Zeit für eine Neiddebatte

Dieses Thema im Forum "Eigene (musikrelevante) Themen" wurde erstellt von Gelöschtes Mitglied 13399, 8.Dezember.2023.

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  1. Jacqueline

    Jacqueline Strebt nach Höherem

    Ich weiß nicht, ob ich da eine Wahrnehmungsverzerrung habe und es ist sicherlich auch nur eine Stichprobe aus meinem Umfeld:

    die professionellen Musiker, die ich kennenlernen durfte, wirkten auf mich meist sehr lebenszufrieden. Auch wenn das Geld manchmal knapp war/ist, sie machen trotzdem ihr Ding.
     
  2. Jacqueline

    Jacqueline Strebt nach Höherem

    Jura??? ;-)
     
  3. Jacqueline

    Jacqueline Strebt nach Höherem

    @Paul2002

    Es gibt reichlich medizinische Ausbildungsberufe, da kann man immer arbeiten. Und soooo schlecht wie immer dargestellt ist es auch nicht. Wenn man den passenden AG findet.
    Dann hast du einen bombensicheren relativ stressfreien (aber eben auch teilweise langweiligen) Job (keine langfristige Verantwortung, keine Projekte etc, man kann keine Arbeit mit nach Hause nehmen) und kannst vor oder nach dem Dienst üben ;-)
    Achja, und viel Geld gibt es aber auch nicht, man kommt aber über die Runden. Tut aber jeden Tag was Gutes. Und man muss Menschen schon ein bisschen mögen, Humor haben. Sonst wird man unglücklich.

    Was ich sagen will: die erste berufliche Entscheidung nach der Schule muss nicht endgültig sein. Diesem Irrtum bin ich auch aufgesessen und hab mir nach dem Abi ultra Stress deswegen gemacht.
     
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  4. Gelöschtes Mitglied 15173

    Gelöschtes Mitglied 15173 Guest

    Ich hatte auch in meiner Jugend die Überlegung, Musik zu studieren. Ich wäre aber bei der Renaissance- / Barockmusik mit Blockflöte und mittelalterlichen Instrumenten wie Krummhorn, Pommer etc. gelandet. Hatte ich damals extrem Bock drauf.
    Wenn ich mir aktuell den Markt diesbzgl. dieser Musikrichtung so anschaue wäre ich nun aber eher Taxifahrer bei Uber oder Kurierfahrer bei DPD.
    Rückblickend war ich froh, mich für ein ingenieurtechnisches Studium entschieden zu haben und dass ich nun seit ca. 10 Jahren (glücklich) selbständig bin. Es ist auch nicht immer alles Friede-Freude-Eierkuchen (vor allem in der Baubranche, in der ich bin), aber zumindest macht die Sache mir Spaß und die Arbeit geht nicht aus.

    Ich denke, dass es extrem schwer ist, sich im Musikbereich so zu etablieren, dass man komfortabel davon leben kann. Natürlich ist Lehrtätigkeit ein wichtiges Standbein und wenn man wie mein ehemaliger Lehrer Fachbereichsleiter an einer Musikschule ist, dann ist das alles gut auskömmlich. Leider sind die festen Anstellungen hier rar, in Berlin wird der Betrieb an den Musikschulen eher runtergefahren.
    Ich habe nicht alle Musikrichtungen und -stile im Blick, aber ich meine, dass es in Deutschland vermutlich einfach zu viele Studienmöglichkeiten gibt. D.h., dass die Auslese nicht in der Aufnahmeprüfung zur Hochschule erfolgt, sondern erst dann, wenn die Leute ausgebildete Musiker sind und sich um die Engagements prügeln müssen. Wenn ich mich hier in Berlin (mag ein Sonderfall sein, weil gefühlt alle Musiker nach Berlin kommen wollen) umsehe gibt es alleine hunderte Saxophonisten, die ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen. Ich würde meinen, dass der Markt dafür einfach nicht vorhanden ist - wobei die Jazzszene in Berlin groß und vor allem vielfältig ist.
    Ein paar Beispiele von (namhaften) Saxophonisten kenne ich, die aus der Musik erfolgreich in andere Berufe/Branchen abgewandert sind - z.B. Max von Mosch (Personal- und Führungskräfteentwicklung) oder Felix Falk von Mo Blow (Computerspielbranche).

    Aber viele, die ich so kenne (das beschränkt sich jetzt nicht nur auf Saxophonisten), spielen halt nen 50 €-Gig am Abend und versuchen so, über die Runden zu kommen. Durchschnittliches Jahreseinkommen für Jazzer nach miz für 2023: € 13.439 (bzw. im Monat € 1.120), das ist bei den steigenden Lebenshaltungskosten ohne anderweitige Zuwendungen/Nebenerwerbe nur schwerlich realisierbar. Und ich sehe perspektivisch nicht, dass sich die Verhältnisse in absehbarer Zeit bessern werden.

    Ein Bekannter von mir hat auf Studium und berufliche Karriere verzichtet, wobei er aber ein ausreichendes Gehalt zum Leben verdient. Dies lässt ihm aber genug Zeit, in mehreren Berliner Bigband und Formationen semiprofessionell zu spielen, womit er recht glücklich ist. Ein guter und gangbarer Weg finde ich.
     
  5. Gelöschtes Mitglied 13399

    Gelöschtes Mitglied 13399 Guest

    Danke für deine klugen Beiträge. Ich habe schon mehrere Praktika in medizinischen Betrieben gemacht und daraus immer mitgenommen, dass man als Arzt genauso leidenschaftlich sollte, wie als Musiker, dass die wenigsten sagen: ,,Jetzt ist Feierabend und ich gehe segeln". Über einen medizinischen Ausbildungsberuf habe ich noch nicht nachgedacht, könnte mir aber vorstellen, dass es mir schwer viele, in einem solchen Beruf nicht auszubrennen, wenn man viel Empathie und Einsatz mitbringen muss, und das nicht nur, weil es im Arbeitsvertrag steht.

    Aber ich danke dir für deine klugen Beiträge (-:
     
    giuseppe gefällt das.
  6. ppue

    ppue Mod Experte

    Als ich meine Tochter neulich fragte, wie es mit dem weiteren Lehrerstudium aussieht, schüttelte sie kurz mit dem Kopf und zeigte auf ihr Ölbild, hier hinter mir. Nein, sie brauche das Studium nicht, wolle lieber malen.

    peterpeter.jpg

    Das wird dann wohl nichts mit dem Lehrerdasein, so hoffe ich. Ich halte nichts davon, auf Sicherheit zu gehen, aber umso mehr, seine schon erkennbaren Fähigkeiten einzusetzen.

    Ich komme aus einer musikalischen Familie, wollte eigentlich eher Trompete spielen, bis ich von meinem Bruder eine Klarinette vererbt bekam. Mein damaliger Klarinettenlehrer riet mir allerdings von einer Musikerkarriere ab: Wenig Geld und bestenfalls ein Leben im Orchestergraben oder wie er als Lehrer. Nein, fröhlich klang das nicht.
    Also, ich habe auf ihn gehört und Musikwissenschaft studiert. Hielt aber die knochig-verstaubten konservativen Professoren nur zwei Semester aus, kündigte und studierte trotz all der Unkenrufe Klarinette an der Musikhochschule. Seinerzeit gab es kein Jazzstudium und so hatte ich eine klassische Ausbildung.

    Im realen Leben spielte ich schon 1975 in sechs verschiedenen Formationen mit, von Blues über Free und Modern Jazz bis zur Rockmusik. Mein Terminer aus der Zeit ist voll mit mannigfaltigen Proben und Auftritten.
    Meine erste Freundin sagte mir nach zwei Wochen: "Du kannst es dir aussuchen: Entweder deine Musik oder ich." Na ja, habe dann die bessere Wahl getroffen.

    Nach dem Studium landete ich irgendwann im Theater Krefeld-Mönchengladbach im Orchestergraben, bei Musicals oder modernen Inszenierungen manchmal sogar auf der Bühne. Dennoch, 40 Aufführungen und dazu die Proben für ein und dasselbe Stück bei nicht allzu üppiger Bezahlung waren nach ein paar Jahren nicht das, was ich mir vorgestellt habe, einfach nur öde und mit viel Fahrerei verbunden.

    Mit zwei anderen Musikern machte ich daneben jahrelang Straßenmusik. Wir sind ohne Geld losgefahren und hatten Sprit bis Basel in unserem maroden Auto. Waren also gezwungen, auch bei Wind und Wetter zu spielen. Wir schafften es meist bis an die Côtes d'Azur.

    Eines Abends waren wir von der Straße weg in die besetzte Stadtgärtnerei in Basel zu einem warmen Essen gegen Auftritt eingeladen und das war der erste, wo wir mit Wörtern und Musik improvisierten, während des Spielens komponierten, abbrachen, neu probierten und unseren dadaistisch angehauchten Possen trieben. Das bauten wir dann zum vollen Programm aus.

    Zehn Jahre später gewannen wir so den Deutschen Kleinkunstpreis sowie etliche andere Preise. Wir konnten von den Gagen bestens leben und sogar die Familie ernähren, bis 2011 unser Drummer starb. Unsere Zeit mit Ars Vitalis füllte uns aus und wir hatten den besten Beruf der Welt, arbeiteten eigenständig, unabhängig, mit viel Erfolg und Reisen auf fast alle Kontinente der Welt. Mein persönliches Highlight war, mit Meret Becker in der Oper von Sydney spielen zu dürfen.

    2011 dann wurde es schwierig für mich. Das Trio war vorbei, ich hatte weder Schüler, noch war ich so in der Szene verwurzelt, dass ich da schnell einfinden konnte, von der Lust darauf mal ganz abgesehen. Ich habe mich dann flott bei Hartz IV angemeldet und dann schnell gemerkt, dass mich das Geld nicht nur super auffängt, sondern mir auch die Ängste nimmt, später mal mit mickriger Rente nicht über die Runden zu kommen.

    Schwer war es, aus Hartz IV wieder herauszukommen. Man steckt da sehr schnell fest, denn verdienst du über eine bestimmte Summe, dann musst du plötzlich wieder alles selber zahlen, Miete, die Krankenversicherung und was weiß ich. Das ist dann plötzlich so viel, dass dir am Ende weniger bleibt als vorher mit der Stütze. Es braucht also einen guten finanziellen Wiedereinstieg, der mir dann glücklicherweise gelang.

    Jetzt beziehe ich eine kleine Rente von 370,- € und aus einer verrenteten Lebensversicherung noch einmal 470,- €, blicke aber demutsvoll auf eine erfüllte Lebenszeit zurück, auch wenn das eine Ehe und eine lange Lebensgemeinschaft gekostet hat (siehe @Juju 's Einlassungen). Familienleben und tourender Musiker ist schon ein Spagat, den man oft nicht schafft. Die schlimmsten Krisen sind die emotionalen, denn für den Musiker sind die Auftritte lebensnotwendig und notwendige Zuwendungen, die sich der Partner vielleicht wünscht, müssen zurückgesteckt werden: "Dir ist dein Beruf wichtiger als ich". So in dem Sinne.

    Warum ich hier meinen Lebenslauf schreibe:

    Musiker zu sein, umfasst eine Vielzahl von Berufen und die Wege zu ihnen sind mitunter wirr und nicht vorhersehbar. In vielen Fällen wird man in die Standardberufe gehen, unterrichten, Professor oder Alleinunterhalter werden, im Orchestergraben oder im Polizeiorchester landen, kleine oder große Erfolge in verschiedenen Formationen haben oder aber (schmink's dir gleich ab) der große Solostar werden. Oft dann natürlich eine Mischung aus diesen Tätigkeiten und alles mehr oder weniger befriedigend, bzw. selbstbestimmt.
    Aber, es gibt oft ganz unerwartete Nischen, die man selber vorher nicht kannte. Bei uns war es die genreübergreifende Art zwischen Musik, Theater und Kabarett, mit der wir auf vielen Jazzfestivals, den Kleinkunsttheatern, aber auch auf Theaterfestivals spielen konnten.

    Die Frage des Instrumentes:

    Ganz einfach, alle Instrumente sind gleich schwierig. Wenn du ein Instrument gelernt hast, dich jeden Tag damit acht Stunden beschäftigst, ein Studium absolvierst, dann bist bestenfalls einfach gut. Du hast aber immer noch keine Tonleiter auf der Triangel geschafft. Will sagen, es gibt einen bestimmten Standard, auf dem man nach dem Studium aus der Hochschule ausgeschieden wird und das ist der, den man hat erreichen können in der Zeit.

    Während des Studiums lernst du ein Zweitinstrument und je nach Interesse kümmerst du dich auch um weitere. Das musikalische Vorwissen ist da ungeheuer hilfreich und nicht selten spielt man irgendwann eine Menge Instrumente (Helge!). Ich habe mehrere Tourneen als Pianist gemacht und auch eine halbe Show das Schlagwerk bedient, die Anzahl anderer un- und herkömmlicher Instrumente, die ich einsetzen durfte, habe ich nicht gezählt.

    Sax zu spielen, ist preiswert und wenn du nach dem Gig nur die Mundstückkappe drauf machst, ist das Einpacken unter einer Minute getan. Kommt zu Hause ja eh gleich auf den Ständer und wird schon vor dem Frühstück nächtentags kurz beblasen (-:

    @Paul2002, stürze dich da rein, ohne Wenn und Aber, was anderes lernen, kannst du zur Not immer noch. Vertändele nicht die wertvolle Zeit, in der du musikalisch reifen kannst, mit irgendeinem Sicherheitsstudium.

    Wie sehen denn das eigentlich deine Elteren?
     
    Sax a`la carte, p-p-p, Salinsky und 21 anderen gefällt das.
  7. Silver

    Silver Strebt nach Höherem

    Berufung ist das, was Dich ruft.
    Und alles, was Du mit vollem Herzen tust, wird Erfolg haben.

    Ich hatte eine Phase, in der ich gerne Musik studiert und Musiker geworden wäre.
    Es gab sogar am örtlichen Kons einen oder zwei Kurse zu „diesem Jazz“.
    Rückblickend eine schöne, romantische Vorstellung, deren Realität ich nicht ertragen hätte - es war eine Träumerei für mich, keine Berufung.

    Das, was ich dann gemacht habe, war wesentlich näher an der Berufung dran und hat mir den Ausblick auf einen recht komfortablen Lebensabend ermöglicht. Ich bereue nichts, außer der viel zu langen Pause, in der ich keine Musik gemacht habe.

     
  8. Gelöschtes Mitglied 13399

    Gelöschtes Mitglied 13399 Guest

    Meine Eltern haben zwar nicht das Geld, mir jeden Spaß zu finanzieren, sagen mir aber sinngemäß: Mach, wofür du brennst und wir schauen, dass wir es irgendwie packen, was Sichereres kannst du danach immer noch studieren.

    Danke übrigens für deinen sehr berührenden Text.

    Nun, ich weiß nicht, wie es sich als Profimusiker lebt. Was Beziehungen angeht, mache ich mir keine Sorgen, die würde ich wohl auch mit sicherem Einkommen nicht auf die Kette kriegen, was viele Stunden Üben, Proben und Reisen angeht - das stört mich auch nicht. Allein hab ich es manchmal schon erlebt, dass in wichtigen Bands/Orchestern Kandidaten sind, die unehrlich und intrigant handeln, das kann ich schwer ab, ist aber auch normal und gibt es wahrscheinlich in jedem Beruf im einen oder anderen Ausmaß. Von daher meine ich, dass es mehr als eine Träumerei ist.
     
  9. Argonrockt

    Argonrockt Kann einfach nicht wegbleiben

    - Frau Karriere und Promotion an der Uni ermöglicht
    - 3 Kinder groß gezogen ( außer am verlängerten Wochenende)
    - nach dem Studium 30 Jahre keinen Unterricht gegeben und auch jetzt nur Workshops oder by call
    - keine Festanstellungen in Theater oder Musical angenommen
    - immer noch mit der ersten Frau zusammen
    - ...

    Saxophonist
     
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  10. Gelöschtes Mitglied 5328

    Gelöschtes Mitglied 5328 Guest

    So sehe ich das auch. Und wenn man das macht, wird man auch gut.

    Wenn Du nur was machst, weil man das halt macht, weil es „sicher“ ist, wirst Du nie wirklich gut.

    Eigentlich hätte ich Medizin studieren sollen. Familiäre Vorbelastung.

    Habe dann mit eine Krankengymnastikausbildung angefangen, weil es nicht für den NC reichte.

    Habe dann gemerkt, dass ist gar nix für mich. Z. B. viel zu viel auswendig lernen.

    Über einen Freund kam ich dann zur BWL. DAS hat mich wirklich fasziniert! Schon das Studium war klasse.

    Habe mich immer dann im Beruf (nicht immer, klar aber grundsätzlich) wohl gefühlt, habe mich am Sonntag Abend auf die nächste Woche gefreut.

    Es hat mir Spass gemacht, auch über 60 Stunden waren für mich keine Belastung (wie, die Woche ist schon wieder um?)

    Letztlich auch viereckig Geld verdient, nicht weil es mein Ziel war. Kam automatisch.

    Natürlich gab es auch kritische Phasen. Gehört dazu.
    Wenn man die hinter sich lässt ist es auch wieder ein tolles Gefühl.

    Aus heutiger Sicht würde ich grundsätzlich nichts anders machen.

    Das empfinde ich als sehr befriedigend und es erlaubt mir auch den jetzigen Lebensabschnitt unbeschwert zu genießen.

    CzG

    Dreas
     
  11. Lagoona

    Lagoona Ist fast schon zuhause hier

    Dann wende dich doch mal an @Juju
    Auch so ein beeindruckendes Beispiel für sowohl als auch.
    Sie hat Medizin studiert und wissenschaftlich
    publiziert.
    Um dann musikalisch auch nochmals richtig durchzustarten.
    Heutzutage muss man auch nicht mehr als Arzt arbeiten, nur weil du Medizin studiert hast. Du kannst damit auch in die Wissenschaft oder Wirtschaft.
     
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  12. Lagoona

    Lagoona Ist fast schon zuhause hier

    Du meinst das HD- Foto von Dir in der Küche ?
    Wow
     
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  13. Rick

    Rick Experte

    Definitiv nicht, ganz im Gegenteil: Saxofon ist gerade in den Bereichen, in denen man als Profi gut überleben kann, ein Top5-Instrument, neben Keyboard, Drums, Gitarre und Bass.

    Nö. Aber definiere erstmal "Klassik". Wenn es um historische europäische Konzertmusik geht, dann ist das meiner Wahrnehmung nach heute kaum mehr als ein nettes Hobby, gerade für Saxofonisten. Die Orchesterstellen werden eher weniger als mehr, und so toll ist der Job sowieso nicht.
    Doch wenn es um die Fähigkeit geht, eine Melodie sauber und ausdrucksstark vorzutragen, dann ist "Klassik" extrem wichtig, hat aber nichts mit Bassisten zu tun. ;)

    Das neutralisiert sich dadurch, dass viele Saxofonisten meiner Beobachtung nach falsche Prioritäten haben, um sich erfolgreich durchzusetzen.
    Zunächst mal interessiert es nur ganz wenige Leute, ob man virtuos und schnell spielen oder gar abgefahren improvisieren kann. Dem Durchschnittshörer sagt das überhaupt nichts.
    Laut und grell "rockig" zu klingen ist da schon wichtiger, aber man sollte auch mehr können als das.
    Tatsächlich überlebt man am besten mit maximaler Flexibilität, und sowieso verdient man mehr Geld mit dezenter, niveauvoller Hintergrundmusik als auf der großen Rockbühne.
    Bebop und Fusion ist hingegen nur was für eine winzige Nische, da treten sich schon genug Musiker auf die Füße... :rolleyes:

    Die kommen meist nicht weit, jedenfalls nicht auf Dauer, weil Musik nichts für "Einzelkämpfer" ist, sondern etwas für sozial kompetente "Netzwerker": Man muss einen guten Ruf aufbauen als kompetent, zuverlässig, angenehm im Umgang und kollegial.
    Wenn jemand nur auf seinen direkten Vorteil aus ist und schlecht über andere redet, ist er früher oder später allgemein "unten durch" und wird gemieden.

    Irgendwann braucht man immer jemanden, der einen mal vertritt, ohne dass er einem gleich den Job klauen möchte (so etwas ist EXTREM unbeliebt!), umgekehrt sollte man so beliebt sein, dass man gerne weiter empfohlen wird, und Empfehlungen sind eigentlich das A und O.
    Ohne Beziehungen läuft nichts, doch die muss man sich erarbeiten und pflegen. Das dauert anfangs, es ist bisweilen zäh und frustrierend, aber Ausdauer lohnt sich auf lange Sicht.
    Dazu ein weiser Spruch meiner Mutter: Wer schnell oben ist, ist auch schnell wieder unten. :cool:

    So ist es!
    Mir ist (viel) Geld einfach nicht so wichtig, als dass ich mein Leben allein darauf ausgerichtet hätte. Das muss natürlich jeder für sich selbst entscheiden, aber wenn ich heute auf mein erfülltes und an spannenden Erfahrungen reiches Leben zurück blicke, dann wollten eigentlich immer nur andere, dass ich viel Geld verdiene, ich selbst nie. Es hat immer irgendwie gereicht, das war und ist mir genug.

    Noch ein Schlusswort zum Thema "Musiker und Partnerschaft":
    Es muss einfach passen. Und es ist IMMER Arbeit - dazu müssen alle Seiten bereit sowie in der Lage sein.
    Wenn jemand behauptet, er würde jemanden lieben, dann muss er das auch beweisen und darf nicht bloß Forderungen stellen. Es geht um gegenseitigen Respekt, ums Leben und Leben lassen, und um das Finden von gangbaren Kompromissen.

    Eigentlich waren alle meine Partnerinnen selbst Musiker, bis auf eine, sie war allerdings ein "Party-Girl", das hat dann zu der Zeit auch gut gepasst. :-D
     
    Zuletzt bearbeitet: 11.Dezember.2023
  14. Gelöschtes Mitglied 13399

    Gelöschtes Mitglied 13399 Guest

    Danke für deine ausführlichen Antworten, lieber Rick!


    Eine der ersten Aufnahmen, auf denen ich ein Saxophonsolo sehr intensiv gehört habe:



    "Don't you know: the higher the top, the longer the drop"
     
    Jacqueline und Rick gefällt das.
  15. Rick

    Rick Experte

    Sehr gern geschehen, lieber Paul! :)

    Ich hätte noch viel mehr schreiben können, aber das sind ja sowieso nur meine subjektiven Wahrnehmungen.
    Wir leben heute in einer sich ständig wandelnden Gesellschaft, wo die "Weisheiten" der Vergangenheit nur sehr bedingt für die Zukunft taugen.
    Die lange als "sicher" geltende IT-Branche arbeitet gerade mit Feuereifer daran, sich selbst durch KI überflüssig zu machen, die früher stabile Autoindustrie steht vor den Herausforderungen der Elektro-Mobilität - die Zukunft des Arbeitsmarkts ist so ungewiss wie lange nicht mehr.

    Und das gilt auch für das Music Business. Alles verlagert sich in Richtung "Konserven", DJs haben den "Event-Markt" (Hochzeiten, Partys usw.) übernommen, die früher lukrativen Musiker-Jobs verschwinden allmählich.
    Was bleibt, ist Livemusik als luxuriöse Besonderheit - aber dann muss sie auch "besonders" sein: Niveauvoll und exklusiv.
    Vielleicht erleben wir eine Rückkehr zur "Gebrauchsmusik" (DJs) fürs "einfache Volk" und zur kunstvollen Unterhaltung für die Reichen, die sich gerne mit dem "Besonderen" schmücken; wie im 18. Jahrhundert, vor dem "Genie-Kult" der folgenden Zeit.
    Dass anspruchsvolle, herausfordernde, sperrige Kunst künftig in der Breite der Gesellschaft noch einen nennenswerten Rang innehat, sehe ich vorerst nicht mehr...

    Umso wichtiger ist es, flexibel zu sein, sich anpassen zu können und sich in möglichst vielen Bereichen weiter zu bilden.

    Sehr schön selbstkritisch für Frank Sinatra, der ja in seinem Leben etliche Höhe- und Tiefpunkte durchstehen musste.

    Ich erkenne mich in dem Text auch selbst - Mitte 20 war ich so ein "Stargazer", der dachte, er sei auf einem unendlichen Weg nach oben, ihm könne schon nichts passieren...
    Genau dann kam der zitierte Spruch meiner Mutter. :-D

    Das Sax-Solo ist "zeitlos" und ein gutes Beispiel dafür, wie man "comprehensiv" (musikalisch nachvollziehbar) und dabei anspruchsvoll spielen kann. Vorbildlich!
    (Wer war der Saxer?)
    Bei Bedarf expressiv "honken" zu können ist natürlich ebenfalls eine wichtige Fähigkeit als erfolgreicher Musiker. Wie erwähnt: Flexibilität. :cool:
     
    Zuletzt bearbeitet: 11.Dezember.2023
  16. Rick

    Rick Experte

    Auf jeden Fall danke ich Dir für die Ausführungen, sie haben meinen Respekt vor Deiner Persönlichkeit weiter gesteigert!!
    Ich bin sehr beeindruckt und gebe Dir in allen Schlussfolgerungen völlig Recht. :thumbsup:
     
    Salinsky, Livia, Jacqueline und 2 anderen gefällt das.
  17. Gelöschtes Mitglied 13399

    Gelöschtes Mitglied 13399 Guest

    Sam Butera! Er hat einen großen Einfluss darauf gehabt, dass ich mit dem Saxophonspielen anfing.
     
    Rick gefällt das.
  18. LuckySax

    LuckySax Ist fast schon zuhause hier

    What ever!
    Du liebst es.
     
  19. Rick

    Rick Experte

    Echt jetzt? Da hat aber mal ein Produzent eine gute Idee gehabt.

    Ebenfalls eines meiner größten Vorbilder, gerade was "comprehensive" und "honking" angeht: Immer genau auf den Punkt. :thumbsup:
     
  20. Ernesto

    Ernesto Ist fast schon zuhause hier

    eigentlich war ich auf der Suche nach C-Melody alias C-Tenor und bin dann hier gelandet.

    Wer hier - außer mir selbst - ist an Saxophonen in C interessiert?
     
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