Das Kreuz mit dem Perfektionismus

Dieses Thema im Forum "Saxophon spielen" wurde erstellt von Saxoryx, 17.Oktober.2021.

  1. GelöschtesMitglied11073

    GelöschtesMitglied11073 Guest

    Stattgegeben,weil wie gesagt,das ist bei mir so,wird aber bei jedem anders sein ;-)
     
  2. visir

    visir Gehört zum Inventar

    80% wovon? Vom gesamten Weltwissen/-können?
    Die leidigen 80% können sich immer nur darauf beziehen, was man sich im Moment gerade vornimmt. Nicht auf alles andere, was sonst noch existiert.
    Ich gehe ein Etüde an und will da schon mehr als 80% erreichen, aber 100% werdens nicht werden. Aber wieviele tausend Etüden gibt es? Das sind nie meine 100%, sondern die eine, die ich angehe.
    Freilich kann man auch einen größeren Rahmen sehen: mancher will sich das Thema "bebop" oder "funk" oder was auch immer erarbeiten. In welchem Maß (sofern überhaupt bestimmbar) - mag sehr verschieden sein. In einer akademischen Karriere höher als beim Hobbymusiker. Aber dann ist dieser Rahmen 100%, und auch nicht die ganze Musikwelt aller Zeiten.
     
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  3. JES

    JES Gehört zum Inventar

    @visir
    Die 100% hatte ich benannt.
     
  4. altblase

    altblase Strebt nach Höherem

    Ich formuliere es mal so: Wenn ich spüre, dass ich über ein Musikstück die absolute Kontrolle erreicht habe, sind das für mich die 100%, natürlich nur bezogen auf das betreffende Stück, nicht auf das Gesamtkönnen.:cool:
     
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  5. ppue

    ppue Mod Experte

    Das Gefühl hatte und habe ich nie. Die Kontrolle zu haben, ist nicht mein Bestreben.
    Es ist auch nicht mein Bestreben, mein Instrument zu beherrschen.
    Meist ist es eine Art Zwiegespräch zwischen mir und dem Instrument, wenn ich überhaupt beide noch voneinander trennen kann.

    Bei der Bassklarinette habe ich oft den Eindruck, sie beherrscht mich. Sehe mich aber dennoch in der Rolle eines Dompteurs und irgendwie bekommen wir dann als zwei Alphatierchen die Show gerockt. Bei ihr ist das Spannende, dass diese Art Kampf eine starke Außenwirkung hat. So ganz das Gegenteil von Freeblowing.
     
  6. Rick

    Rick Experte

    Ein sehr interessanter Gedanke!
    Ja, vieles Künstlerische beim instrumentalen Musizieren entsteht auch nicht durch das Vorhören und dann Umsetzen dessen, was man spielen will (und wird), sondern aus dem Dialog mit dem, was mir das Instrument "vorgibt", wie es mich herausfordert.

    Ich persönlich kenne das besonders vom Spielen verschiedener Klaviere und überhaupt bei Tasteninstrumenten - jedes ist vom Gefühl und Sound her irgendwie anders, speziell, man muss sich darauf einstellen und kann dann eben nicht alles so umsetzen wie auf dem gewohnten Instrument - eine ewige Herausforderung für Pianisten.

    Beim Sax hingegen, wo ich ja in der Regel MEIN Instrument spiele, ist es immer die Korrespondenz mit dem Blatt - was erlaubt es mir gerade, was verbietet es mir (z. B. High Notes oder satte tiefe Töne).
    Natürlich erlaubt es im Idealfall alles, aber auf der Bühne muss man unter Umständen (Blatt war vorher super, aber wird während des Auftritts immer weicher, ich muss auf ein neues, noch nicht perfekt eingespieltes zurückgreifen) auch mal mit zu weichen oder noch etwas zu harten Exemplaren zurecht kommen. Selbst die Intonation kann sich dabei durchaus verändern, also irgendwie ausgleichen...

    Vielleicht ähnlich wie beim Reiten: Ich muss das Tier als Partner wahrnehmen und mich darauf einstellen, wie es gerade drauf ist. Man reitet nie ganz alleine, sondern immer als Paar - doch der Reiter sollte schon bestimmen, wo es wie schnell lang geht. ;)
     
    Zuletzt bearbeitet: 19.Oktober.2021
  7. JES

    JES Gehört zum Inventar

    So geht es mir auch. Daher ist es für mich auch spannend zwischen verschiedenen saxophonmodellen zu wechseln, da die mir alle ein anderes Feedback geben.

    Trotzdem hat jedes Pferd seinen Charakter, das eine rennt lieber statt zu springen,.... und wenn du zu bestimmt bist, fliegst du runter.
     
  8. Gelöschtes Mitglied 1142

    Gelöschtes Mitglied 1142 Guest

    Meine 100% basieren auf meiner Selbsteinschätzung.
    Mein „Werkzeugkasten“ enthält Teile, die ich für ziemlich perfekt halte. Das sind Instrument, Mundstück, Blatt, Gurt bzw. Freeneck.
    Und dann enthält er Komponenten wie z.B. Talent, Ehrgeiz, Fingerfertigkeit, Ansatz, Tonbildung, Gehörschulung, Musikalität, Zeitkontingent.
    Und da gibt’s reichlich Defizite.
    Wenn ich nun diese Defizite ins Verhältnis zum Zeitkontingent stelle, erkenne ich schnell, wo „meine 100%“ erreicht sein werden. Und wenn ich davon 80% erreiche, sollte ich zufrieden sein. Okay, bin ich nicht immer :) oder eher selten oder eigentlich nie :)
     
  9. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Menschen lernen aus Wiederholung (nennt man auch Üben).
    Paradoxerweise sind Menschen vom Mindset aber offenbar gar nicht optimal dafür ausgestattet, Dinge immer wieder gleich auszuführen. Das Gehirn sucht die Variation, sucht den Fehler wenn man so will, weil es Entwicklung und Lernen bedeuten kann und sich offenbar in der Evolution bewährt hat (hab ich mal so gelesen).

    Das Schwierige ist jetzt, dieses Paradoxon zu akzeptieren, das Üben nicht aufzugeben, den Fehler zu bekämpfen und dabei trotzdem als "situativ unpassenden Ausdruck einer eigentlichen Stärke" zu akzeptieren. (Blabla)
     
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  10. Rick

    Rick Experte

    Meiner Ansicht nach wollen die wenigsten Pferde springen (siehe die letzten olympische Spiele), das ist eine starke Vertrauenssache zwischen Pferd und Reiter.
    Aber wenn mein Blatt im Bedarfsfall nicht "springen" möchte, dann ist es für mich leider ungeeignet. ;)
     
  11. bluemike

    bluemike Ist fast schon zuhause hier

    Hi,

    dieser Konditionalsatz gefällt mir extrem. Nur am Rande...
     
  12. ppue

    ppue Mod Experte

    Eine Binse von mir heißt: Wertvoll ist, was rar ist. Den Satz kann man anhand fast aller Dinge und auch Tätigkeiten des täglichen Lebens überprüfen.

    Ein langer gleichartiger Ton wird auf Dauer leiser im Ohr bzw. leiser wahrgenommen. Deshalb tut man gut daran, ihn wieder interessant zu machen, indem man am Ende ein Vibrato spielt.
    Immer nur Linsensuppe, um mal banaler zu werden, schmeckt am dritten Tag schon nicht mehr.

    Wir brauchen und sehnen uns nach dem Raren, dem Wertvollen. Aufregend ist das Einzigartige und Neue.

    Die Kreativität lebt vom Schöpfen, von der Erneuerung aus dem Alten heraus. Aber es muss meines Erachtens nicht durch Fehler geschehen. Der Fehler ist vielleicht überhaupt, einem schöpferischen Akt einen Fehler zu unterstellen.
    Die Kunst ist es, sich selber zu überraschen, selber neue Wege zu erspüren, sie als Weg zu erkennen und als Weg zu akzeptieren.
     
  13. monaco

    monaco Ist fast schon zuhause hier

    Ja, mir auch. Perfekt wäre für mich ein Zustand, in dem weder ich das Instrument spiele noch es mit mir. Eine Verschmelzung zu einem Ton, das hat etwas sehr meditatives. Schließlich klingt nichts für sich allein, sondern nur Körper und Instrument zusammen.
     
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  14. JES

    JES Gehört zum Inventar

    Wenn ein Pferd nicht springen will, dann weil Pferde in der Natur auch selten springen. Pferde springen, und hier sogar hoch und an die biologischen Grenzen, weil sie müssen. Ich persönlich halte von Leistungssport mit Tieren gar nichts, weder Dressur, Springen, military, Rennen und was es sonst noch gibt. Das ist kein Spaß und ergeizig ist nur der Reiter. Der ist aber nach 10 Jahren auch nicht verschlissen.
     
  15. visir

    visir Gehört zum Inventar

    z.B.

    (dass es das gibt, habe ich auch erst kürzlich mitbekommen)

    Je mehr Geld dahintersteht, desto mehr Tierquälerei, aber das ist auch bei den Menschen nicht anders: je mehr Geld dahintersteht, desto mehr werden Menschen ausgebeutet. Jetzt freilich sehr vereinfacht ausgedrückt.

    Aber es ist nicht so, dass Pferde gar keine Freude an Bewegung haben und daran, ihre Kraft/ Fähigkeiten zu zeigen. Wie die Menschen auch...
     
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  16. Gerrie

    Gerrie Strebt nach Höherem

    Die Anforderungen steigen, im Beruf ist mir das besonders aufgefallen.
    Das es Steigerungen in der Produktivität gibt war mir vor 40 Jahren schon klar.
    Die tatsächlichen Entwicklungen haben mich dann doch überrascht. Auch die Belastung die dadurch entstanden ist.

    In Gesprächen mit Menschen unterschiedlicher Berufsgruppen stelle ich immer wieder fest das es für viele sehr belastend ist immer schneller in kürzester Zeit die Aufgabe zu bewältigen.

    In der Freizeit wollen einige gar nicht perfekt sein, und erwarten es auch nicht zwangsläufig von Ihrem Umfeld.
    Vor kurzem hat eine Frau, die fast immer unserer Freitagsmusik zuhört gesagt das Sie das nach der Arbeit in vollen Zügen genießen kann. Für sie der optimale Start ins Wochenende. Sie findet es toll weil sie sieht das wir Spaß haben und es mit Begeisterung machen. Auf die Tatsache angesprochen das wir keinen Proberaum haben und nicht alles perfekt gespielt ist meinte sie das es keine Rolle spielt. Sie muss die ganze Woche Perfektion abliefern und funktionieren.

    Es gibt viele Beispiele wo sich Menschen gezielt gegen Perfektion entscheiden.
    Der reiche Unternehmer, der sich einen VW T3 kauft und damit in den Urlaub fährt um sein Leben zu entschleunigen.

    Grüße Gerrie
     
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  17. SaxFrange

    SaxFrange Ist fast schon zuhause hier


    Aber liebe Mitspieler hier, kenne nur 1 (ne) hier die es wagt unter 80 % zu Spielen und das mutig einzustellen.
    (Die obige ist es nicht.)

    Die meisten Veröffentlichungen hier sind doch auf CD Verkaufs Niveau. Playpack perfekt angepasste Töne.

    Habe das Gefühl unter 100 % geht hier gar nix.
    Der Beweis kommt demnächst mit den Weihnachtsliedern.

    Mein Vorschlag wäre eine ,,Saxophon Weihnachts Jahres CD Edition 21,, und das wäre der Hit !

    Hier sind solche Top Fachleute und begabte Musiker wo ich mich frage warum bleibt das nur im Forum.

    Es kann doch nicht an der GEMA liegen oder? Das würde auch Geld einspielen.
    Wer es nicht braucht, könnte es ja spenden und das wäre ein zusätzlicher Anreiz.

    Nur mal so in der Mittagspause gedacht.
    Beste Grüße Friedrich
     
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  18. jimi

    jimi Ist fast schon zuhause hier

    Perfekt. Was ist perfekt. ? Ich denke lieber. VERGLICHEN MIT WAS.:)
     
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  19. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Perfekt ist kein Komparativ. Zumindest semantisch ist die Frage klar. :)
     
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  20. SaxFrange

    SaxFrange Ist fast schon zuhause hier

    Wer beruflich 100% leisten soll weil jedes % weniger Reklamation und Kosten verursacht ist gestresst.

    Zu 80% :speechless:
    Es sei denn es handelt sich um ein Talent.

    Wären die Könner an der richtigen Stelle, gäbe es weniger Stress.
     
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