Jazz oder nicht Jazz?

Dieses Thema im Forum "Eigene (musikrelevante) Themen" wurde erstellt von Analysis Paralysis, 7.Dezember.2024.

  1. JES

    JES Gehört zum Inventar

    Zustimmung.
    Und ebenfalls angestiftet: mir ist die Schublade völlig egal, mir gefällt der Inhalt, nicht das Etikett.
     
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  2. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    Jazz ist in einer sehr speziellen sozialen und kulturellen Umgebung entstanden. Neben anderen, für multikulturelle Situationen typischen Merkmalen ist die Rassentrennung und -diskriminierung herausragendes Charakteristikum.

    Ich, als weißer Wohlstandseuropäer sehe mich nicht in der Lage, in der Tradition dieses Jazzes zu spielen, kann also nach Deiner Definition keinen Jazz spielen.

    Abgesehen davon, dass mir das ziemlich egal ist, würde ich allerdings behaupten, dass dies für einen Großteil weltweiter Jazzmusiker gilt.



    Gruß,
    Otfried
     
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  3. Dreas

    Dreas Gehört zum Inventar

    Gestern Abend waren wir beim Till Brönner Weihnachtskonzert in Düsseldorf.

    Es wurde hier ja auch schon angemerkt, dass das was er heute macht, nicht mehr wirklich so echter Jazz sei. Sp Richtung Kenny G…..

    Weit gefehlt!

    DAS war Jazz vom Feinsten! Wir waren begeistert.

    Zu Hause dann noch Brönner auf Spotify gehört. Gaaanz anders…..

    Sprich, für ein breites Publikum „bügelt“ er sein Spiel auf Alben glatt.

    Live spielt er, wie er es liebt.

    Chapeau!

    CzG

    Dreas
     
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  4. giuseppe

    giuseppe Strebt nach Höherem

    Ich habe hier jetzt fasziniert nachgelesen, was es eigentlich für einen bürokratischen Aufwand bedeutet, nachzuweisen, dass man echten Jazz spielt. Biographie, Bezug zur Tradition, Exklusivitätsklausel, bestimmte Betonung bestimmter Zählzeiten und vielleicht sogar noch der passende „Ahnenpass“. Für mich wird das dem Musikgenre nicht gerecht. Wie hätte unter diesen Voraussetzungen Joseph Zawinul vom Buam mit Quetschen in der Gaststube zu dem Pianisten werden können, den ein gewisser Miles Davis in seiner Band haben musste? Jazz ist eine ehemalige Tanz- und Popmusik aus einer bestimmten kulturellen Nische, die immer wieder vor allem in besonders anarchistischen Momenten die größten Weiterentwicklung gemacht hat, aber immer noch dann und wann auch mal schön oder einfach sein kann. Jazz hat immer wieder andere Stilistik assimiliert. Manchmal - so scheint es mir - wäre es besser, beim diskutieren nicht zu sehr ins Detail zu gehen. Man verrennt sich leicht.

    Danke @Dreas für das posten der Biografie. Mir war nicht bewusst, dass sie auch Berklee-Absolventin ist. Das erklärt natürlich, warum sie sich so sicher auf dem Terrain bewegt.

    Ein bisschen mehr Laufey habe ich jetzt auch gehört und stimme absolut zu, dass viele Nummern vor allem Pop sind. Selbst da höre ich aber einen starken Jazz-Hintergund. Musicalmäßig sind für mich nicht unbedingt die Harmonien, oft aber die Instrumentierung bzw. Orchestrierung. Und alles eher eingängig und leicht, auch ein paar echte „Schmuse-Songs“ für pubertierende Mädchen. Ich muss das nicht den ganzen Tag hören, finde das meiste aber wirklich nicht schlecht und sehr gut vorgetragen. Und die Jazz-Nummern sind für mich immer noch klassischer Jazz und gefallen mir persönlich am besten. Genremäßig die ganze Platte einzuordnen ist nicht so eindeutig möglich aufgrund der Bandbreite, was ich aber nicht als Nachteil sehe. Stilistisch höre ich schon viel Norah Jones und Feist mit einer größeren Portion Jazz.

    Und von Leelys Sungazer habe ich mir auch die zwei am häufigsten geklickten Nummern angehört. Gehämmerte 16tel Bassketten, Double-Bassdrum auf ausschließlich ungerade Takte, Synthie-Sounds, komplexe Melodien und Soli. Sehr kopflastige Musik, diametral anders als Laufey. Technisch extrem anspruchsvoll, mathematische Ästhetik, wenig Bauchgefühl, wenig klassischer Groove und wenn es swingt wirkt es für mich fast ein bisschen gekünstelt. Eindeutig Musik, die ihren Platz hat und die ihr harmonisches und melodisches Vokabular zu relevanten Teilen aus dem Jazz hat, aber halt ein gaaanz anderes Publikum (und halt auch 120x kleineres Publikum als Laufey). Definiert er das selber eigentlich als Jazz?
     
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  5. JES

    JES Gehört zum Inventar

    Ich glaube auch, dass da das kernproblem liegt.
    Das durchschnittliche Publikum will unterhalten werden. Jazz ist aber keine Unterhaltungsmusik, da muss man schon mal das Licht andrehen und mitdenken, statt sich nur berieseln lassen.
    Wenn ich aber verkaufen will, dann muss ich entweder für das Publikum denken, oder die Elemente rausnehmen, die nachdenklich machen.
    Ich halte Jazz genauso wie klassik (wenn man mal von seichter unterhaltungsklassik abtatsächlich für eine Musik der reiferen Hörer. Keine Frage des Alters, sondern tatsächlich des Intellekts. Es ist Musik, in die muss man sich reindenken, muss ein Verständnis entwickeln, sich Hintergründe erarbeiten. Laufey spricht junges Publikum an, ja, mit richtigem Jazz, eher nein, aber macht neugierig auf die originale. Damit führt sie die Jugend ev an Musik heran, die sie sonst nicht gehört hätte. Finde ich toll. Damit hilft sie dem Jazz, auch wenn sie ihn nicht selbst spielt.
     
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  6. zwar

    zwar Ist fast schon zuhause hier

    jazz ist doch wohl, was so alles dafür gehalten wird. das mag der trompeter des heimatvereins lousiana süd anders sehen, stört ja nicht.

    diese junge Frau Laufey… ja klar, kann ich locker unter jazz verbuchen.
    es gibt doch irre viele jazzsongs, die eher schön als interessant und innovativ sind.

    so eine sehr offene (un)definition für den begriff jazz, kann natürlich in eine dynamische beliebigkeit führen.
    macht aber nichts, ich kann ja ganauer sagen , was ich meine. swing, nujazz, acid jazz, jazzrock, rockjazz… der zusatz jazz bedeutet dann halt, dass man sich ein paar freiheiten herausnehmen wird, und nicht mit mit einer urtraditionellen bedienung des genres gerechnet werden kann.

    am ehesten ist tatsächlich für mich noch die harmonische gestaltung, horizontal und vertikal, ein kriterium für „jazz oder nicht“.
    also es sollte schon eine gewisse distanz zur klassischen harmonisierung und der stimmführung nach Palestrina geben.

    gesellschaftlich gesehen steht das wort jazz für mich für den kampf für die freiheit in der musik, für offene türen und offene ohren,eher für weitergehen als für verharren. daher auch die etwas alberne bezeichnung für W Marsalis oben.
     
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  7. Silver

    Silver Strebt nach Höherem

    Auf wen soll ich es denn sonst beziehen, wenn Du einen Text von mir in Häppchen zitierst, die Ausschnitte in einen falschen Kontext stellst und mit Worten wie „Unsinn“ zerlegst?

    Was soll es mir sagen, wenn nach dem zehnten Insistieren auf „Definition“ (obgleich ich nichts „definiert“ habe) ein Verweis auf einen Wikipedia-Artikel abgetan wird, das sei nur etwas für Musikwissenschaftler? Echte Musiker würden das ganz anders sehen und gar nicht verstehen.
    Keine fünf Beiträge entfernt würde ich „im Musikstudium ausgelacht, wenn ich so etwas sage“…

    Ich kenne deine Onlinepersönlichkeit(en). Schon seit 2016.
    Nur mit der habe ich zu tun und nur zu der kann ich mich verhalten. Online.
     
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  8. ppue

    ppue Mod Experte

    Wie schon geschrieben, sagen Definitionen des Jazz eher etwas über die Zeit aus, in der sie gemacht werden, als über das wahre Wesen des Jazz. Letzteres gibt es nicht.

    In New Orleans war es vielleicht die authentischste Form des Jazz, aber er hieß damals gar nicht Jazz.
    In Chicago waren es vermehrt weiße Studenten, die das Zeug gespielt haben.
    In New York der Swing Ära hat Jazz gar nichts mehr mit Black Power zu tun, sondern es produzieren weiße und schwarze Musiker zunehmend Unterhaltungsmusik.
    Der Bebop steht für eine zunehmende Politisierung der Musik. Zudem entwickelt der Jazz sich hier zu einer Kunstform (was auch zu diskutieren wäre).
    Der West Coast Jazz ist eine Erfindung weißer Studiomusiker aus Hollywood.
    ...
    Und so weiter und so fort.

    Die Definition des Jazz ist zu jeder Zeit eine andere gewesen und ihre Genauigkeit kann aufgrund der vielfältigen Entwicklung nur sehr äußerst ungenau sein.

    @Otfried: Ich sehe uns beide nicht als Jazzmusiker, mich schon gar nicht.

    Was @zwar schreibt, gefällt mir gut:

    Das hat für mich eine politische Dimension, die ich Zeit meines Schaffens mit dem Musizieren immer verbunden und gesehen habe. Ich bin dem Jazz in dieser sozio-kulturellen Tradition eher verbunden, als ich das musikalisch je sein könnte.
     
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  9. Otfried

    Otfried Gehört zum Inventar

    @ppue
    Ich würde mich auch eher als Musiker, oder besser noch als Musizierenden bezeichnen, denn als Jazzer. Nichtsdestotrotz mache ich in weiten Teilen meiner musikalischen Aktivitäten Jazz.
    Vielleicht aber auch nur, weil mir keine bessere Bezeichnung einfällt.

    Das Zitat von @zwar gefällt mir auch gut, eine schöne Idealvorstellung, die dem realen Leben leider nicht standhält.

    Gruß,
    Otfried
     
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  10. ilikestitt

    ilikestitt Strebt nach Höherem

    z.B.
    Bossa Nova - The Sound of Ipanema: Eine Geschichte der brasilianischen Musik Gebundene Ausgabe
    von Ruy Castro
    The Brazilian Sound: Samba, Bossa Nova, and the Popular Music of Brazil
    von Chris McGowan (Autor), Ricardo Pessanha
    Bossa Nova: The Story of the Brazilian Music That Seduced the World
    von Ruy Castro

    Die Sachen von Getz sind nett, werden der Musik aber nicht wirklich gerecht. Und bei den berühmten Aufnahmesessions mit Gilberto und Jobim waren die beiden laut Geschichten anfangs gar nicht angetan davon wie Getz über die Musik spielte. Getz hat zur Bekanntheit von Bossa bei vielen Leuten, die sonst eher Jazz hören, beigetragen aber er war da weder Innovator noch Erfinder. Und ich persönlich höre die brasilianischen Originale nach wie vor lieber.
     
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  11. Analysis Paralysis

    Analysis Paralysis Ist fast schon zuhause hier

    Gegen so etwas ist Bossa, wie ihn die Laufey macht, wohl ein trauriger Rest an Stilelementen (IMHO).
    Da hör ich ein paar Takte und mein ganzer Körper beginnt sich zu bewegen :)

     
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  12. Dreas

    Dreas Gehört zum Inventar

    So unterschiedlich sind die Geschmäcker. Meins ist es nicht….

    CzG

    Dreas
     
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  13. Analysis Paralysis

    Analysis Paralysis Ist fast schon zuhause hier

    Das überrascht mich nicht.
     
  14. ilikestitt

    ilikestitt Strebt nach Höherem

    Ich bezog mich in der Antwort im letzten Post ganz klar auf die 2 und 4 Sache, denn darauf hast du Bezug genommen. Bei dem Rest wo ich Unsinn geschrieben habe stehe ich auch dazu daß ich es dafür halte. Wenn du meinst es wurde in falschen Kontext gesetzt zeige wo du das meinst und wo ich dich falsch verstehe und es lässt sich klären.

    Der Artikel ist in meinen Augen Mist. Er versucht etwas relativ simples unglaublich komplex zu erklären und abzuleiten. Das ist nicht notwendig und führt halt eher zu mehr Verunsicherung und mangelndem Verständnis was passiert. So bringt man niemandem bei wie Swing funktioniert und zu spielen ist. Für mich ist das typisch Musikwissenschaft. Und das hat mit echten Musikern nichts zu tun, sondern ich glaube die Mehrheit von Leuten die Musik machen kann damit nichts anfangen und denen hilft es auch nicht dadurch Swing besser zu verstehen oder zu spielen.

    Ja und? Was glaubst du was jeder einzelner Musiker schon für Momente durch hat wo er für etwas belächelt wurde weil etwas falsch gemacht hat weil er es nicht besser wusste. Das sind unangenehme Momente aber man lernt da doch was draus. Ich habe z.B. als Jugendlicher bei einer Studiosession lernen dürfen, daß es mir damals schwer fiel nicht zu swingen und habe mein Solo vebockt, weil ich über eine gerade Nummer geswingt habe, entsprechend die Kommentare der Musiker vor Ort. Oder das erste Mal bei einem kleinen Livegig als junger Musiker (ohne Studium damals) unangekündigt und unvorbereitet Take Five spielen ohne ihn oder einen fünf Viertel Takt vorher je gespielt zu haben, das ging schief und gab mehr als einen Kommentar fürs versemmeln. Noch schlimmer wird es wenn du mal einen kleinen Fehler machst wie an einer einzigen Stelle beim Vordiplom über einer Dominanten für eine Achtel mal eine Maj7 zu spielen, das gab ganz üble Sprüche.
    Man muss halt damit leben daß es Fehler gibt, die wenn man sie macht, entsprechend zu gehässigen Kommentaren führen und bei dem was du gesagt hast, wäre es im Studium gewesen daß diese Kommentare entsprechend hart gekommen wären. Ich erinner mich noch gut an den Druck damals und ich weise dich nur darauf hin, daß im Rahmen eines Studiums die Kommentare übel gewesen wäre weil man das dort definitv anders sieht als du es beschrieben hast.
    Wir machen alle Fehler und lernen dazu. Und auch das wertet dich nicht ab, sondern es ist ein Hinweis darauf daß du in meinen Augen halt falsch liegst und bei bestimmten Leuten entsprechende Reaktionen damit hervorrufen würdest und glaube mir, Musiker sind manchmal untereinander hart aber im Studium wirst du von Kollegen und Dozenten nicht mit Samthandschuhen angefasst und wenn du daneben liegst, lassen sie dich das sehr deutlich wissen. Und an die Situationen fühlte ich mich erinnert, was passieren würde wenn man dort so etwas vortragen würde.



    Drücken wir es genauer aus, du glaubst mich zu kennen und hast dir in deinem Kopf ein Bild gemacht und jedes Wort von mir versuchst du mit diesem Bild abzugleichen und in Bezug zu setzen. Und das lässt du mich auch regelmässig wissen.
    Nur ist dein Bild halt leider falsch.
    Aber lassen wir das, bevor sich in meinem Kopf ein neues eher negatives Bild von dir bildet. Ich gehe nach wie vor davon aus, daß am Stammtisch du mir in allen Punkten wo ich Kritik geäussert habe recht gegeben hättest und wir da eigentlich gleich denken, es nur an den Formulierungen hier in Schriftform liegt. Ich werde mich dazu auch nicht mehr äussern, wenn noch klärungsbedarf dann per PN oder gar nicht oder per ignore lösen.
     
  15. peterwespi

    peterwespi Ist fast schon zuhause hier

    Ich habe vor 34 Jahren mal eine Jazz-Schule absolviert. Heute spiele ich nur noch Musik... ;)
     
  16. Kohlertfan

    Kohlertfan Strebt nach Höherem

    Wirklich heiß!
     
  17. saxo-ch

    saxo-ch Ist fast schon zuhause hier

    Nicht schlecht wie es Lucio Dalla in Worten und Musik ausdrückt......



    lg
    saxo-ch
     
  18. Alex_Usarov

    Alex_Usarov Ist fast schon zuhause hier

    Außer ihre musikalischen Qualitäten gehört sie offensichtlich zu den Künstlern, die aus ihren Liedern ein Bühnestück machen und ihre Texte zu 100% leben. So etwas liebe ich sehr.
     
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  19. jimi

    jimi Ist fast schon zuhause hier

    It don't mean a thing if it don't have that swing:)

    PS. Also the sound of the Tenor Sax helps.;)
     
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  20. ppue

    ppue Mod Experte

    Ohne diese Idealvorstellung von Freiheit gäbe es den Kampf dafür nicht, für den der Jazz ja auch steht.
     
    Rick und zwar gefällt das.
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