Unebene Tonlöcher - undichte Saxophone

Dieses Thema im Forum "Reparatur und Instandhaltung" wurde erstellt von kingconn, 9.Juli.2006.

  1. kingconn

    kingconn Ist fast schon zuhause hier

    Da ich mich überwiegend mit Vintage Saxophonen beschäftige, ist das ein ständiges Problem. Das betrifft sowohl alte amerikanische und französische Hörner, als auch z.B. Tonekings und The New Kings. Mit die größten Unebenheiten gibt es bei Instrumenten mit umbördelten Tonlochrändern, z.B. Conn Chu Berry.

    Nun fragt man sich, wie die Leute denn damals dieses Problem gelöst haben, die Tonlöcher planzufräsen wäre selbst 1920 technisch sicher kein Problem gewesen.
    In der Praxis war es aber anscheinend einfacher, zum einen die Klappendeckel zurechtzubiegen (kein amerikanisches Vintage Sax ohne verbogene Klappendeckel!), zum anderen sehr weiche Polster zu verwenden.

    Ein schönes Beispiel sind die Originalpolster der Conn Choo Berry .
    Wie auf den Bildern zu erkennen ist, fehlt hier die heute übliche Verstärkung durch eine Kartonpappe auf der Rückseite. Von der Festigkeit dieser Pappe hängt die Härte des Polsters ganz wesentlich ab, viel mehr als von der Härte des Leders und des Filzes.

    Will man nun so ein Saxophon mit modernen Polstern z.B. von Pisoni oder Chanu versehen, bekommt man ohne ein Refacing der Tonlochränder selbst bei starkem Einbrennen der Polster immer sehr schlechte Ergebnisse.

    Hier einmal ein Bild eines von mir refacten Tonlochs bei einem Conn Ladyface Alto von 1945. In dem Sax befindet sich eine Ausleuchtlampe, auf dem Tonloch liegt eine perfekt plan abgezogene große Unterlegscheibe (vom Metallwarenhändler).
    Wie man sieht, tritt kein Licht aus.

    Auf diesem Bild ist nun ein Streifen Zigarettenpapier zwischen Unterlegscheibe und Tonlochrand eingeschoben.

    Das Zigarettenpapier hat eine Stärke von 0,04 MILLIMETER, also vier Hundertstel. Deutlich am Lichtschein zu erkennen ist die erhebliche Undichtigkeit, die damit schon entsteht. Damit ist gewissermaßen ein weiteres Oktavloch entstanden.

    Ganz katastropal ist natürlich dies hier. Es handelt sich um einen Tonlochkamin eines Conn Wonder von ca. 1920.

    Dieser Thread ist aus einem anderen entstanden, wo es um unebene Tonlochränder bei der SX-R Serie von Keilwerth geht.

    Unebene Tonlochränder können auch durch Stöße gegen den Saxophonkorpus bzw. die Mechanik entstehen. Es lohnt sich, das zu prüfen. Ich verwende dazu wie oben beschrieben eine Ausleuchtlampe und plan abgezogene Unterlegscheiben unterschiedlicher Größe. Ein planes Metallplättchen oder zur Not eine kleine Glasscheibe geht auch. Allerdings kann man bei Glas wegen der Reflexionen nur grobe Undichtigkeiten erkennen.

    Schöne Grüße

    kingconn
     
  2. daskli

    daskli Ist fast schon zuhause hier

    Hi Kingconn,

    ich habe gerade ein Alt-Sax neu bepolstert und mich immer wieder gefragt, warum ich mir so viel Arbeit damit mache.

    In deinem Beitrag über die Vintage Saxophone schreibst du ja, dass es führer üblich war, Unebenheiten an den Tonlochrändern durch besonders weiche Polster auszugleichen. Du schreibst dies aus dem Blickwinkel, dass damit unsauberes Arbeiten in der Metallverarbeitung ausgeglichen wurde.

    Ich frage mich jetzt warum, haben sich diese superweichen Polstern nicht überall durch gesetzt? Warum werden heute bei Filzpolster eigentlich immer harte Papp-Unterlagen verwendet? Warum werden nicht Polster eingesetzt, die sich viel mehr in Formen einpassen können. Das könnte ja dazu führen, dass das Polstern viel einfacher wird.

    Sicher so lange die Polster so aussehen wie heute, doch relativ hart und kompakt, würde es ziemlichen Kraftaufwand und viel Zeit bedeuten, diese Klappen dicht zu verschließen. Früher vor der Erfindung der Filzpolster hatten die Instrumentebauer ja gerne Wachse eingesetzt, die einmal kurz erwärmt und aufgedrückt, sich genau an dies Gegenform angepasst haben.

    Wir haben heute ja eine Unzahl von Schaumstoffen, die den Eigenschaften des Wachses oder denen des Filzes von früher weit überlegen sind. Aber ich habe bis lang noch nie davon gehört, dass Polster mit einer Schaumstoff- statt einer Filzeinlage angeboten werden. Warum nicht - hat da denn niemand erfolgreich geforscht?

    Ich stelle mir Verfahren vor wie das Einbrennen, die die Oberfläche der Poster zum genauen Abbild des Tonlochrandes werden lassen. Oder die Silikonpolster? Diese werden immer als fertige Polster angeboten. Was spricht eigentlich dagegen den Verschäumungsprozess direkt am Tonloch vorzunehmen und somit ein exaktes Abbild des Randes zu bekommen, ähnlich den Abgussverfahren oder dem erwärmten Wachs bei den alten Instrumenten?

    Warum machen wir uns so viel Arbeit, ginge das alles nicht viel einfacher bei gleichen Spieleigenschaften?

    Gruß daskli
     
  3. WildeHilde26

    WildeHilde26 Ist fast schon zuhause hier

    dalski, soweit ich weiß wird das Instrument zu l a n g s a m, wenn die Polsterung zu weich ist. Durch das zurückfedern des Materials entsteht natürlich ein unsauberer Übergang. Das will man gerade für Instrumente, die schnell gespielt werden sollen vermeiden! Bei einem Anfängerinstrument mag das ja noch gehen, aber bei einem Profisax, (oder Flöte), die sehr schnell und sauber ansprechen müssen, verwischt der Ton und die Läufe klingen unsauber.
     
  4. kingconn

    kingconn Ist fast schon zuhause hier

    Wie Wildehilde schon schreibt, können zu weiche Polster Einfluß auf die Action haben, da beim Aufschlag auf das Tonloch die Klappe quasi gebremst wird. Ich erinnere mich da an die Versuche zu Impuls und Stoß in meinem Physik-Leistungskurs an der Schule. Aber lang ists her. Fumi, der ja Physiker ist, könnte uns hierzu sicher näheres sagen.

    Versuche mit Schaumstoff gibt es, siehe z.B. hier.

    Allerdings werden besonders bei diesen Polstern absolut plane Tonlöcher benötigt.

    Insgesamt hat bisher noch niemand eine bessere Lösung gefunden als gute Lederpolster.

    Nimm doch mal aus einem Polster den Karton hinten raus und klebe hinterher das Leder hinten ringsherum auf den Filz (mit Pattex, Kleben solange der Kleber naß ist, sonst geht nicht!).
    Du wirst sehen, wie weich und anschmiegsam das Polster wird.

    Schöne Grüße

    kingconn
     
  5. daskli

    daskli Ist fast schon zuhause hier

    Hi Wildehilde,
    hi kingconn,

    mir leuchte das ein, was ihr sagt.

    Je sauberer die Verarbeitung von relativ festen Materialien ist umso besser ist die Ansprache, umso schneller kann man das Instrument spielen.

    Was mich stutzig macht, ist die Sache, dass das die Firmen vor 80 Jahren oder auch Keilwerth heute auch so wußten bzw. wissen. Diese alten Saxophone sind heute zum x-male bepolstert worden, bis lang scheint es ja kein großes Thema gewesen zu sein, sonst wären die Tonlochkamine ja schon von irgendjemandem plangefeilt worden. Hatte man solche Saxophone nur relativ langsam spielen können? - Glaub ich nicht.

    Ich fühle mich von dir Kingkonn ganz richtig verstanden: ich muss das selber ausprobieren. Ich bin zwar mit dem Altsax gerade fertig geworden, aber runter mit ausgesuchten Polstern und mal sehen, was passiert, wenn diese weicher werden.

    Ich könnte mir auch vor stellen, dass die Standzeit solch weicher Polster geringer ist, weil sich alles gegeneinander bewegen kann...

    Mal sehen. Danke für die Anregungen!

    Gruß daskli
     
  6. kingconn

    kingconn Ist fast schon zuhause hier

    @Daksli

    Erstens ist das richtige Refacen unebener Tonlöcher eine erhebliche Arbeit. Zwanzig Tonlöcher perfekt zu bearbeiten dauert schon einige Stunden, die sich ein Instrumentenbauer gerne spart.
    Zweitens sind solche Saxophone oft nicht richtig dicht. Beim Einbrennen/Pressen der Polster wird eben an den unterschiedlich hohen Bereichen des Tonlochrandes der Filz im Polster unterschiedlich stark komprimiert. Da der Filz arbeitet und sich teilweise wieder ausdehnt, können dann sehr schnell Undichtigkeiten auftreten.

    Wenn Du den Karton hinten aus einem Polster rausnehmen willst, nimm eins mit Metallresonator. Da kannst Du die Umbördelung des Niets hinten rundherum gerade hochbiegen und den Niet mit Resoplatte herausnehmen. Dann das umklebte Leder hinten ablösen, Karton herausnehmen.
    Dann den Filz hinten rundherum mit Pattex bestreichen, ebenso das Leder. Ganz schnell, solange der Kleber noch flüssig ist, das Leder vorsichtig aufstreichen und solange streichen, bis es glatt sitzt. Hinterher den Reso wieder einsetzen.

    Schöne Grüße

    kingconn
     
  7. daskli

    daskli Ist fast schon zuhause hier

    Danke Kingconn für die Tipps!
    Gruß daskli
     
  8. daskli

    daskli Ist fast schon zuhause hier

    Hi Kingconn,

    ich habe meine Saxophone untersucht und bei beiden festgestellt, dass sie Tonlochränder haben, die, wie auf deine Bildern zu sehen, unsauber gearbeitet sind.

    Ich bin um die Instrumente in den den letzten Wochen wie ein gefangener Tiger geschlichen: da ist etwas nicht ganz richtig, aber sie spielen doch, was mache ich jetzt?

    Ich habe alles so gelassen wie es ist, bitte verstehe, diese Entscheidung nicht als eine Kritik an deiner Meinung, dass besonders Saxophone dann am besten zu spielen sind, wenn sie sauber aufliegen, denn die Polster sind ja wirklich groß und Fehlstellungen machen sich viel schneller negativ bemerkbar als bei Querflöten oder Klarinetten.

    Aber warum soll ich an dem Metall etwas abnehmen, wenn es einfach klappt?

    Nur weil es die Möglichkeit gibt, dass vielleicht einmal ein Ton in Zukunft nicht anspringt? Spiele ich die Instrumente so langsam, dass ich Fehler nicht merke (Gruß @ WildeHilde26)? Habe ich einen so geilen Ansatz, dass ich Fehler einfach überspiele - Hm - glaub ich nicht!? Ich habe mir doch all meine Instrumente selber bepolstert , nie darauf geachtet und irgendwie hat es doch immer geklappt?! - Wie gesagt: unentschlossen und auf der Lauer: der innere Tiger.

    Trotzdem: vielen Dank für die wertvollen Hinweise, vielleicht feile ich ja morgen schon den ersten Rand plan? ;-)

    Gruß daskli
     
  9. daskli

    daskli Ist fast schon zuhause hier

    Hi Kingconn,

    ich habe Urlaub und bastele gern, also habe ich mich doch an die Tonlochkamine von meinem Altsax gemacht.

    Sie hatten unebene Ränder, man konnte bei einzelnen Kaminen noch die stark ausgeprägten Feilhiebe sehen von der manuellen Herstellung. Ca. 10 Tonlöcher mußte ich nach arbeiten. Die Unwuchten würde ich mit 2 bis 3 10-tel Millimeter angeben. Dafür hatte ich mir keine teure Tonlochfeile genommen, sondern einen guten (sprich: planen) Abziehstein. Für diese 10 Löcher brauchte ich ca. 15 bis 20 min., d.h. es ging überraschend schnell, danach waren sie sehr eben. Bei einem Loch war ich vorsichtig: lieber etwas weniger wegnehmen, als einen zu niedirgen Rand reskieren...

    Ich war natürlich sehr gespannt, wie sich das Speilverhalten ändert! Aber das Instrument hat vorher gut gespielt und nach her auch. Eigentlich war ich enttäuscht, aber ich erkenne keine Veränderung. Ich habe mir vorgenommen , das Instrument noch einmal auf Herz und Nieren zu überprüfen, vielleicht übersehe ich ja etwas, aber die ganz ordinären Polster, die habe ich alle gelassen wie sie waren, gleichen - so wie es aussieht, die Unebenheiten besser aus, als ich es mir vorstellen konnte.

    Geschwindigkeit war und ist kein Thema, ebenso die die tiefen Töne nicht.

    Ich möchte hier aber eine Warnung aussprechen, wer mit einer Feile oder einem Abziestein nicht sicher ungehen kann, der sollte an einem so verwinkelten Objekt wie den Tonlochrändern des Saxophons nicht rumfeilen. Man muß schon sehr aufpassen! Das kann daneben gehen, ihr reskiert einen Totalschaden am Korpus!

    Gruß daskli
     
  10. kingconn

    kingconn Ist fast schon zuhause hier

    Genau, diese Arbeit sollte auch ein(e) Fachmann/-Frau machen.

    Plane Tonlöcher erleichtern das Polstern ungemein, und weil das Polster bei einem ebenen Tonlochrand gleichmäßig komprimiert wird, treten seltener Undichtigkeiten auf.

    Schöne Grüße

    kingconn
     
  1. Diese Seite verwendet Cookies, um Inhalte zu personalisieren, diese deiner Erfahrung anzupassen und dich nach der Registrierung angemeldet zu halten.
    Wenn du dich weiterhin auf dieser Seite aufhältst, akzeptierst du unseren Einsatz von Cookies.
    Information ausblenden