassen, das im hinteren Teil des Kirchenschiffs plaziert war. Dabei sind mit einige Dinge aufgefallen, die während des Spielens eigentlich kein Problem waren.

    Die Kirche ist ein moderner Bau und hat "glatte" Klinker Wände und eine ebenfalls flache Decke. Ich müßte raten, aber der Altarraum ist grob würfelförmig mit ca 25m in jede Richtung.

    Das Hauptproblem ist, dass offenbar die Bässe akustisch teilweise viel später ankommen als die mittleren Register. Es klingt, als ob die fast eine 1/16 später einsetzen. Da aber alle Tuben und Posaunen das synchron machen und das im trockenen Übungsraum kein Problem war, vermute ich, dass das etwas mit der Schallausbreitung im Altarraum zu tun hat.

    Die Aufnahme dient hauptsächlich zu Dokumentationszwecken, mir ist schon klar, dass man mit einem 1-Mikro Setup keine vernünftige Aufnahme zusammen bringt.

    Kennt jemand das Problem? Muss man damit grundsätzlich leben? Die Zuhörer haben ja auch nur ein Paar Ohren, müssten also den gleiche Fehler hören. Im Register ist mir das nicht so krass aufgefallen.

    Würde man das spieltechnisch in den Griff kriegen müssen, also dass die Bässe etwa gezielt zu früh einsetzen? Wir sind ja nur Hobby-Musiker, keine Profis, da kann man sich nicht drauf verlassen, dass wirklich alle nach Taktstock einsetzen, sondern eher nach Gehör. Das ist bei langer Laufzeit des Schalls natürlich ein Problem.

    Das scheint übrigens auch abhängig vom Stück zu sein. Bei Bruckner war mir das weniger auffällig wie bei Wagner. Vielleicht weil ersterer seine Komposition schon für die Aufführung in der Kirche geschrieben und die spezifischen Eigenheiten berücksichtigt hat?
     
  2. stefalt

    stefalt Strebt nach Höherem

    Hallo bebob,

    die Annahme halte ich für zu verwegen. Das hängt ja unmittelbar vom Raum ab, in dem es gespielt wird. Er hätte es dann also für genau den Raum komponieren müssen, in dem ihr gespielt habt.

    Wir z.B. haben ein gotisches Münster, das ist so riesig, dass in der Theorie für die Schalllaufzeitunterschiede ein 1/16 Versatz nicht reicht. Faktisch ist es aber akustisch so gemacht, dass das Problem gar nicht auftritt (außer wenn es (selten) zu Schwebungen wegen des Echos kommt). Was mich zu der These verleitet, dass die alten Baumeister die Besseren waren ;-).

    Lösen lässt sich das Problem mE nur durch
    1. Experimentieren, an welches Stelle das Orchester am Besten für möglichst viele Personen in der Kirche klingt, (Wir haben früher als Pfadfinder oft Gottesdienste mit Musik begleitet, der Altarraum war da oft nicht die beste Wahl für otimalen Sound.)
    2. An welcher Stelle die Aufnahme optimiert ist (Falls das das Ziel sein sollte). So wie Du es bescrieben hast sicher dichter beim Orchester um Laufzeitunterschiede/Echos zu minimieren.

    Was theoretisch auch ginge ist eine Schallrefektionsdach über dem Orchster, (von schräg hinten unten nach Vorne oben) so wie es bei den alten Kanzeln oft zu sehen ist, das sieht aber meist etwas dämlich aus.

    Grüße
    Stefan
     
  3. ehopper1

    ehopper1 Strebt nach Höherem

    Hallo bebop,

    ich hatte schon häufig Konzerte oder Gottesdienstbegleitungen mit Orgel, Chor oder Orchester und diversen Soloinstrumenten.
    Aufnahmen habe ich hin und wieder mit meinem Zoom H2 gemacht.

    Wenn das Orchester vorne im Altarraum sitzt, platziere ich den H2 möglichst weit vorne, nah am Orchester.
    Ich kann ja den Aufnahme-Winkel auf 120 Grad stellen.
    Der Naturhall wirkt sich dann nicht so massiv aus.
    Nebengeräusche durch Zuhörer wie Bank-Knarren, Räuspern, Husten hört man dann auch weniger.
    Optimal ist es aber nie. Es hängt auch von der Zusammensetzung des Ensembles/des Orchesters ab.

    Spielt das Orchester auf einer Empore, ist es noch schwieriger.
    Ich nehme dann einen Mikrofonständer mit Verlängerung.
    Der H2 sitzt also möglichst weit oben.
    Hier gehe ich näher an die Empore heran als an den Altarraum.

    Wobei es in beiden Fällen immer recht schwierig ist alles richtig zu machen.

    Die Crux ist ja auch folgende: Wenn die Kirche beim Konzert gut besucht ist, klingt es anders als in der (General-)Probe zuvor, bei der man als Musiker oder Zuhörer manchmal vom gefühlten Klangbrei erdrückt wird.

    Lg
    Mike
     
  4. Mini

    Mini Ist fast schon zuhause hier

    Hallo Bebop,

    Die Schallgeschwindigkeit ist zunächst mal unabhängig von der Frequenz, also der Tonhöhe. Wie sich jedoch ein Schallereignis entwickelt, hängt stark vom Raum und vor der Position von Schallquelle und Hörer (Mikro) ab.

    Würde ich nicht sagen. Manche schwören drauf, ich habe auch schon ein paar brauchbare Aufnehmen gemacht. Früher mit 2x Neumann KM184 und einem Tascam DAT-Recorder, heute aus Bequemlichkeit mit einem Zoom H2.

    Die Aufstellung im Raum ist meiner Erfahrung nach wichtiger als der (Preis)unterschied dieser beiden Ausrüstungen. Ein Orchester lässt sich natürlich schlecht herumschieben, ein Chor schon eher, mit den Mikros geht es relativ einfach (solange man nicht zu der Überzeugung kommt, dass die optimale Mikroposition in 8m Höhe mitten im Kirchenschiff ist).

    Oft ist leider wenig Zeit zum ausprobieren, insbesondere, wenn man auch noch selbst musikalisch mitwirkt.

    Dafür hat sich bei mir ein Standardsystem entwickelt: Chor/Orchester möglichst weit vor den Altar, nahe an das Publikum.

    Stereo-Mikrofonpaar ca. 5m vom Chor/Orchester weg, ca. 3m hoch. Mikrofone in ORTF-Anordnung, (alternativ xy), Zoom H2 auf 120°. Mikros hin und her schieben und einen "sweet spot" suchen.

    ja

    ja

    Nein. So ein Gehör ist schon ein trickreiches Instrument. Es stellt sich adaptiv auf die akustischen Verhältnisse eines Raumes ein und korrigiert dabei vieles. Bein Anhören einer Aufnahme klappt das so nicht. Da steht das Gehör auf Wohnzimmer.

    Eben

    "Play the room", macht man ja (hoffentlich) immer. Allerdings wohl kaum bewusst in dieser Weise. Außerdem kann der Dirigent nur für seinen Standort optimieren, er hört ja nicht, wie das 20 m hinter ihm klingt. So was gibt es allerdings für wirklich große Bühnen, wenn die Laufzeit anfängt, wirklich Probleme zu machen. Da wird ein weit hinten stehender Chor zeitlich ganz vorne dirigiert, damit das am Pult gleichzeitig ankommt. Ok, braucht man auch ohne Laufzeit, weil der Chor immer schleppt ...

    Gruß
    Mini
     
  5. bebob99

    bebob99 Strebt nach Höherem

    Vielen Dank für Eure nützlichen Antworten.

    Tatsächlich habe ich das Mikro nicht "plaziert" sondern aus rein praktischen Gründen so aufgestellt, dass niemand drüber fällt: Am Weihwasserbrunnen unter der Empore im rückwärtigen Kirchenschiff. Klangtechnisch sicher nicht der optimale Platz.

    Gerechnet vom Boden der Kirche und von den Stühlen der ersten Reihe Musiker? Wenn wir also ein Podest haben, um die Podesthöhe höher - ungefähr?

    Das ist zwar auf absehbare Zeit kein Thema mehr, aber vielleicht weiß ich es beim nächsten mal noch.

    Naja, den Vorwurf mussten wir uns auch schon öfter anhören, dass wir bei Tempo Änderungen seeehr zäh reagieren. Es ist ja immer eine Gratwanderung. Spielst Du knallhart am Schlag des Dirigenten, weil Du als einziger gerade rechtzeitig hin gesehen hast, oder so, dass es zu den anderen passt, die das offenbar noch nicht mitbekommen haben...

    Richtig wäre wohl ersteres, aber das erfordert eine gehörige Portion Selbstvertrauen. Wenn man im Zweifel auf Sicherheit spielt und die anderen eben auch, dann schleppt das.

    Wer weiß, vielleicht war ja doch nicht die Akustik schuld. :-(

    Abgesehen davon waren wir eigentlich mit der Aufführung ganz zufrieden. Es klingt noch nicht nach Tokyo Kosei aber für den Hausgebrauch reicht's.
     
  6. Florentin

    Florentin Strebt nach Höherem

    Lustiger Zufall: ich habe vor einer Woche mit einem H2 ein Konzert unseres Blasorchesters in einer großen Kirche aufgenommen.

    Das Orchester war hinter dem Altar im Chorraum. Ich hatte das H2 ein paar Meter davor gestellt, noch vor der ersten Zuhörerreihe (durch eine Säule geschützt und versteckt). Ich hätte es gerne noch näher rangestellt (120°), aber es gab Moderation und einen Solisten, die weiter vorne gestanden sind.

    Die Aufnahmen sind nicht übel geworden, etwa so, wie wir es selbst gehört hatten. Aber das war wegen des langen Halls eben ziemlich verwaschen bei allen schnelleren Läufen. Dazu hatten wir einander in dem großen Raum selbst nicht gut gehört (nach zweimal Proben dort hatte man sich daran ein bisschen gewöhnt). Insgesamt also gar nicht optimal. Die Zuhörer allerdings waren begeistert.
     
  7. Mini

    Mini Ist fast schon zuhause hier

    Hallo Bebop,

    Mein Stativ ist maximal ca. 3 m hoch, also gerechnet vom Boden. Das ist keine exakte Wissenschaft, ich würde aber immer versuchen, ein gutes Stück über die Instrumente der vorderen Reihen zu kommen.

    Gruß
    Mini
     
  8. Saxax

    Saxax Ist fast schon zuhause hier

    Moin Bebop,

    möglicherweise ist das, was Du in der Aufnahme gehört hast, nicht ausschließlich ein Aufnahmeproblem. Frequenzabhängige Schallgeschwindigkeiten schließe ich, wie Mini, aus.

    Ich weiß aber aus Erfahrung, wie schwer es ist, in einer Kirche zusammen zu spielen. Wenn sich eine Stimme im Extremfall am Echo einer anderen Stimme orientiert, können solche Verschiebungen entstehen. Wir hatten vor einigen Jahren einmal ein Projekt Jazz meets Organ, wo wir sehr mit den Laufzeiten des Schalls kämpfen mussten. Die einzigen, die das meistens gelernt haben, sind Organisten. Wir sind damals dahin gekommen, dass wir die gesamte Besetzung auf die Empore mit Sicht- und Hörkontakt zum Organisten gestellt haben. Das ist natürlich schwierig für das Publikum.

    Das Zusammenspiel in der voll besetzten Kirche stellte dann nocheinmal ganz andere Herausforderungen ans Zuhören der Musiker/innen als die Proben in der leeren Kirche.


    Keep swingin´



    Dein Saxax
     
  9. bebob99

    bebob99 Strebt nach Höherem

    Frequenzabhängige Schallgeschwindigkeit geht nicht. Jedenfalls nicht in dem Kontext. Das ist mir schon klar. Ich dachte eher daran, dass die tiefen Bässe vielleicht mehr Reflexionen verursacht haben und diese dann stärker präsent waren. Möglicherweise ist dann ja einiges vom Echo lauter am Mikro angekommen als der Direktschall.

    Die Snare-Drum bei "Hymn to the Fallen" ist jedenfalls komplett untergegangen. Die hört sich an wie im Nebenzimmer. Die Pauken daneben waren aber total präsent. Satter Wumms auch dort, wo sie leise gespielt wurden.

    Die Flöten waren aber wieder OK. [​IMG]

    Naja. Tontechniker ist wohl doch ein RICHTIGER Beruf den man lernen muss.

    Und, wie ist's geworden? Kann man was hören?
     
  10. Florentin

    Florentin Strebt nach Höherem

    Na gut:

    Tonaufnahmen vom H2

    (hoffentlich funktioniert das so?!)

    Die Nummern 3, 4 und 6 (Gesang, Trompeten mit Orgel) wurden auf der Orgelempore gespielt. Dafür war das Zoom ganz ungünstig ausgerichtet, die Aufnahmen sind nachträglich im Pegel stark angehoben. Dito für die Moderationen. Könnte ich alles noch ändern, mir gings erstmal um die Orchesterstücke.

    Zum Vergleich hier 3 Videos vom selben Konzert, von jemandem anderen und von anderem Standort aufgenommen:

    An American in Paris

    West Side Story

    Schostakowitsch

    Die Videos werden möglicherweise demnächst aus Youtube entfernt werden ...


     
  11. bebob99

    bebob99 Strebt nach Höherem

    Danke für die Hörproben. Gut gespielt, aber wenn es etwas lauter wird, wird alles so matschig dass man kaum mehr hört wer wann einsetzt. Das hohe Blech hört sich bei Dir auch an, als ob die aus dem Off spielen.

    Meine Aufnahmen hören sich auch so an. Das ist wohl "Kirchensound".
    Da - momentan - niemand Rechte auf meine Aufnahmen erhebt die ich in YouTube eingestellt habe, sind sie wider frei geschaltet. :roll:

    Da sind zwei Aufnahmen vom Frühjahr dabei, die wurden im Frühjahr Veranstaltungssaal aufgenommen, die anderen letzten Samstag in der Kirche.
     
  12. Florentin

    Florentin Strebt nach Höherem

    Ja. Sie sind wie immer ganz weit hinten platziert worden, weil sie normalerweise zu laut sind. Aber diesmal hat man sie kaum gehört.

    Es war auch beim Spielen sehr irritierend. Ich (1. Klarinette) habe die Trompeten kaum gehört, die Flöten praktisch gar nicht (nur die Piccolo). Pauke kam bei uns schon mit hörbarer Verspätung an. Man konnte sich nur am Dirigenten synchronisieren.
     
  13. flar

    flar Guest

    Moin, moin bebop

    Was das Aufnehmen in der Kirche (und auch anders wo) betrifft vertrete ich die Meinung Versuch macht klug! Es gibt mit Sicherheit einige Regeln die man beachten sollte, aber ich habe auch schon nahe zu perfekte Aufnahmen gehört wo ich vorher, als ich sah wo und wie die Mikrophine possitioniert waren, gedacht habe das man das Aufnahmegerät gar nicht erst einschalten braucht!

    Zu Deinen youtube Links möchte ich Dir nur sagen das ich die beiden Videos von dem Wertungsspielen sehr schön finde. Vom Ton mal ganz abgesehen sind die Bilder wirklich gelungen, humorvoll (die einzelnen Bilder der Instrumentgruppen) und aufschlußreich was Eure Präsentation in der Öffentlichkeit angeht.
    Wenn ich Veranstalter wäre, ein Blasorchester suchte und eines dieser Videos sehen würde hätte Ihr garantiert einen Auftritt mehr!

    Viele Grüße Ralf
     
  14. bebob99

    bebob99 Strebt nach Höherem

    ooooch .. [​IMG]

    Die Bilder von den verschiedenen Registern hat die Fotografin im Ort gemacht. Die ist vor Ideen nur so übergegangen. Ich finde auch, sie bringt den Spaß am Musizieren gut zur Geltung. Blasmusik hat ja sonst nicht gerade den Flair von jung und spritzig.

    Heute muss man sich anders positionieren, damit der angehende Nachwuchs das nicht automatisch geistig in die K&K Monarchie mit steifen Krägen und verstaubten Ritualen stellt. Blasmusik ist COOL :-D

    Als "Werkskapelle" hat man Bezeichnungs technisch ein kleines Handicap, will man sich sich frisch und knackig präsentieren. Das klingt wenig lustig, aber damit müssen wir leben.

    "Gewandhausorchester" klingt ja für Laien auch nicht sofort nach hochwertiger Musik. Da muss man um so besser spielen. Auf dem Niveau sind wir allerdings (noch) nicht. Jedenfalls die meisten von uns.
     
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