II-V-I Licks üben - mit welchem Ziel?

Dieses Thema im Forum "Improvisation - Harmonielehre" wurde erstellt von Meurgly, 28.Mai.2023.

  1. JES

    JES Gehört zum Inventar

    Solo wäre ein Stück, dass vom Komponisten für mich vorgegeben wurde, welches ich dann quasi alleine spiele...
     
  2. JazzPlayer

    JazzPlayer Ist fast schon zuhause hier

    Ich hab auch eine Zeit lang gezielt nach Licks gesucht, die mir gefallen, bzw. notiert, wenn ich zufällig über was gestolpert bin.
    Am Ende bin ich nur nie wirklich dazu gekommen, sie zu üben.

    Dann ist mir aber irgendwann aufgefallen, dass ich den Charakter von Tonleitern mit Hilfe von Licks überhaupt erst besser begreifen und danach pointierter herausstellen kann.
    Lange Zeit habe ich mit der mixolydischen Tonleiter gefremdelt. Seit ich dafür mal ein gutes Lick gefunden habe, was ich seitdem gefühlt schon fast zu oft unterbringe, habe ich eine viel bessere Vorstellung vom Sound der Skala und der Wirkung einzelner Töne als Durchgangs- bzw. Halteton.
    Auch passende Vorhalte und blue notes findet man auf diese Weise heraus, solange man eben auch ein Lick nutzt, was nicht allzu kurz ist.

    Von daher habe ich für mich entschieden, dass das Erlernen von Licks als Improvisationshilfe zwar auch zur Repertoirebildung gehört, aber auf einer anderen Ebene wertvoller eingesetzt werden kann, wenn man wirklich an und mit den Dinger arbeitet.

    Ich finde dann schon eher, dass es sich für den ambitionierten Jazzer "so gehört" ein paar bekannte Zitate in der Sammelkiste zu haben, z.B. den Solo-Einstieg von Parker bei Now's the time (der es sogar als ganzer sample chorus mal in ein altes real book geschafft hat),
    damit man es bei passender Gelegenheit zum besten geben kann.
     
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  3. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    Latürnich ist das nicht improvisiert und Solo würde ich das auch nicht nennen. Das ist am ehesten eine Etüde. Natürlich nicht aufgeschrieben, aber stramm organisiert. Zweck ist es, dieses Lick so oft wie möglich auf verschiedenen Stufen unterzubringen, um das Lick selber und seine mögliche Verwendung in die Finger und die Birne zu prügeln.
     
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  4. Gelöschtes Mitglied 15173

    Gelöschtes Mitglied 15173 Guest

    Zitat eines renommierten Saxlehrers hier in Berlin:
    „Licks und Patterns sind der Tod jeden Solos“.
     
  5. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    Wenn das stimmt, hat Charlie Parker nur tote Solos gespielt. Und Sonny Rollins und John Coltrane und Joel Frahm...
     
  6. Dreas

    Dreas Gehört zum Inventar

    Ich denke nicht, dass Parker und Co Licks bewusst in ihrer Improvisation verwendet haben.

    Sie gehörte einfach zu ihrem musikalischen Repertoir.

    Für mich sind Licks vergleichbar mit Phrasen in einer freien Rede.

    Dosiert eingesetzt bringen sie Würze in einen Vortrag. Zu viel davon und der Vortrag wird austauschbar und langweilig.

    CzG

    Dreas
     
  7. Rick

    Rick Experte

    Alles ist Komposition, entweder vorher zurechtgelegt, aufgeschrieben, auswendig gelernt oder eben spontan erfunden.
    Meiner Ansicht nach zäumen viele das Pferd von hinten auf, indem sie sich nicht ausreichend mit Komposition beschäftigen, sondern gleich spontan loslegen wollen.

    Also: Sich erstmal zu überlegen, was man worüber spielen möchte, das dann auszuarbeiten und auswendig zu lernen, ist für mich nicht verwerflich, sondern im Gegenteil eine Voraussetzung, um zur spontanen Improvisation zu kommen.
    Dazu gehört ganz viel Ausprobieren, Versuch und Irrtum, dementsprechend viel Zeit und Beharrlichkeit.
     
  8. JES

    JES Gehört zum Inventar

    Stimmt, wenn man es kann. Wobei ich die Frage jetzt weitergebe, Solo oder Improvisation?

    Ich selbst halte die Verwendung von licks auch nicht als das Ziel, sondern als Hilfsmittel für den Einstieg, wenn Wissen und Erfahrung für mehr kreative Improvisationen fehlen. Daher eher ein paar licks, als peinliche Stille. Oder unkreatives skalengenudel.
     
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  9. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Bei manchen Posts lese ich Vorbehalte, die mir auch im „echten“ Leben oft bei Co-Amateuren begegnen: Einerseits würde man gerne besser improvisieren und weiß nicht so recht, wie man mit der vorhandenen Übezeit wirklich voran kommt, andererseits weiß man genau, was man auf keinen Fall machen will, weil es ja mit Sicherheit zu einem Ergebnis führe, zu dem man nicht hin will.

    Licks sind Anwendungsbeispiele, nicht mehr nicht weniger. Ich glaube nicht, dass man vor ihnen Angst haben muss.
    Wenn jemand nach mühevoller jahrelanger Auseinandersetzung mit Improvisation beim Improvisieren tatsächlich nur eingeübte Licks wiedergeben kann, dann ist das bei weitem nicht das schlechteste mögliche Ergebnis.
    Man muss immer nach den Alternativen fragen. Und wenn jemand nicht die ad hoc Kreativität besitzt, aus angehörten Beispielen irgendwann eigene Sätze zu bilden, dann darf man sich schon fragen, wie es dann ohne Licks Klänge.

    Ich denke es gibt ein intermediäres Spielniveau (zu dem ich mich selbst einordne) bei dem nahezu jedes Übungsmaterial besser ist als keins und es vielleicht mit Ideologie nicht übertrieben werden muss.
     
  10. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Die Frage ist doch, zu welcher Musik ich improvisieren möchte und zeitlich und aufwandstechnisch fähig bin.

    Wenn ich Jazz-Standards spielen möchte, dann muss ich mich u.a. intensiv mit Ii-V-I-Verbindungen beschäftigen.

    Bei Blues, Rock … sind es eher andere Schwerpunkte.

    Aus meiner Sicht ist das Beschäftigen mit Harmonien, Leittönen, Hören von Intervallen existenzieller. Das bloße Auswendiglernen von Licks sind aufwändige Krücken.

    Aber jeder lernt anders.
     
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  11. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Dies ist bereits eine unglaubliche Hürde!

    Alleine das Komponieren einer einfachen Melodie über vorgegebene Harmonien empfinde ich als sehr schwierig.
     
  12. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Das ist auch gut, wenn du weißt was du stattdessen lernen und üben willst. Oft ist das nicht der Fall und dann sind pauschale Urteile manchmal ein Bremsklotz. Ich kenne Leute, die vom Licks abschauen gelernt haben, richtig schöne Soli zu spielen.
     
  13. gaga

    gaga Gehört zum Inventar

    Es geht nicht um "bloßes" Auswendiglernen - es geht um Analysieren und Kapieren, dann ist beim Lernen von Licks nämlich dein Verfahren mit enthalten.

    Ich lerne z.B. die praktische Anwendung des schon in der Theorie nicht so einfache System von "Approaches" ebenso wie den Umgang mit alterierten Akkorden. Durch Licks verhindere ich gerade das mechanische Abspulen von evtl nicht verstandenen Tonleitern.

    Licks zu lernen ist für mich die selbstverständliche Fortsetzung von Transkription und Analyse von Solos.
     
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  14. JES

    JES Gehört zum Inventar

    Jetzt geht das "entweder... oder" los. Warum? Warum kann man nicht beides, muss man nicht sogar beides? Gerade, wenn man nicht zu den Cracks hier gehört und nur gelegentlich mal improvisiert oder nicht auf Jahrzehnte Ausbildung und Erfahrung zurückgreifen kann.

    Wenn ich mit licks arbeite habe ich für 1 oder 2 Takte in einem akkord einen Schnipsel. In den nächsten 1 bis 2 Takten habe ich normalerweise einen anderen akkord. Anderes lick, transponiert in die tonart. Heißt aber nicht, dass die übergänge passen bzw gut klingen.
    Ich muss mich also, auch bei Verwendung von licks, mit Harmonien, komposition,... beschäftigen. Hinzu kommt m. M.n. auch, dass stilistisch nicht jedes lick zu jedem Stück passt usw... Zumindest ich muss mich damit auch auseinandersetzen, ausprobieren (mir fehlt da viel zu viel Theorie), was mir gefällt, schreibe ich auf. Heißt dann aber nicht, dass ich das dann auch so spiele. Es ist für mich eine Grundstruktur.

    Was anderes machen parker&co auch nicht. Sie probieren aus, hören die Wirkung, was gefällt wird abgespeichert und wiederverwendet. Wenn dann nicht die Stilistik des Stückes geändert wurde, bleibt die Grundstruktur der Improvisation gleich, das ergebnis variiert nur.

    All das gefällt mir immer noch besser, als eine impro, die auf der pentatonik/bluestonleiter etc. basiert, und fantasielos nur die Noten rauf und runternudelt. Leider sehr häufig zu hören. Mangelnde Kreativität wird dann hinter Technik versteckt (möglichst schnell spielen). Kann man machen, mir gefällt das nicht, ist für mich auch keine gute impro. Dann lieber einfacher, aber kreativer Umgang mit licks.
     
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  15. Bereckis

    Bereckis Gehört zum Inventar

    Ich glaube, dass ich missverstanden wurde...

    Dies hatte ich gemeint.
     
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  16. ilikestitt

    ilikestitt Strebt nach Höherem

    Nicht zwangsläufig muss man beides. Trotzdem ist das Lernen von Licks sinnvoll.

    Wenn du die gleiche Zeit ins Lernen von Improvisation steckst, spielst du da auch vernünftig drüber ohne Licks.

    Grundstuktur? Was verstehst du unter einer Grundstruktur bei einer Improvisation? Ich frag lieber nach bevor ich mich sonst dazu äussere. Und ja man probiert aus, um zu hören was wie klingt und den Klang zu internalisieren. Um zu lernen, wie man es benutzt damit es funktioniert aber wann und ob es bei der Impro auftaucht hängt halt davon ab, ob du es in dem Augenblick auch im Kopf hörst an der Stelle oder eine andere musikalische Idee sich im Kopf formt.

    Man kann auch mit Pentatonik und Bluestonleitern kreativ sein, hängt halt vom Spieler ab. Nenn doch mal Namen, wer mit schnell Spielen und Technik seine mangelnde Kreativität versteckt, du scheinst dich da ja besonders auszukennen und das genau ausgecheckt zu haben und hörst das ja sehr häufig.

    Das bewusste Aneinanderkleben von Licks, ist weder kreativ, noch hat das was mit Improvisation zu tun.
     
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  17. JES

    JES Gehört zum Inventar

    Habe ich nicht behauptet, im Gegenteil.

    Das kannst du natürlich belegen. Wie? Wie lernt man den Improvisation, wenn du dies als spontanen Ausdruck von Kreativität definierst.

    Du überlegst dir also nicht, was du grundsätzlich spielen willst, sondern daddelst einfach drauflos? Da unterscheidetn wir uns deutlich.

    Man kann diese auch unkreativ verwenden. Ich sprach von rauf-und runterleiern. Das ist technisch, aber nicht kreativ. Verdreh mir nicht die Worte.

    Das sehe ich anders. Licks sind Worte, aus Worten werden Sätze, aus Sätzen eine Rede. Worte, Sätze und eine Rede kann sehr wohl kreativ sein, schon dadurch, dass ich mich damit zu unterschiedlichen Themen, zu unterschiedlichen Zwecken, äußern kann.

    Und was Beispiele angeht, scheinbar hörst du anderen nicht zu, sonst würdest du genug Beispiele kennen.

    Aber erklär doch mal, wie du zu einer Improvisation kommst, wenn du keine jahrelange Erfahrung hast, kein profi bist. Vielleicht sogar zum ersten Mal so etwas machen sollst, du nicht sicher in der akkordstruktur deines Stückes bist und dir der stift geht, weil du das ganze dann noch vor Publikum spielen sollst.
     
  18. bthebob

    bthebob Strebt nach Höherem

    @JES
    Ich hab' in genau solch einer Situation (war aber eine Probe) zur Band gesagt:

    "Tschüss und winke, winke.
    Ich bin raus !"

    Ist fast zehn Jahre her.
    Heute weiss ich zumindest, worüber gesprochen wird und kann theoretisch folgen,
    wenn es um Chord Progression / II-V-I / major licks / minor licks .... usw. geht.

    Meine Erfahrung ist:
    Wenn ich's nicht in meiner musikalischen Praxis brauche, fehlt mir die
    Lust, es zu üben.
    Und da ich nicht mehr in einer Band spiele .... was soll's !

    Man muss diesen "ganzen Kram" ja auswendig und jederzeit anwendbar
    draufhaben. Sonst macht's wenig Sinn.

    Und das kostet viel Mühe.

    Was ich in dieser Richtung gerne spiele/übe, sind notierte Solis u.ä.

    Ich spiel die, als wär'n es Melodien eines Liedes.
    Macht Spass und klingt sofort nach Jazz.

    BTW: zum Improvisieren im Allgemeinen

    Bei Billy Wilder, dem großartigen Regisseur und Drehbuchautoren,
    war es den Schauspielern am Set streng verboten, ihren Text durch
    spontanes Improvisieren zu ändern.

    Sein Argument war:
    Sätze, an denen er und sein Co-Autor monatelang -gefeilt- haben,
    können nicht spontan verbessert werden !

    VG
     
    Rick gefällt das.
  19. altblase

    altblase Strebt nach Höherem

    Was ist denn das schon wieder für einen neumodischen Krams, diese komischen 'Approaches'?:cool:
     
  20. JES

    JES Gehört zum Inventar

    Mmhhh.

    Ich differenziere mal etwas.
    Für mich ist ein solo etwas, was mir von einem Dritten vorgegeben wird. Das sind i.d.R. Noten, aber teilweise auch Angaben zum Ausdruck. Das trage ich dann entsprechend vor. Mein Einfluß ist da gering.

    Eine Improvisation kann zweierlei sein
    Zum einen (a) ein "solo", was ich selbst füllen kann bzw muss.
    Zum anderen (b), eine Art Dialog mit anderen Musikern, bei dem eine Komposition den Rahmen vorgibt (takt, tempo, stil, tonart,..). Hier unterscheide ich weiter, ob ich der erste in der Reihe bin, oder nicht. Bin ich der erste, gebe ich etwas vor, was von den Nachfolgenden aufgegriffen werden kann, nicht muss, und variiert wird, oder ob es ganz oder teilweise ignoriert wird. Teilweise heißt, man nutzt es als Einleitung für seinen Improteil, verbiegt dann seine Impro in eine andere Richtung. Ganz bedeutet, man macht sein eigenes Ding.

    Für (a) kann ich mir mit licks eine "komposition" erstellen. Die kann ich dann so spielen, ich kann sie aber auch abwandeln.
    Bei (b) sind m.E. Licks nicht so hilfreich. Da hilft es m.M.n. mehr, sich mit musikcharakteristika zu beschäftigen. Je nachdem, was der erste in der Reihe vorgibt (letztlich auch ne art licks) und wie ich damit umgehen möchte, entferne ich mich mehr oder weniger vom "call". Ausser, ich mache stur mein Ding, dann kann machen, was ich will in der Hoffnung, dass die anderen dich nicht hängen lassen.

    Zum üben auch der Situation (b) kann ich mir aus licks einen "call" erstellen ähnlich der "komposition" aus (a), und dann trainieren damit umzugehen und was eigenes zu machen.
    Oder der Lehrer called einen lick, und man antwortet darauf.
    So ganz nutzlos finde ich licks also nicht.
    Ich unterstelle auch den Cracks, dass sie unbewusst mit licks agieren, in dem sie aus dem Gedächtnis abrufen, was sie zu anderer Gelegenheit in einem ähnlichen Zusammenhang gespielt haben und gefallen hat. Der Mensch ist faul und erfindet das rad nicht neu, wenn er auf bewährtes zurückgreifen kann.
     
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