Herrenberg-Urteil

Dieses Thema im Forum "Eigene (musikrelevante) Themen" wurde erstellt von last, 2.Juli.2024.

  1. ilikewoods

    ilikewoods Ist fast schon zuhause hier

    Was mir bei Schülern im Mittelstufenalter auffällt (die alle aus gut betuchtem Hause kommen), ist, dass sie auch gar keine Zeit haben, zu üben, weil der komplette Tag durchgetaktet ist und neben Saxophon- ja auch noch Kampfsport gelernt wird, Schwimmkurs, und und und. Die haben so viele verschiedene Hobbies und Termine, dass mir schwindelig wird. Es gibt halt keine Langeweile mehr, welche aber die Grundlage ist, sich für irgendetwas Künstlerisches wirklich zu begeistern und Arbeit reinzustecken. Wenn ich ständig die Auswahl zwischen dutzenden Aktivitäten habe (darunter Drogen wie Handy), kann ich keine Hartnäckigkeit aufbringen, es sei denn, ich brenne wirklich einhundertprozentig von Anfang an dafür.
     
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  2. ilikestitt

    ilikestitt Strebt nach Höherem

    Ich erlebe auch kaum noch, so wie ich es aus meiner Jugend kenne, daß man sich als Schüler privat trifft, Musik hört, Musik zusammen macht und drüber redet. Da wird dann wirklich erwartet, daß Jemand die Band auf dem Silbertablet bringt damit sie auch mal miteinander privat musizieren.
     
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  3. ilikewoods

    ilikewoods Ist fast schon zuhause hier

    Davon kann ich ein Lied singen. Habe meine halbe Jugend hindurch, in Kassel und Umgebung abgesehen von den zwei Jamsessions, die es im Monat gibt (inzwischen auch nur noch eine), versucht, Leute zum
    Spielen zu finden. Ich bin dann in immer mehr Amateurbands reingerutscht, wo aber selten jemand unter 50 war. Selbst, wenn ich Leute in meinem Alter traf, die selbst Jazz oder jazzähnliche Musik spielen, war da nichts zu machen. Ich kenne einen, der auch demnächst anfängt, Jazz zu studieren, aber selbst bei Sessions kaum da war, weil er lieber in der Zeit mit Freunden abhängen wollte (nicht zum Musik machen).

    Wenn ich überlege, wie viele meiner 120 Jahrgangsgenossen an der Oberstufe überhaupt ein Instrument spielten, kann ich die an einer Hand abzählen, glaube ich. Wenn ich grob falsch liege, brauche ich beide Hände.

    Ich komme auch aus einer Kleinstadt, in Berlin ist das hoffentlich etwas lebendiger.

    Es fällt aber insgesamt auf, wie viel Wert einerseits auf Musik gelegt wird, dass gern Musik gehört wird und Leute sich stark mit ihren Lieblingsbands identifizieren, gleichzeitig jedoch niemand Austausch über Musik sucht.

    Vielleicht ist das meine Perspektive als jemand, der sehr für Musik brennt, allein fällt mir auch nicht ein, dass ich mal gehört hätte, dass jemand gerne analytisch über Musik reden wollte. Damit meine ich kein Raushören der changes, sondern etwas wie "die Stelle gefällt mir gut, weil ... " - Es wird alles nur mit "vibes" beschrieben, egal ob Musik oder Filme.

    Ich kann das schwer nachvollziehen, zumal die Jugend ja so emotional und tiefgründig sein soll. Ich kann eigentlich bei jedem Kunstprodukt, dass mich anspricht, grob bennen, was es in mir auslöst und was mich daran reizt/fasziniert. Dass das anderen Menschen derart schwer fallen soll, kann ich mir nicht vorstellen, eher denke ich, dass die Leute sich aus irgendwelchen Gründen komisch vorkommen, wenn sie über so etwas sprechen.

    Klar, man will nicht irgendwelchen Kumpels erzählen: ,,Bei dem Text muss ich immer an ... denken und werde sentimental", aber so privat muss es ja gar nicht werden.
     
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  4. Woliko

    Woliko Ist fast schon zuhause hier

    Der Begriff wird ja seit Generationen in einem gewissen Alter verwendet, um dich selbst als Gegensatz zu „definieren“. Ich fand es eine Zeit lang widersprüchlich, dass viele meiner Altersgenossen ihre Antispießigkeit dadurch zum Ausdruck bringen wollten, dass sie zu allen passenden und unpassenden Gelegenheiten Jeans trugen, sich darüber aber im Grunde selbst als eine „Spießerspecies“ gerierten.
     
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  5. ilikewoods

    ilikewoods Ist fast schon zuhause hier

    Nun, ich denke, der Rassismus, der Sexismus und weitere Probleme unserer Kultur (die längst nicht nur unsere Kultur hat) sind verwoben mit den Lichtseiten/Errungenschaften dieser Kultur (Musik, Literatur...). Insofern kann ich mir durchaus vorstellen, dass das Einreißen der Konventionen, was als "schön", "modisch" oder "künstlerisch wertvoll" gilt, auch mit einer positiven Veränderung betreffend die Toleranz von unkonventionellen und seltenen Lebensweisen und Ansichten einhergegangen ist. Das eine muss nicht immer mit dem anderen einhergehen, es scheint aber in der Geschichte oft der Fall zu sein, weshalb wohl totalitäre Systeme gerne Kunst und Kultur in eine bestimmte Richtung lenken wollen, die parallel zu ihrer Ideologie läuft.
    Ich sage nicht, dass deswegen die Kunstwerke selbst "toxisch" seien, aber sie kommen eben von den gleichen Leuten, von denen auch weniger Schönes kommt, bzw. wurden sie in der Rezeptionsgeschichte oft für fragwürdige Ansichten instrumentalisiert und damit durch das Publikum gefärbt. Man denke daran, dass Kant oder sogar Karl Marx in Sachen Rassismus ihrer Zeit nicht wirklich voraus waren. Unabhängig von Goethes Intentionen bereitete unter anderem der Faustkult, der sich in Deutschland im 19. Jahrhundert bildete, Närboden für die Nazis (soll nicht heißen, die wären ohne Goethes Existenz nicht trotzdem an die Macht gekommen).
    Nachdem wir jetzt eine Zeit lang auf einen Großteil unseres kulturellen Erbes verzichtet haben, können wir es ja in Zukunft wieder wertschätzen üben, ohne deswegen Plätze nach Bismarck zu bennen oder uns wieder einen Kaiser zu wünschen.
     
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  6. _Eb

    _Eb Ist fast schon zuhause hier

    @ilikewoods Wolltest du damit dem Rassismus und dem Faschismus das Wort reden?
    Den Faschismus als unschön zu bezeichnen ist wirklich ein inakzeptabele Verharmlosung.

    Manchmal habe ich bei deinen Beiträgen echt ein Schleudertrauma vom Kopfschütteln..
     
  7. altblase

    altblase Strebt nach Höherem

    Wie unterschiedlich die Wahrnehmungen sind! Ich finde die Beiträge von @ilikewoods originell und gut. Ihn die Verharmlosung des Rassismus/Faschismus unterjubeln zu wollen, finde ich mehr als bedenklich :cool:
     
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  8. Dreas

    Dreas Gehört zum Inventar

    Ganz Deiner Meinung. Und der Verharmlosungsvorwurf ist völlig unangebracht ohne jede Grundlage.

    CzG

    Dreas
     
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  9. Kohlertfan

    Kohlertfan Strebt nach Höherem

    @_Eb Ich finde diese zunehmende Gedankenkontrolle und die "Worst Case" Interpretationen bedenklich.
     
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  10. Katzenmusiker

    Katzenmusiker Administrator

    @_Eb, schalte bitte einen Gang runter. Das hat er nicht gesagt.
     
    Zuletzt bearbeitet: 3.Juli.2024
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  11. ilikewoods

    ilikewoods Ist fast schon zuhause hier

    Es gibt leider einige Mitglieder in diesem Forum, die in jeden meiner Posts das Schlechteste lesen. Ob aus Bosheit oder ... Da ist auch weniger wichtig. Wichtig ist, dass es eine Ignorierfunktion gibt, die ich selten nutze, aber die dir zB freisteht.

    Edit: Was hier eben stand, habe ich gelöscht, weil es doch nicht klug ist, mich gegenüber dir zu rechtfertigen, dass ich kein Nazi bin.
     
    Zuletzt bearbeitet: 3.Juli.2024
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  12. JES

    JES Gehört zum Inventar

    Ich habe auch eher den Eindruck, dass die Jugend andere Prioritäten hat als zu meiner Zeit.
    Kultur wird eher konsumiert statt aktiv daran teilzunehmen. Internet und Handy sind als zeitfresser dazugekommen. Tatsächlich aktiv wird man eher in Bereichen, wo es um's gewinnen geht. Leider unterstützt meine Generation das indirekt dadurch, dass wir durch Beruf und Arbeit auch etwas den Genuss der Kultur aus dem Fokus verlieren und lieber Urlaub machen, etc.. In der Schule stehen dann auch eher andere Fächer als Musik und Kunst, geschweige freiwillige Angebote auf der prioliste.
    Und abends lockt die glotze mit Unterhaltung a la Hollywood, statt Theater, Konzert,... Damit verliert die Kunst ihren Wert und Wertschätzung. Zumindest empfinde ich das so.
    Wenn aber die Gesellschaft sich immer weniger mit Kunst auseinandersetzt, fehlt die Diskussion darüber, die für eine Weiterentwicklung wichtig wäre. Das ganze stagniert, wird langweilig, uninteressant...
    Das Ergebnis ist, dass weniger Menschen/Jugendliche ein Instrument spielen wollen, die, die es tun dann aber bitte zur "Elite" gehören wollen, also berufsmusiker mit anständigem Gehalt. Der teil der"volksmusiker" fehlt bzw verlagert sich richtung gen 50+, also derer, die noch mal wissen wollen.
    Was bedeutet das für die musikschule?
    M. E. werden musikschüler älter. Deren Ansprüche sind dann aber andere. Dazu kommt eine kleine Gruppe derer, die beruflich in die Richtung gehen wollen und quasi gecoacht werden wollen/müssen. Beide Gruppen lassen sich ihre "Ausbildung" was kosten, erstere, weil sie es sich leisten können, letztere, weil sie es als Investition in ihre Zukunft sehen.
    Was die kosten honorarvertrag vs festanstellung angeht, sorry, kann ich nicht nachvollziehen. Bin kein bwler. Wenn ich als AG bereit bin fur einen Lehrer bspw 30€ auszugeben, dann bekommt der honorarlehrer die 30€ komplett und muss davon vielleicht 6€ Sozialabgaben zahlen. Der festangestellte bekommt 27€, weil er 3€ SV bezahlen muss, der AG die anderen 3€. Unterm Strich.....
     
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  13. scenarnick

    scenarnick Administrator

    Lieber @JES

    Ich stehe zeitlich betrachtet zwischen Paul und Dir denke ich mal. Ich erinnere mich an meine Jugend in den 80ern zurück und wenn ich heute darauf schaue, dann haben auch wir Kultur eher konsumiert als sie zu gestalten. Der Anteil der jungen Menschen, die aktiv Musik, Kunst oder Theater betrieben haben, war ähnlich verschwindend gering wie es Paul schildert. Unsere Bemühungen, in einem Jahrgang von 120 jungen Menschen einen Musik-LK zu füllen, verliefen im Sande (für 6 Leute konnte man keinen eigenen Leistungskurs aufmachen, die Tatsache, dass die 6 dann einen Grundkurs bekamen und 5 Musik studiert haben, spricht Bände).

    Wenn es also tatsächlich eine Veränderung gegeben hat, was ich nicht beurteilen kann, dann muss die zu oder vor "meiner" Jugendzeit stattgefunden haben und nicht erst heute.

    Nur mal so, um das zeitlich etwas einzuordnen. Deine weiteren Beobachtungen (Musikschüler werden älter, gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Kunst wird elitärer) sind richtig, aber auch die gab es schon zu "meiner Zeit".

    Ich wage jetzt mal zu behaupten, dass wir die Anfänge davon (falls man sie denn überhaupt bestimmen kann) eher in den 60ern zu suchen haben.

    Ist aber nur ein Nebenthema.
     
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  14. Dreas

    Dreas Gehört zum Inventar

    Er muss 10,98 zahlen. KV, RV, PV, Arbeitslosenversicherung muss er nicht zahlen. Von der gesetzliche Rentenversicherung könnte er sich befreien. Altersvorsorge muss er dennoch vornehmen.

    Die 30,- bekommt er nur für die abzurechnenden Stunden. Davon sind auch noch Urlaub, Feiertage und ggfs. Ausfalltage wegen Krankheit zu finanzieren.

    Steuern nicht vergessen. Die hat der Angestellte in ähnlicher Höhe auch.

    CzG

    Dreas
     
    Zuletzt bearbeitet: 3.Juli.2024
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  15. onomatopoet

    onomatopoet Ist fast schon zuhause hier

    Der Arbeitgeber zahlt für den Musiklehrer aber 3500 -5500 brutto, egal ob Ferien oder der AN krank ist, im Honorvertrag bekommst Du nur die geleisteten Stunden bezahlt und musst selbst KSK und Steuern bezahlen (das sind deutlich mehr als 20%), also für eine Musikschule/Kommune schon eine erhebliche Mehrbelastung.
     
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  16. onomatopoet

    onomatopoet Ist fast schon zuhause hier

    Genau, kenne es auch nur so, dass Honorarverträge über ein Jahr laufen und dann ggf. verlängert, stundenmäßig nachjustiert oder eben nicht verlängert werden.
     
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  17. ilikestitt

    ilikestitt Strebt nach Höherem

    Theater und Konzerte musst du dir erstmal leisten können. Da haben sogar Erwachsene heute oft Probleme da die Kartenpreise mitterlweile stark gestiegen sind, ohne daß die Bezahlung der Künstler besser geworden ist.

    Das kann ich nicht bestätigen. Wenn ich an all die Diskussionen denke beim Honorar, die ich schon führen musste. In einer Stadt wie Berlin kann ich vom Preis nicht über die Preise der öffentlichen Musikschule gehen, denn mit denen konkurriere ich ja, nur werden die Musikschulen und deren Lehrer bis jetzt vom Staat subventioniert (Lehrer bekommen mehr Geld als für den Unterricht pro Stunde Unterricht eingenommen wird). Da ist es egal, ob die Person arm oder Multimillionär ist, die Diskussionen sind die gleichen.
    Für die Honorarkraft muss die Musikschule nicht die Hälfte an die Krankenkasse zahlen, sondern einen geringeren Betrag an die KSK im Gegensatz zum Festangestellten.
     
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  18. ilikestitt

    ilikestitt Strebt nach Höherem

    In meiner Jugend wurde das durch einen bezirksübergreifenden Musik-LK der dann immer Nachmittags war gelöst.
     
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  19. scenarnick

    scenarnick Administrator

    Im ländlichen Ostwestfalen Lippe waren wir "bezirksübergreifend" :)
     
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  20. ilikestitt

    ilikestitt Strebt nach Höherem

    In die Rentenversicherung musst du erstmal gar nicht zahlen als Selbstständiger, kannst es aber freiwillig machen, wenn du so doof bist wie ich (ich finde Jeder sollte da einzahlen müssen, auch die Beamten).
    Viele Musiker sind nicht in der Lage finanziell eine Altersvorsorge zu machen.
     
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