Flow mit Seele

Dieses Thema im Forum "Eigene (musikrelevante) Themen" wurde erstellt von Bloozer, 30.März.2005.

  1. Bloozer

    Bloozer Strebt nach Höherem

    Ein amerikanischer Psychologe ungarischer Abstammung Dr. Mihaly Csikszentmihalyi hat eine Theorie über das Empfinden von Glück entwickelt, die er 'Flow' nennt. Vielleicht einigen von euch schon bekannt. Seine Thesen lassen sich meiner Meinung nach wunderbar aufs richtige Üben projizieren.

    Anschließend ein Ausschnitt aus einem Interview:

    Flow mit Seele

    Ein Interview mit Dr. Mihaly Csikszentmihalyi
    von Elizabeth Debold



    WIE: Kommen wir noch einmal zum „Flow” zurück. Würden Sie bitte erklären, was damit gemeint ist?

    MC: Anfang der sechziger Jahre schrieb ich meine Dissertation über junge Kunststudenten am Chicago Art Institute. Ich stellte fest, dass sie, während sie malten, fast in eine Art Trance fielenein Phänomen, das mir aus eigener Erfahrung vertraut war. Sie schienen nichts um sich herum wahrzunehmen und bewegten sich wie von etwas in ihrem Innern besessen. Hatten sie ein Gemälde beendet, betrachteten sie es ein paar Minuten lang befriedigt. Dann stellten sie das Bild beiseite und ließen es anschließend weitgehend unbeachtet. Wichtig war jetzt nur noch die neue leere Leinwand. Ganz augenscheinlich hat der Prozess der Beschäftigung mit dem werdenden Bild etwas so Anziehendes, dass er sich über alles andere hinwegsetztaußer vielleicht dem Bedürfnis zu essen, zu schlafen und die Toilette aufzusuchen. Ich wollte in Erfahrung bringen, was die Psychologen über dieses Phänomen, diesen Zustand vollkommenen Engagements, geschrieben hatten. Doch das war nicht viel. Ich erkannte, dass dieser Aspekt menschlichen Verhaltens seitens der Psychologie weitgehend außer Acht gelassen worden war. Und wenn einmal jemand sich damit auseinandergesetzt hatte, dann mit der Vorstellung, dieses Verhalten sei ein zielorientiertes Mittel zum Zweckohne es also als eine Handlung um ihrer selbst willen anzusehen.

    In den frühen siebziger Jahren sprach ich mit Schachspielern, Bergsteigern, Musikern und Basketballspielern. Ich bat sie zu beschreiben, was sie erlebten, wenn das, was sie taten, richtig gut lief. Natürlich rechnete ich mit den unterschiedlichsten Geschichten. Doch die Interviews schienen sich in vielen wesentlichen Aspekten auf ein und dieselbe Qualität der Erfahrung zu konzentrieren. Zum Beispiel sagten alle, dass man völlig in dem, was man täte, aufginge, dass die Konzentration sehr hoch wäre, dass man von Augenblick zu Augenblick genau wisse, was man zu tun habe und eine sehr direkte und schnelle Rückmeldung darüber erhielte, wie gut man bei seiner Arbeit wäre, und weiter noch, dass den eigenen Fähigkeiten zwar das Äußerste, jedoch nie zu viel abverlangt würde. Mit anderen Worten, die Herausforderungen und die Fertigkeiten hielten sich die Waage. Und waren all diese Bedingungen simultan gegenwärtig, vergaß man seine Alltagssorgen und sogar sich selbst als etwas Getrenntem von dem, was gerade vor sich gingman war sich bewusst, dass man Teil von etwas Größerem war und bewegte sich entlang der inneren Logik der Handlung.

    Jeder sagte gleichermaßen aus, es wäre wie von einer Strömung getragen zu werden, spontan, mühelos, wie ein Fließen [Flow]. Zudem vergäße man die Zeit und fürchte sich nicht vor Kontrollverlust. Man wäre sicher, die Situation, wenn nötig, unter Kontrolle zu haben. Es wäre aber schwer zu bewerkstelligen, weil die Anforderungen hart seien. Es fühlte sich auf der einen Seite zwar mühelos an, wäre aber dennoch extrem abhängig vom Konzentrationsvermögen und den Fertigkeiten. Es wäre also eine Art von paradoxem Zustand, wo man auf einem angenehmen Grat zwischen Streben und Unruhe einerseits und Langeweile andererseits stände. Man funktionierte auf diesem schmalen Grat, wo man gerade eben das tun konnte, was getan werden musste.

    Seit dieser Zeit haben Kollegen von mir zigtausende Menschen in aller Welt interviewtTuchweberinnen im Hochland Borneos, meditierende Mönche in Europa, auch katholische Dominikanermönche, und viele, viele andereund sie alle sagten dasselbe. „Flow” scheint also ein phänomenologischer Zustand zu sein, der in allen Kulturen gleich ist. Was die Menschen tun, um in diesen Zustand zu gelangen, ist höchst unterschiedlich, aber das Erlebnis selbst wird auf sehr ähnliche Weisen beschrieben.

    Wer sich die Mühe machen will, das gesamte Interview zu lesen, kann sich hier bedienen.
     
  2. SanDO

    SanDO Ist fast schon zuhause hier

    Danke für den tollen Artikel Bloozer.

    Da werd ich doch gleich mal meine Signatur ändern!

    Lieben Gruß,
    Sandra
     
  3. jogi_music

    jogi_music Ist fast schon zuhause hier

    Hi!
    Cooler Thread, danke Bloozer!
    Den Begriff "flow" verwenden auch die Rapper und Hiphopper, wenn ihnen die Worte zu einem freien Sprechgesang "einfach" in den Mund kommen und ohne große geistige Anstrengung über die Lippen fließen.

    DAS ist (vielleicht) das Ziel für alles, was improvisativ gespielt werden kann, finde ich. ;-)
    Ich vergesse beim Spiel auch die Zeit... vor allem beim Üben :lol: Kann es voll nachvollziehen.
    Liebe Grüße, Jogi
     
  4. rinaldo

    rinaldo Ist fast schon zuhause hier

    Ich kenne diese "Flow"-Erfahrung am stärksten beim Jonglieren. Das ist schon der Hammer, wenn du mit 5 Keulen dasteht und "es jongliert dich". Leider hält das Gefühl meist nur einige zehntel Sekunden an, dann erschrickt man oder man fragt sich, wie man das jetzt eigentlich macht, und dann fällt alles runter ;-)
     
  5. Gine

    Gine Ist fast schon zuhause hier

    upps da läuft bei mir was falsch.Denn ich kenne den Zustand auch absolut, insbesondere mit den Stichwörtern starke Konzentration, folgen eines bekannten Bewegungsablaufes - ich würde eher sagen Rechengange, völliger Verlust von Zeitgefühl. Leider nicht vom Saxüben, sondern vom Statik runterreissen....(Nagut beim Klavierüben kenne ichs auch) Ist das jetzt ein gutes oder schlechtes Zeichen?
    Allerdings empfinde ichs nicht im Zusammenhang mit Glück, sondern eher als angenehm emotionslos. Das Wort konzentriert trifft es am ehesten. Und es hat etwas mit damit zu tun dass man etwas durchführt, was im Kopf schon fertig ist.
    Gruß
    Gine
    P.S. Der Vorteil beim Rechnen gegenüber jonglieren, man fängt morgens an und nach einer Viertelsekunde ruft jemand "Tschüß" ;-)
     
  6. KrischanDo

    KrischanDo Ist fast schon zuhause hier

    Hi Sandra,

    mit Deiner neuen Signatur könntest Du in weiten Kreisen der US-Bevölkerung missverstanden werden...
    Honni soit qui mal y pense...
    :)

    Krischan
     
  7. Gast

    Gast Guest

    Den Flow-Zustand kennen wir wohl alle, zumindest geht der Herr Dr. davon aus und das nicht ohne gründliche Nachforschungen.
    ....muss natürlich nicht heißen, dass jeder diesen Zustand _exakt_ gleich beschreiben würde, das würde ja ein und denselben Sprachgebrauch(inkl. Wortschatz) bei allen voraussetzen.

    Aber empfindest du nicht Glücksgefühle, nachdem dir etwas gelungen hattest, bei dem du "voll bei der Sache" warst?

    Des Weiteren ist mit Glück im Zustand des Flow wohl eher völlige Bedürfnislosigkeit, eben Aufgabe bzw. Vergessen des Selbst als eigenständiges Wesen gemeint.
    In diesem Zusammenhang gehen natürlich keine intensiven Emotionen mit dem Glückszustand einher, vielleicht würden solche den "Flow" sogar unmöglich machen, weil sie konzentrationsstörend sind.
    tschö.
     
  8. SanDO

    SanDO Ist fast schon zuhause hier

    @ KrischanDO:

    Danke für die Feststellung. Ich werde darüber bei einer guten Zigarre in meinem ovalen Zimmer nachdenken. ;-)

    So long ..
    Sandra
     
  9. peterwespi

    peterwespi Ist fast schon zuhause hier

    Warnung des Bundesministeriums für Gesundheitswesen: Zigarren rauchen kann ihre Präsidentschaft gefährden...
    :-D
     
  10. spike

    spike Ist fast schon zuhause hier

    Super artikel Bloozer, zum zweitesmal Heut, - Mann könnte vielleicht "Flow mit Seele" in ein wort vereinfachen - Zen.

    Und beim Zigarre und Rauchen zu bleiben hat Conrad Quagliaroli a mol gesagt - "I don't smoke I'm just the sucker on the other end"

    Frog, Pond, Plop - gruss - spike
     
  11. Bloozer

    Bloozer Strebt nach Höherem

    Kenny Werner: "For me, God is the groove, the wind at my back, the life energy that envelops me and nurtures me if I simply fall into it. Just an earth groove. I can tense it up or choke it off, or I can kick back and let it flow."

    Wer mehr von Kenny Werner lesen möchte, sollte dies lesen.

    Er hat den Begriff 'effortless mastery' geprägt.

     
  12. Flow

    Flow Nicht zu schüchtern zum Reden

    Hallo,

    nun lässt sich auch leicht erkennen, woher mein Username und die Signatur stammen. Die Verbindung von Flow-Erlebnis und Saxophon erschien mir offensichtlich.

    Vor etlichen Jahren hatte ich dieses Thema in der Literatur entdeckt. Für interessierte Leser dazu zwei Buchempfehlungen (Autor jeweils Mihaly Cszikszentmihalyi):

    1. Das Flow-Erlebnis, Klett Cotta, Stuttgart 1985
    (als Beitrag zur wissenschaftlich-psychologischen Diskussion)

    2. Flow - Das Geheimnis des Glücks, Klett-Cotta, Stuttgart 1992 (als 'Buch der praktischen Lebensweisheit')

    Stets in neuer Vorfreude auf die Erfahrung des Flow-Phänomens... :)
     
  13. Benjahmin

    Benjahmin Ist fast schon zuhause hier

    @Bloozer
    Habe Diesen Thread schon vor ein paar Tagen gelesen...komme aber erst jetzt zum Antworten....und das ganz kurz und bündig:
    Kein Kommentar ...ausser JA UND AMEN !! !!

    In meinem "Sprachgebrauch " fällt " Flow " unter " Vibes" ( Vibrations).....meint aber genau dasselbe.
    Anders könnte ich garnicht so spielen , wie ich es tue.....wenn ich auf der Buehne stehe und hätte diesen "Flow" nicht....würde ich mich wohl ständig verhaspeln oder bräuchte DOCH Noten zum " Festhalten ".
    So tue ich einfach , was im Einklang mit mir selbst steht ....
    und fahre damit bestens.....und vor allem auch glücklich !!
    DAS bringt`s dann erst richtig !! ;-)
    Schöner Thread !!
    Benjahmin
     
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