Herrenberg-Urteil

Dieses Thema im Forum "Eigene (musikrelevante) Themen" wurde erstellt von last, 2.Juli.2024.

  1. Sohn der Alpen

    Sohn der Alpen Ist fast schon zuhause hier

    Ich meine das ganz ernst. Wenn Du mit der Gebührenordnung der MS nicht zufrieden bist, solltest Du wechseln. Das die Gebührenordnung so ist, wie sie ist, hat seine Gründe.
    Deine Annahme, Musikschullehrer würden in den Ferien nicht arbeiten ist schlicht falsch. Und wie gesagt. Die Arbeitszeit einer Musikschullehrkraft ist die gleiche wie bei einem Schullehrer.
     
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  2. Rick

    Rick Experte

    Üblicherweise wird das Einzelhonorar auf das Jahr hochgerechnet und dann durch 12 geteilt.

    Beispiel:
    Unterrichtseinheit € 50,-
    Unterrichtstermine im Jahr: 40
    Berechnung: 50 x 40 : 12 = ca. 167,- / Monat

    Du bezahlst also nicht dem Lehrer die Ferien, sondern hast lediglich die Honorare aufs Jahr gestreckt und in kleinere Monatsbeiträge aufgeteilt.
     
  3. Gelöschtes Mitglied 15706

    Gelöschtes Mitglied 15706 Guest

    Wäre jetzt für mich interessant, was ein Musikschullehrer wirklich pro Stunde kriegt und wie viele Schüler er braucht, um zu überleben.

    167€ pro Monat pro Schüler bei 1 Wochenstunde pro Schüler. Macht bei 30 Wochenstunden 5000€, wobei dann noch Arbeitszeit für Konferenzen und anderes dazukäme. (Deshalb habe ich 5 Stunden Puffer zur Durchschnittswochenarbeitszeit gelassen)

    Die 5000€ sind dann aber wohl für die Musikschule, davon gehen also noch Steuern und bei Festanstellung sowohl die Arbeitgeberanteile der Sozialversicherungen als auch die Arbeitnehmeranteile derselben ab. Außerdem Geld für Putzfrau, Raummiete oder was weiß ich, solange die Musikschule nicht staatlich bezuschusst wird.

    Da ist man schnell bei: Kein so tolle Gehalt, zumindest, wenn man in einer großen Stadt wohnt, wo Mieten teuer sind
     
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  4. Dreas

    Dreas Gehört zum Inventar

    Meinst Du als Honorarkraft?

    Ich denke ca. 30,- bis 40,- je Stunde bekommt er von der Schule. (Ich sehe da eher 30,-)

    Für Putzfrau, Raummiete zahlt er nichts, dass ist über die Marge der Schule abgedeckt.

    Jetzt kannst Du selbst rechnen:

    - Sozialabgaben: 36,6%
    - Steuern: ca. 11% bis 17% je nach EK, Steuerklasse I
    ohne Kinder und Kirchensteuer

    Weitere Betriebsausgaben: sehr individuell

    Du weißt selbst, was für Dich auskömmlich wäre. Netto kannst Du jetzt ausrechnen und damit auch die Mindestzahl der Schüler.

    CzG

    Dreas
     
  5. Woliko

    Woliko Ist fast schon zuhause hier

    Wobei m.W. eine solche Wochenstundenzahl nur schwer erreichbar ist und u.U. mehr als eine Stelle, verbunden mit Zeitaufwand für die Fahrerei zwischen den Stellen, erfordert.
     
  6. _Eb

    _Eb Ist fast schon zuhause hier

    Das meinte ich auch nicht.
    Und das denke ich auch nicht..

    Nur finde ich die Formulierung des Beitrags zumindest unglücklich.

    Daher die deutliche Reaktion...
    Die Grundfunktionen des Forums sind mir bekannt und wenn ich es für anhebracht halte nutze ich sie auch...

    Auf der Liste stehen aber nur drei..
     
  7. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Was du hier beschreibst, ist im Prinzip die gängige Rechtfertigungen der sogenannten Cancel-Culture.
    Meines Erachtens einer der größten Irrtümer der „modernen Linken“ und nebenbei ein starker Katalysator von Populismus und dem viel beklagten „Fehlen des moralischen Kompass“.

    Ganz simpel ausgedrückt:
    Klingt Stan Getz’ Solo auf Girl from Ipanema musikalisch-analytisch betrachtet anders, wenn man seine Alkohol- und Gewaltexzesse kennt?
    Ist der kategorische Imperativ nicht mehr als sinnvolles Gedankengut zur Basis unseres modernen Moralverständnisses nachvollziehbar, weil Kant antisemitische Äußerungen von sich gegeben hat?

    Die Annahme, dass dies so sein könnte, ist krass antiaufklärerisch, weil sie die Möglichkeit des eigenen Denkens und die Existenz der Idee unabhängig von einer Biographie abstreitet. Wer von Kant wirklich etwas gelesen hat, und auch nur einen Funken verstanden hat, lernt dort Ideen und eine Philosophie kennen, die die beste Grundlage dafür ist, Rassissmus oder Antisemitismus überhaupt abzulehnen. Das Kant hier vielleicht nicht im Sinne seiner Philosophie gedacht hat, kann einen emotional abstoßen, aber nicht die Philosophien entwerten, solange diese nachvollziehbar sind.
    Die Absurdität der Argumentation kann man sich mit Naturgesetzen vor Augen führen:
    Verliert denn der Satz von Pytagoras seine Gültigkeit, wenn sich herausstellen sollte, das Pytagoras etwas gegen Homosexuelle hatte?
    Natürlich nicht. Aber diese Denkweise spielt dem Kampf gegen die Wahrheit in der Tasche.
    So, genug der Politik. :)
     
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  8. Tröto

    Tröto Ist fast schon zuhause hier

    Keine Gegenrede zu Dir, @giuseppe, sondern nur ein Beispiel, dass es ggf. im Einzelfall schwierig sein könnte, Deine stringente und überzeugende Argumentation zum Tragen kommen zu lassen: der jahrzehntelange Boykott, die Werke Richard Wagners in Israel aufzuführen.
     
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  9. Gelöschtes Mitglied 15706

    Gelöschtes Mitglied 15706 Guest

    Alles richtig, sehe ich auch so. Nur, falls der Eindruck entstanden ist, ich würde Cancel Culture das Wort reden. Wir sind gerade quasi am anderen Ende des Pendelschwungs angekommen.
     
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  10. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Das ist ein sehr gutes Gegenargument, @Tröto, und es bringt mich tatsächlich zum Nachdenken, weil ich kein besonders großer Wagnerfan bin, auch musikalisch, und deshalb die unabhängige Verteidigung (unpolitischer) Teile seines Werkes im Sinne meines Arguments natürlich eine Herausforderung für mich darstellt.

    Es ist natürlich offensichtlich, warum es in Israel nicht so viele eingefleischte Fans eines Komponisten gibt, der schon 1 Jahrhundert vor der israelischen Staatsgründung antisemitisch publiziert hat und dessen Musik im 3. Reich instrumentalisiert wurde. Ich möchte auch gar nicht darüber debattieren, ob sein Werk selbst nun politisch geprägt sei, oder nicht.
    Was die Musik der Romantik, die Etablierung von Dissonanzen, die unendliche Melodie, die Vorbereitung eines atonalen Denkens und das moderne Musiktheater als Gesamtwerk betrifft, kommt man musikalisch, kompositorisch und musikwissenschaftlich aber nicht an ihm vorbei.

    Nach meiner Argumentation müsste sein Werk deshalb in Israel nicht aufgeführt, an den Hochschulen aber dennoch analysiert und unterrichtet werden, wenn man nicht aus politischen Gründen bestimmte Lehrmeinungen unterbinden will.
     
  11. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Nein, @ilikewoods, du bist für mich relativ unverdächtig, unüberlegt und pauschal modische Positionen zu vertreten. Da du aber jung bist und aufgrund deines Geschmacks gezwungenermaßen auch mit Rentnern musizieren und abhängen musst, bist du halt ein Verbindungsoffizier und Ansprechpartner. :)
     
  12. Rick

    Rick Experte

    Kann ich nicht empfehlen, das ist dann schon Fließband-Unterricht, macht den Lehrer kaputt und bringt deshalb den Schülern nichts.

    Du hast da außerdem keine Energie mehr für Proben und eigene kreative Tätigkeiten.
    Nur Lehrer zu sein hätte mich nicht befriedigt, der Unterricht war immer nur ein weiteres Standbein.

    Merke: Unterricht ist keine stupide Bürotätigkeit, denn idealerweise stellt man sich auf jeden Schüler individuell ein, auch auf dessen Fähigkeiten und geschmackliche Vorlieben.

    Ich unterrichte beispielsweise zwei Brüder, die vom Alter her sehr eng beieinander liegen, aber völlig unterschiedlich in den Zielen und Interessen sind.
    Natürlich KÖNNTE ich sie irgendwie nach "Schema F" behandeln, aber das entspräche nicht meinem eigenen Anspruch und Ethos.
     
    Zuletzt bearbeitet: 3.Juli.2024
  13. Nilu

    Nilu Ist fast schon zuhause hier

    Zustimmung.
    Was es seit paar Jahren mehr gibt als damals sind öffentliche Jamsessions. Die sind geradezu explodiert - ein wunderbarer Trend.
     
  14. Rick

    Rick Experte

    Nachsatz: Auftritte sind in der Regel besser bezahlt - ein guter Auftritt ersetzt bei mir oft mehrere Schüler pro Monat und ich profitiere davon auch meist musikalisch mehr.
    Die dort gemachten Erfahrungen nützen mir umgekehrt im Unterricht, was diesen wiederum qualitativ aufwertet, dadurch habe ich einen besseren Ruf und kann höhere Honorare verlangen. :cool:
     
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  15. Katzenmusiker

    Katzenmusiker Administrator

    Bei der Gelegenheit – falls jemand von Euch gerade südlich von München ziellos umherirrt, hier wäre ein Ziel für morgen (Donnerstag): Jam Session im Village Habach.
     
    Zuletzt bearbeitet: 3.Juli.2024
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  16. Gelöschtes Mitglied 15706

    Gelöschtes Mitglied 15706 Guest

    In der Tat, wobei das regional sehr unterschiedlich sein kann. Und gut bezahlt werden Sessionopener normalerweise nicht. Meiner Erfahrung nach sind Sessions zB nicht so wahnsinnig beliebt. Richtig lebendige Sessions mit vielen Teilnehmern kenne ich nur aus Hamburg, Leipzig und Berlin.
    Ein Bekannter von mir hat für den kompletten Abend, den er eine Session leitete und einen einstündigen Opener spielte, nur 70€ bekommen (vor Steuern). Das waren aber 4 Stunden Zeitaufwand. Ein anderer bekannter hat einen Gig, wo er eine Session leitet und auch eine Stunde einen Opener spielt. Er bekommt, glaube ich, 300€, ist aber auch jedes Mal schon wieder 100€ für Bahntickets los. Und das sind beides keine unbekannten Musiker oder Anfänger.
    Gerade Bassisten und Drummer können ein Lied davon singen, bei Sessions, für die sie als Teil der Openerband verantwortlich sind auf einmal mangels Teilnehmer stundenlang sklavisch Standards begleiten zu müssen. Klar, das ist Musik mit Musikern und Publikum, dafür liebt man den Job, aber für Musiklehrer, die mehr Geld verdienen wollen, ist das auch keine so lukrative Angelegenheit
    Ist aber auch nur meine anekdotische Evidenz
     
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  17. charly-5

    charly-5 Ist fast schon zuhause hier

    "Hat seine Gründe" ist doch letztlich eine Nullaussage. Was sind das denn für Gründe?

    "Deine Annahme, Musikschullehrer würden in den Ferien nicht arbeiten ist schlicht falsch."
    Sicher arbeiten die. Aber zusätzlich und nicht für mich.

    "Die Arbeitszeit einer Musikschullehrkraft ist die gleiche wie bei einem Schullehrer."
    Nein, ist sie nicht. Da werden keine Prüfungen vorbereitet, keine Arbeiten korrigiert, es wird sich nicht mit Kollegen ausgetauscht, ob ich versetzt werden kann ...
    In den Schulferien tun Musiklehrer nichts für die Musikschule.

    Und dass ich wechseln sollte, ist pure Polemik, trägt sie doch so gar nichts zum Verständnis bei. Noch so ein Früher™ - da hieß es dann: "Wenn's dir nicht passt, dann geh doch rüber!"
     
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  18. Sohn der Alpen

    Sohn der Alpen Ist fast schon zuhause hier

    Die Gründe erfragst Du am besten bei Deiner Musikschule persönlich. Ich bin mir sicher, sie werden Dir dort gerne Auskunft darüber geben. Eine der Erklärungen wird sein, dass (wie hier schon erwähnt) schlicht die Unterrichtsgebühr für ein Jahr auf die 12 Monate verteilt wird. Das bietet für alle Seiten Planungssicherheit.
    Es gibt auch Modelle, bei denen Du nur die genommenen Stunden bezahlst, diese dafür aber entsprechend mehr kosten. Wie gesagt, frag am besten bei Deiner Musikschule direkt nach.

    1.) Du hast keine Ahnung von der Arbeit eines Musikschullehrers. Alles was Du darüber sagst ist falsch.
    2.) Wenn ein Musikschullehrer eine 80%-Stelle hat ist das die gleiche Stundenzahl wie bei einem Lehrer einer allgemeinbildenden Schule.

    Ob Du meine Aussagen für polemisch hältst ist mir egal. Dass Du Dich nicht bei Deiner Musikschule informierst, ist Deine Schuld.

    Ich habe keine Ahnung was Du mit Deinem letzten Satz sagen möchtest.
     
    Zuletzt bearbeitet: 3.Juli.2024
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  19. charly-5

    charly-5 Ist fast schon zuhause hier

    Hi Rick,
    ich bezahle deutlich über 1000 Euro im Jahr und bekomme dafür knapp 35 mal eine halbe Stunde Unterricht. Das finde ich jetzt nicht zu wenig, was ein Schüler bezahlt.
    Schönes Argument auch, dass die Lehrer ihren Stundenzettel nicht vollbekommen. Mag sein, sollte aber nicht zu Lasten derjenigen gehen, die Unterricht nehmen. Hat vielleicht doch auch etwas mit Bespaßung der Schüler und Engagement der Lehrer zu tun. Und damit, ob sie auf die Bedürfnisse der Schüler eingehen. Auf dem hohen Ross sitzen und Kunden als Bittsteller behandeln ist in keiner Branche zuträglich. Achtung: Ich wollte damit keinen real existierenden Musiklehrer angreifen oder irgendeinem etwas unterstellen. Ich stelle nur fest, dass es hier wie überall woanders auch Leute gibt, denen die Bude eingerannt wird und andere die mit dem Palastorchester den Hit anstimmen wollen: "Kein Schwein ruft mich an."

    Gruß Charly
     
  20. Livia

    Livia Ist fast schon zuhause hier

    @charly-5 Ist das eine städtische oder private Musikschule?
     
    Rick gefällt das.
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