Saxophone durch Winterkälte verzogen

Dieses Thema im Forum "Reparatur und Instandhaltung" wurde erstellt von kingconn, 25.März.2006.

  1. kingconn

    kingconn Ist fast schon zuhause hier

    Ich möchte Euch mal von zwei "Erlebnissen" berichten:

    Fall 1:
    Ich hatte ein Vintage Saxophon grob vorgereinigt, und dann komplett generalüberholt. Dabei habe ich auch alle Tonlochränder perfekt plan gemacht. Die Mechanik war noch trocken zusammengebaut, also nicht gefettet. Das Sax wurde angeblasen (sprach erstklassig an) und dann wieder auseinandergebaut und poliert. Nach der Politur hatte ich keine Zeit mehr und hab das Instrument daher auf den Balkon gelegt, wo es zwei Tage bei Minustemperaturen lag.
    Nach den zwei Tagen wurde es sorgfältig geputzt und die Mechanik gefettet und zusammengebaut.
    Nichts ging mehr.
    Nach dem nochmaligen Auseinanderbauen stellte ich fest, daß sich ein Großteil der vormals planen Tonlöcher offensichtlich von der Kälte erheblich verzogen hatten.

    Fall 2:
    Ein Sax war komplett generalüberholt, ebenfalls mit perfekt refaceten Tonlöchern und dann verschickt. Als es beim Empfänger ankam. waren auch hier diverse Tonlochränder unplan geworden un das Sax unspielbar. Während der Versandzeit herrschten draußen auch Minustemperaturen. Ich vermute, daß der Kleintransporter des Versandunternehmens evtl. abends beladen worden worden war und das Sax die Nacht auf dem Wagen bei Minus 5 Grad verbracht hat.

    Schöne Grüße

    kingconn
     
  2. Krokosax

    Krokosax Ist fast schon zuhause hier

    Hallo kingconn

    danke für die Info. Also nicht das Sax im Winter im Auto vergessen, sonst kann man es vielleicht vergessen.
    Hätte nicht gerdacht das es sich so schnell verzieht :-o

    Gruß Krokosax
     
  3. antonio

    antonio Gehört zum Inventar

    Hallo kingconn
    Merkwürdig, dass das soviel ausmacht. Eigentlich wäre ja die reine temperaturbedingte Dehnung von Messing niemals so gross. Ich vermute daher, dass der Korpus unter gewissen Spannungen stand, welche sich ausglichen und den Korpus in diesem Masse bewegten - oder wie erklärst du dir das Ganze?

    antonio
     
  4. kingconn

    kingconn Ist fast schon zuhause hier

    Hallo antonio,

    ich war auch ziemlich überrascht und genervt. Bei einem Sax könnte ich Deine Theorie von den Spannungen ja nachvollziehen, aber gleich bei zwei?

    Klar kann ich solche Dinge wieder in Ordnung bringen, das ist nicht der Punkt. Es ist natürlich mit einiger Arbeit verbunden.

    Ich werd mal ein Stück Messingblech für einige Zeit ins Eisfach tun und vorher und nachher mit einem elektronischen Meßschieber ausmessen. Vielleicht kann man da was sehen.

    Beide Instrumente haben gezogene Kamine. Beim Ausziehen der Kamine aus dem heißen Korpus wird das Messing in diesen Bereichen ja erheblich gestreckt. Außerdem haben alte Saxe ja andere Legierungen als heutige. Vielleicht hat das was damit zu tun.

    Schöne Grüße

    kingconn
     
  5. antonio

    antonio Gehört zum Inventar

    hmm, ja du hast recht bei zweien ist das kaum die Erklärung. Bei deinem geplanten Versuch mit Messingblech wirst du kaum was messen können, denke ich - Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass Messinglegierunen so hohe Wärmedehnungskoeffizienten haben sollen, aber ich bin da auch nicht so sattelfest :-D

    antonio
     
  6. kingconn

    kingconn Ist fast schon zuhause hier

    @antonio

    Ich hab mir mal die linearen Ausdehnungkoeffizienten angeschaut. Der von Messing beträgt 1,9 . D.h., daß ein 10 Meter langes Messingrohr bei einer Temperaturänderung von 50 Grad ca. um 9,5 mm länger wird. Die Dehnungen eines Saxes bei 30 Grad Temperaturunterschied dürfte sich also im Zehntel oder Hundertstel Millimerterbereich bewegen.

    Es gibt aber noch eine Möglichkeit. Beide Vintagesaxe haben eine parabolisch-konische Bohrung, d.h. eine Wand des Schallrohres ist gerade, eine parabolisch. Das Messing dürfte in diesen Bereichen daher herstellungsbedingt unterschiedliche Spannungen haben. Vielleicht liegts daran.

    Schöne Grüße

    kingconn
     
  7. KrischanDo

    KrischanDo Ist fast schon zuhause hier

    Moin!

    Es erscheint mir recht unwahrscheinlich, dass diese Effekte nur auf die Temperatur-Unterschiede zurückzuführen sind.
    Seit gut 150 Jahren werden Saxophone durch die ganze Welt verschickt, auch im Winter, die früher angeblich noch viel härter waren. Da müssten also massenhaft verzogene Kannnen aufgetaucht sein. Die termischen Versandbedingungen dürften eher besser geworden sein.

    Wenn ich so sehe, wie beim Paketdienst mancher Karton manuell beschleunigt (umhergeschmissen) wird, sehe ich da eher mögliche Ursachen.

    Was ist mit den ganzen Kannen, die bei Weihnachtsmärkten, Fasnachtsumzügen und Militärkapellen herhalten müssen. Warmspielen irgendwo drinnen, dann raus in die Kälte, auch bei Minusgraden, 20 Minuten warten, dann spielen, oben kommt rund 37 Grad warme feuchte Luft rein, einen Meter weiter dürfte die schon erheblich kälter sein. Das sollte ein Sax erheblich mehr aus dem Tritt bringen, als das langsame Runterkühlen im Koffer im Kofferraum eines Autos.

    Und da gibt es doch noch die Sax-Voodoo-Ecke mit der Kryo-Therapie, bei der die Saxe tiefgefroren werden, um die Metallstruktur zu homogenisieren und die herstellungsbedingten Spannungen rauszubekommen.

    Grüße, Christian
     
  8. saxfax

    saxfax Strebt nach Höherem

    Ah! Jetzt weiß ich, warum die Vintage-Teile so unnachahmlich gut klingen - die mussten seinerzeit fast alle zwangsweise durch die Kryptotherapie (die Winter waren noch richtige Winter, Ofenheizung, echte Männer spielten draußen etc..) .;-)

    kryptischen Gruß,
    saxfax
     
  9. antonio

    antonio Gehört zum Inventar

    @kingconn
    Tja, ich hab auch keine Erklärung, jedenfalls glaube ich auch nicht, dass es die reine temperaturbedingte Materialdehnung ist - auch was KrischanDo anführt tönt logisch. Ich denke weiterhin, dass es am ehesten um Spannungen, bzw. deren Abbau gehen könnte. Mustest du ausbeulen? Das verändert natürlich die internen Materialspannungen.

    antonio
     
  10. kingconn

    kingconn Ist fast schon zuhause hier

    @antonio
    Natürlich stimmt das, was KrischanDo schreibt. Bei dem einen Sax habe ich Becher und Bogen ausgebeult. Die Tonlocher hatten sich aber am Hauptrohr verzogen. Frühere Ausbeulspuren habe ich nicht feststellen können.
    Also bleibt die Sache ein Rätsel

    Schöne Grüße

    kingconn
     
  11. Benjahmin

    Benjahmin Ist fast schon zuhause hier

    @Kingconn,
    Hattest Du die Hupen denn im Koffer ? Und -wenn ja- Was für ein Koffer war das jeweils ?
    Ich hatte unlängst ein harmloses Schreckerlebnis mit einem Koffer, dessen Interieur aus diesem Bauschaumähnlichen Zeug besteht, welches dann mit Plüsch überzogen ist. Das ist ja eigentlich recht ordentlich und robust. Nur hat sich das Inlay in der Kälte dermassen verzogen und geschrumpft, dass es innerhalb der Kofferschale 0,5 - 1 Cm Luft hatte. Einmal um den ganzen Koffer herum ( also innen ). Dabei soll das Zeug direkt mit der Aussenhülle verschweisst sein....
    hat sich aber losgefetzt. Wenn in einem derartig energiegeladenen Schrumpfungsprozess eines Kofferinlays nun noch das Sax liegt......dann kann da ja sehr schnell ein Fall wie Deiner entstehen oder ??
    Ist zwar sehr weit hergeholt der Gedanke.....aber ich musste bei Deiner Geschichte sofort an diesen Koffer denken.....
    Grüsse
    Benjahmin
     
  12. kingconn

    kingconn Ist fast schon zuhause hier

    @benjahmin

    Nein, das kann es nicht gewesen sein. Das eine Sax lag nackt auf dem Balkontisch, das andere war in einem schönen alten Holzkoffer und gut mit Luftpolsterfolie gesichert.

    Glaub mir, die Tonlocher waren vorher absolut perfekt plan, sorgfältig mehrmals kontrolliert Ich investiere da nach meinem eigenen Verfahren einiges an Zeit, die ich hinterher dann leicht
    beim Polstern spare.

    Schöne Grüße

    kingconn
     
  13. Benjahmin

    Benjahmin Ist fast schon zuhause hier

    @Kingconn
    Hmmm...dachte ich mir schon. Aber es HÄTTE ja sein können... ;-)
    Weiter faellt mir dazu jedoch auch nix ein.....einen dermassen krassen Verzug ohne Mechanische Einwirkung
    kann ich mir nicht erklaeren....eben auch nicht mit der Kälte alleine, gerade wenn es Vintages sind, die einiges gewohnt sind....wie vorher bereits bemerkt wurde :)
    Dass die Polster sowas vielleicht nicht mögen...gut...aber die Tonlöcher ??
    Hattest Du mal Streit mit einem gewissen Uri Geller ??
    Das könnte eine Erklärung sein :roll:

    *Grübel*
    Benjahmin
     
  14. kingconn

    kingconn Ist fast schon zuhause hier

    @Benjahmin

    Nee, hatte ich nicht. Lebt der überhaupt noch? Ich habe auch nicht versucht, die Saxe "warmzureiben".

    Hab schon überlegt, die Sache auf dem Balkon in einem Experiment nochmal zu wiederholen. Aber die kalten Tage sind wohl vorbei.

    kingconn
     
  15. antonio

    antonio Gehört zum Inventar

    @kingconn

    müsste ja im Kühlhaus auch gehen, oder :-D

    Nun noch eine letzte Idee meinerseits: Kann es sein, dass sich nicht das Sax geändert hat, sondern deine Lehre womit du die "Planheit" geprüft hast? Jahhh, absurd ich weiss... :lol: (bitte nicht steinigen)
    antonio
     
  16. Benjahmin

    Benjahmin Ist fast schon zuhause hier

    @Antonio
    Kühltruhe geht ja auch ;-) und so absurd finde ich den Gedanken mit dem verzogenen Messgerät garnicht...das wäre ja der Hoffnungsschimmer einer Erklärung für dieses Phänomen.
    @Kingconn
    Sei Dir im Klaren , was Du tust ! Sollte Dein Experiment positiv ausfallen , also nachweisen , dass Saxe sich im Winter derart verziehen können, dann bescherst Du der gesamten Saxwelt im Winter Alpträume und Todesängste und der Industrie eine neue Marktlücke für Batteriebeheizte Koffer, Saxhumidore , Sax-Fieberthermometer usw usw.
    Pass auf, dass Du Dir vorher Deine Rechte sicherst ! :lol:

    Aber im Ernst.....wenn Du noch ein Sax "opfern" willst, um es in den Kühlschrank zu stecken, würde mich das Ergebnis brennend interessieren. Allerdings wäre meine Neugier dann doch nicht SO gross, wenn es dabei um eines meiner eigenen Saxe ginge. ;-)
    Grüsse
    Benjahmin
     
  17. Topshit

    Topshit Ist fast schon zuhause hier

    Hier noch eine kleine Artfremde Anekdote zum Thema Metall und Kälte:
    Bei meinem Fully hatte ich auch mal so einen komischen Winterkälteeffekt. Vor dem Winter lief alles wie geschmiert. Nach der Winter-Kellerpause waren der Freilauf, die Kurbeln und das Tretlager lose. Konnte ich mir noch weniger erklären als dein Problem mit den Tonlöchern. Bei dir ist die Erklärung mit den Spannungen ja noch recht nachvollziehbar und wahrscheinlich. Falls deine Frau stricken kann.....Saxpullover aus Angora? :lol:
    Gruß, Topshit
     
  18. Brummi

    Brummi Schaut nur mal vorbei

    @kingconn

    >>>>>>>>>>>>>>>Glaub mir, die Tonlocher waren vorher absolut perfekt plan, sorgfältig mehrmals kontrolliert Ich investiere da nach meinem eigenen Verfahren einiges an Zeit, die ich hinterher dann leicht
    beim Polstern spare.<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<

    die Sache mit den durch Kälte verzogenen Tonkaminen,
    für die ich allerdings auch keine Erklärung habe, bringt mich auf das Thema " Messlehre ".

    Wie misst man am besten ob der Rand plan ist ?

    Absolut plan ! Das erreiche ich nicht.

    Ich komme da nicht richtig weiter.
    Und letztlich welche Toleranzen sind da annehmbar ?
    Egal wie ich es auch anstelle, es bleibt immer ein
    haarfeiner Spalt durch den das Licht zu sehen ist.

    ( Haarfein soll heißen weniger als eine Zigarettenpapierdicke)

    Zum Prüfen lege ich ein Stück Glasscheibe auf.

    Was ist praktikabler ?

    Gruß

    Brummi
     
  19. kingconn

    kingconn Ist fast schon zuhause hier

    @bBenjahmin und antonio

    Mein "Meßverfahren" ist eigentlich narrensicher. Leider paßt weder ein Alto noch ein gerades Sopran in mein Kühlfach, selbst wenn ich alle drei Schubladen rausnehme. Mein Baby (gebogenes CONN Sopran würde passen, ist mir aber zu schade.

    @saxblower

    Das mit der Glasscheibe ist schon ganz richtig, allerdings deckt das Glas den Lichtschein der Ausleuchtlampe nicht ab, was irritieren kann. Ich würd lieber ein plan abgezogenes Metallstück (z.B. große Unterlegscheibe) nehmen. Es muß aber absolut plan sein.

    Welcher Spalt noch "tolerabel" ist, ist schwer zu sagen. Das hängt auch von der Art der verwendeten Polster ab.
    Martin Chanu (entsprechen Selmer original) sind recht hart und passen sich nicht so leicht an Unebenheiten an. Bei Top Tones muß auch alles absolut plan sein. Pisoni Premium Deluxe sind da schon etwas weicher.

    Je nach Saxophon können auch kleinste Undichtigkeiten fatale Folgen haben. Dazu sieh Dir nur mal die winzigen Durchmesser der Oktavlöcher an. Das reicht schon, damit die Kanne überbläst Diese kleine Durchlaßfläche eines Oktavloches erreichst Du mit einer kleinen Undichtigkeit nämlich ganz schnell.

    Schöne Grüße

    kingconn
     
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