Unterlippe zerbeissen, oder Kussmund ziehen?

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von Hex90, 14.September.2007.

  1. Hex90

    Hex90 Nicht zu schüchtern zum Reden

    Hi,
    ich bin gerade dabei mir das Saxophon autodidaktisch bei zu bringen. Es ist mein erstes Holzblas Instrument, das ich spiele, bin also kein Klarinettist, der meint, ein Saxophon ist das gleiche nur anders ;)

    Musikalisch bin ich nicht ganz unbewandert, ich spiele auch Trompete. Aber Sax ist eben das erste Holzblasinstrument, das ich lerne.

    Jetzt hab ich mal eine Frage zum Ansatz an euch:
    Ich hab zwei Arten kennengelernt, das Saxophon zu spielen.

    1. Unterlippe über die unteren Schneidezähne klappen, und mit dem Unterkifer nach oben gegen das Blatt drücken.

    2. Unterlippe ausrollen, und nur mit der Lippe nach oben gegen das Blatt drücken.

    Ist jetzt eine der beiden Arten falsch? Welche Vorteile hat die eine Methode gegenüber der andern?

    Grüße, Dirk
     
  2. rbur

    rbur Mod

    hi, und Glückwunsch zu dieser Entscheidung!
    Letztendlich geht beides, ich ziehe die Unterlippe über die Zähne, allerdings nicht sehr weit.
    Falsch ist es allerdings, zu Beißen und mit dem Unterkiefer die Lippe hochzudrücken. Das muss mit der Lippenmuskulatur gehen.
     
  3. peterwespi

    peterwespi Ist fast schon zuhause hier

    Du sprichst die beiden Varianten des Ansatzes "Pressing" und "No Pressing" an. Ganz grob gesagt ergibt der "Pressing"-Ansatz sehr *geführte* Töne und wird meistens in der Klassischen Musik (o.ä.) angewendet. Der "No Pressing"-Ansatz ergibt einen offenen Sound, ist aber schwieriger zu kontrollieren.

    Und dazu grad noch ein Tipp: Falls du dich für den "No Pressing"-Ansatz entscheiden solltest, dann achte darauf, dass du in der hohen Lage nicht mit dem Kiefer nachdrückst. Die Töne eiern dann zwar nicht mehr so in der Gegend herum, sind aber intonationssmässig zu hoch. Das Stimmgerät ist da dein geduldiger Sparringpartner... ;-)
     
  4. Hex90

    Hex90 Nicht zu schüchtern zum Reden

    Hallo,

    erstmal danke für eure Antworten!

    Ich interpretiere das mal so, dass der Pressing Ansatz der jenige ist, bei dem die Unterlippe über die Zähne geklappt wird, und mit den Zähnen nach oben gedrück wird. Der "Non Pressing" Ansatz ist dann der, bei dem die Zähne nicht beteiligt sind. Oder hab ich das da jetzt genau verdreht?

    Meinst du mit "im hohen Bereich" den Bereich von c'' bis c'''? Oder noch höher (also Flageolett)?
    Wenn du die Flageolett Töne meinst, dann lauf ich in die Gefahr noch nicht rein. Die krieg ich noch gar nicht hin :-D

    Mit der Aussage mit dem Kiefer nachdrücken, meinst du damit tatsächlich den Unterkiefer, oder den Kinnmuskel? Soll der Kinnmuskel eigentlich helfen nach oben gegen das Blatt zu drücken, oder soll er nach unten gespannt sein?

    Grüße, Dirk
     
  5. peterwespi

    peterwespi Ist fast schon zuhause hier

    Hallo Dirk

    'Tschuldigung, dass mein Posting ziemlich knapp war - es stubste mich schon seit geraumer Zeit eine Hundschnauze - nun sind wie zurück vom joggen und die Schnauze ist auf der Schnauze...

    Deine Interpretationen sind korrekt. Salopp gesagt: Lippe nach aussen = "No Pressing", Lippe nach innen = "Pressing".

    Der hohe *Gefahrenbereich* ;-) kommt so ab G'' aufwärts. Und bei den Flagoletts ist es dann sogar erlaubt, etwas zu beissen. Hauptsache, die Dinger kommen...

    Mit den Muskeln darfst du so viel Druck ausüben, wie du willst. Du solltest sie aber nicht dazu verwenden, damit den Unterkiefer mit einer Bissbewegung an das Blatt zu drücken. Der Sound geht so in die Richtung "Pressing"-Ansatz.

    Ich erkläre den Anfängern den Ansatz in etwa so: Lege ein kleines Stück Lippe über die Unterzähne. Stelle die Oberzähne auf das Mundstück und gib Druck darauf (ich möchte hier nicht sagen, wie viel - das gibt wieder elend lange Diskussionen ;-) ...) Umschliesse das Mundstück mit der Formung des Mundes wie beim Umlaut "Ö". Gib so viel Druck mit den Lippen, wie nur geht. Die Lage der Zunge sollte sein, wie wenn du den Vokal "E" sprichst. Dann Luft und es sollte tönen.
    Bei der Frage, wie weit man das Mundstück in den Mund nehmen sollte, gibt es keine Norm-Antwort in Zentimeter, denn jede und jeder ist anatomisch anders gebaut. Mein Tipp: Nimm es mal so weit in den Mund, wie es geht und produziere einen Ton. Dieser wird wie eine gestresste Ente klingen. Dann nimmst du es so wenig wie nur möglich in den Mund und produziere einen Ton. Dieser imitiert einen Staubsauger. Und irgendwo zwischen Ente und Staubsauger ist dein optimaler Punkt - du musst ihn nur finden und deine Ohren als überwachende Referenz einsetzen.
     
  6. Gast

    Gast Guest

    Ich benutz auch eher einen Zwitteransatz. Ich ziehe normalerweise die Unterlippe eher weniger ein, aber wenn ich Klassik spiele, variiere ich meinen Ansatz dementsprechend.
    Es ist erstens eine Geschmacksfrage und zweitens eine frage des Handlings. Spiele am besten so, wie es dir am leichtesten fällt.
    Ach, und wenn du mit pressing spielst: Wenn es weh tut machst du was falsch, und wenn es anfängt zu bluten, solltest du vielleicht doch bei der Trompete bleiben ;-)
    Aber ganz offen, warne ich dich. Du solltest aufpassen, und regelmäßig bewußt üben. Viele die Holz und Blech spielen beklagen sich, dass es mehr Probleme verursacht als löst.
    Mach dich diesbezüglich nochmal schlau.
     
  7. Hex90

    Hex90 Nicht zu schüchtern zum Reden

    @ wespi: Danke für dein klärendes Posting. Hat mir wirklich zum verständnis geholfen.

    Danke für den Hinweis. Werd ich beim nächsten mal üben mal drauf achten.

    zur Trompete zurück wechseln, um mir dort die Lippen zu zerquetschen? :p
    Ne, es tut nichts weh. Weder beim Trompete spielen, noch beim Saxophon. Bei der Trompete kommt nur viel schneller die Erschöpfung der Lippenmuskeln. Beim Saxophon ist das auch nach 2-3h noch überhaupt kein Problem. Da sind eher die Daumen das Problem :)
    Aber da fehlt glaube ich einfach noch die Erfahrung. Übe ja erst seit ca. nem halben Jahr, und das sehr unregelmässig.

    Das kann ich bisher noch nicht bestätigen. Ein anderes gefühl an den Lippen, und auch ein Mundstück, das ab und an mit der Zunge in konflikt gerät hat mir eher geholfen zu beobachten, was da im und um den Mund so alles abgeht.
    Als ich noch Trompetenunterricht hatte, wollte ich auch mal noch zusätzlich im Fanfarenzug der Feuerwehr Fanfare spielen. Mein damaliger Lehrer hat mir wehement davon abgeraten, weil es schlecht für den Ansatz sei.
    Würde ich mir heute nicht mehr verbieten lassen. Gerade das spielen auf einer anderen Trompete hat mir letztes Jahr einige Fehler an mir (und auch an meinem Instrument) erst aufgezeigt, die mir vorher nie aufgefallen sind.

    Grüße, Dirk

    p.s.: wie kann ich bei einem Zitat mit angeben, von wem das stammt?
     
  8. The_Italo-Sax

    The_Italo-Sax Ist fast schon zuhause hier

    Ich verwende eigentlich auch soweit immer den ANsatz wo die Lippen zwischen den Zähnen und dem Blatt liegen...also net extrem aber halt n bissl...
    Meiner Meinung nach, versucht jeder, neben seinen eigenen Sound zu kreiieren, auch andere etwas zu imiteren. Vielleicht der eine oder andere mehr....Jeder hat soweit ich weiß Vorbilder :cool:
    Wichtig ist es jedoch seinen eigenne Sound durchzusetzen.

    Also blutende Lippen beim SAxophon? Hatte ich persönlich noch nie..wusste gar net dat es soweit kommen kann *autsch*

    Greetz
    The Italo-Sax
     
  9. Gast

    Gast Guest

    Staubsauger, Ente? Da merkt man die Lange Lehrerfahrung. Wirklich genial, das werde ich mir merken. Zwar kann ich schon spielen, aber jemand leicht und verständlich zu erklären wie er am besten spielt ist auch wieder so eine Sache.

    @peter: war das die selbe schnauze, die so cool den Blues in C performed hat?

    Jup, bei den Flaggelottes fange ich auch an zu beißen. Für das e'''' habe ich damals gekämpft bis es geblutet, dann hatte ich dann die Schnauze erstmal voll.
    Jetzt versuch ich da oben den Ton zu kultivieren und das "Beißen" abzuschalten.

    Aber nochmal ganz kurz zum Ansatz. Die Holzbläser sind meistens sowieso "Instrumentalschlampen". Die wenigsten spielen wirklich nur ein Instrument. Gerade die Saxophonisten. Die meisten spielen zwei bis 4 Saxophone, dann noch teilweise mit unterschiedlichem Settings. Jedesmal ein leicht anderer Ansatz. Und dann spielen sie meist noch nebeninstrumente, Klarinette und/oder Flöte.
    Ich habe sogar schon von Oboisten und Fagottisten gehört die mit dem Sax noch angefangen haben.
    Aber ich muß ganz ehrlich sagen, dass ich noch nie einen Saxophonisten gehört habe, der auf der Flöte wirklich gut geklungen hat. Auch wenn sie nicht ursprünglich von der Klarinette kommen, hört man das auch.

    Aber zwischen Blech und Sax soll es um einiges extremer sein. Durch bewußtest und natürlich viel üben läßt sich sowas aber meistens halbwegs in den Griff bekommen.
    Ich will dich hier nicht entmutigen sondern nur vorwarnen.
     
  10. Hex90

    Hex90 Nicht zu schüchtern zum Reden

    Danke für die Warnungen. Aber ich glaube, dass es gerade dadurch, dass es so unterschiedlich ist, einfacher ist nix zu vermischen. Das rede ich mir jetzt zumindest solange ein, bis ich es glaube :-D

    Ich spiel momentan auch nur in einer Guggenmusik und was ich privat noch für mich übe. Also keine Verpflichtungen mit meinem Spiel. Was jetzt aber nicht heissen soll, dass ich die Instrumente nicht ernst nehmen würd.

    Ich würd gern mal so in einer Jazz-Combo spielen. Aber gerade mit dem Improvisieren hab ich noch überhaupt keine Erfahrung. Aber jetzt erst mal eins nach dem anderen :)

    Grüße, Dirk
     
  11. axelmario

    axelmario Ist fast schon zuhause hier

    Wenn ich diesen Thread lese merke ich einmal mehr, was wir für ein Glück haben, dass so ein erfahrener Pädagoge wie Peter Wespi bereit ist uns bei unseren Problemen zu helfen.
    Auch bei komplizierten Themen kann er die Situation in einfachen, verständlichen Wörtern klären.
    Da kann man nur dankbar sein!
     
  12. Livia

    Livia Ist fast schon zuhause hier

    Zitat von Hex90:
    Wenn deine Daumen Schmerzen, dann ist deine Haltung falsch. Stell den Gurt so ein, dass das Mundstück ohne Hochhalten am Mund anliegt. Es sollte keine Kraft von oben auf die Daumen wirken.

    Beim Zitieren: schreib doch einfach Zitat von ... drüber :).
     
  13. Gelöschtes Mitglied 172

    Gelöschtes Mitglied 172 Guest

    rtfm
    :-D
     
  14. peterwespi

    peterwespi Ist fast schon zuhause hier

    @Darkmagic & Axel Mario:
    Danke für die verbalen Blumen :)
    Während den vergangnen 22 Jahren unterrichten ist scheinbar einiges gut verständliches hängengeblieben. Ich hab mir auch schon mal überlegt, eine eigene Schule zu schreiben. Solche gibt's aber schon wie Sand am Meer und die 2. Workshop-Collection von SOLO! hat diesbezüglich Vorrang. Aber eben: Die liebe Zeit...

    @Darkmagic:
    Jopp, es stubste der Blues-Wuschel... :-D
     
  15. der_wenzel

    der_wenzel Schaut nur mal vorbei

    Hallo,
    meine Erfahrung mit Blechbläsern zeigt, daß Holz- und Blechbläser sich mit großer Wahrscheinlichkeit mißverstehen, wenn vom Ansatz die Rede ist. Da Du vom Blech kommst, solltest Du vielleicht besonders achtsam interpretieren, was Dir hier gesagt wird.

    Wenn Du Dir die Lippe innen aufgebissen hast, liegt es wahrscheinlich daran, daß Deine Lippenmuskulatur ermüdet und nur noch wie ein nasser Lappen zwischen Deinen Zähnen und dem Blatt liegt, während sie doch aktiv den Ton beeinflußen soll (technisch gesehen: sie dämpft selektiv bestimmte Frequenzen). Eigentlich müßte man das mit dem nassen Lappen spaßeshalber mal probieren. Das heißt, Du hast - wahrscheinlich unbemerkt - die Kontrolle über das Blatt verloren.

    Um das zu vermeiden müßtest Du zunächst erkennen, daß die Muskulatur ermüdet. Aber Du weißt ja noch nicht, wie es sich anfühlt, wenn es 'richtig' ist. Also könntest Du Deinen Ansatz spielerisch erkunden. Wenn Du zum Beispiel versuchst, tiefe Töne leise zu spielen, ohne daß sie sehr rauschen und sie lange aushälst wirst Du schnell merken, wie der Ansatz ermüdet. Du wirst möglicherweise lauter, die Tonhöhe schwankt, der Mund oder die Schultern verkrampfen sich, es rauscht immer mehr und irgendwann reißt der Ton ab.

    Ein andere Möglichkeit wäre, den Ton extrem fallen zu lassen, oder nach oben zu drücken, oder bewußt die Mundhöhle zu verändern. Deiner Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.

    Sobald Du _merkst_, daß Dein Ansatz ermüdet, kannst Du rechtzeitig aufhören, bevor Du Dir die Lippe zerbeißt. Man kann ja das _tägliche_ Pensum auch auf mehrere Male verteilen. Täglich ist wichtig. Einmal in der Woche 7 Stunden zu üben bringt Dich nicht so gut voran wie täglich eine Stunde.

    Wenn man lange genug spielt, kann die Unterlippe auch außen blutig werden. Besonders die Stellen, wo die Kanten des Blattes aufliegen sind gefährdet. Seit ich meine Blätter vor dem Spielen öle und schleife, passiert mir das eigentlich nicht mehr.

    Die gute Nachricht: die Oberlippe kann man sich eigentlich nicht blutig spielen.

    Ach, und aus eigener Erfahrung: es ist zwar 'sportlicher', sich ein Instrument allein beizubringen, aber wahrscheinlich spart man sich einige Jahre, wenn man einen guten Lehrer findet (also in erster Linie einen guten Pädagogen, nicht unbedingt den Supersaxer, der so tolle Soli spielt).

    viel Erfolg
    Dirk
     
  16. Hex90

    Hex90 Nicht zu schüchtern zum Reden

    Hallo,

    danke für eure gut gemeinten und hilfreichen Antworten. Ich hab in meinem ersten Post auch mächtig übertrieben. Die Lippe hab ich mir noch nie blutig gebissen. Weder beim Sax spielen noch beim Trompete spielen. So masochistisch bin ich nicht :-D

    Die Frage war eher, wie der Ansatz auszusehen hat. Dass Blech und Holzbläser dabei aneinander vorbei reden hab ich inzwischen gesehen :)

    Ein Gefühl dafür, wann mein Ansatz nachlässt habe ich eigentlich ein recht gutes. Das kenn ich ja von der Trompete. Da kommt es viel schneller vor ;-)

    Inzwischen hab ich auch irgendwo gelesen, dass das, was ich als Lippe zerbeissen beschrieben hab, als klassischer Ansatz bezeichnet wird, und das, was ich als kussmund beschrieben hab, als moderner Ansatz beschrieben wird. Und dass beides gleichermassen richtig ist. Stimmt das soweit?

    Grüsse, Dirk
     
  17. claptrane

    claptrane Strebt nach Höherem

    Ja, stimmt soweit.
    Ich würde an deiner Stelle glaub ich den modernen Ansatz probieren, da du ja von der Trompete schon durchtrainierte Lippen hast.
     
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